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„Definierte Verantwortung für Zulieferer und Hersteller“

Verträge mit Zulieferern: Haftungsfragen und Qualitätssicherung sollten mit geregelt werden
„Definierte Verantwortung für Zulieferer und Hersteller“

Vom Lieferantenmanagement der Automobilbranche kann die Medizintechnik lernen, auch wenn sich nicht alles einfach übertragen lässt. Worauf in Sachen Haftung und Qualität zu achten ist, erläutert Rechtsanwalt Dr. Boris Handorn.

Herr Dr. Handorn, gibt es neue gesetzliche Vorgaben, die den genaueren Blick auf die Verträge zwischen Herstellern von Medizinprodukten und ihren Zulieferern erfordern?

Neu ist in diesem Zusammenhang relativ: Die letzte Novellierung der Medizinprodukterichtlinie, die das Zusammenspiel zwischen den Herstellern und ihren Lieferanten betrifft, ist bereits seit März 2010 geltendes Recht. Darin geht es unter anderem darum, dass ein Hersteller und Inverkehrbringer von Medizinprodukten aufgefordert ist, im Rahmen der Konformitätsprüfung bei allen seinen Zulieferern die Qualitätssicherung mit zu kontrollieren. Die Fälle, mit denen wir es immer wieder zu tun haben, zeigen aber, dass es bei den entsprechenden Verträgen sehr wohl noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Wo liegen denn die Probleme?
Um das zu erläutern, sollten wir uns noch einmal kurz vor Augen führen, welche Vereinbarungen üblicherweise getroffen werden. Im Entwicklungsvertrag – sofern es um ein spezielles Produkt geht, das neu entstehen soll–, steht, welche Aufgaben der Hersteller vom Zulieferer durch eine neue oder angepasste Komponente gelöst sehen will. Im Rahmenliefervertrag geht es dann vor allem um Preise, Mengen und Zeiträume oder Termine, zu denen das fertig entwickelte und freigegebene Produkt vom Zulieferer bereitgestellt werden soll, sowie um Gewährleistungs- und sonstige Haftungsfragen. In dieses Umfeld gehören Vereinbarungen zur Qualitätssicherung, die üblicherweise in einem dritten Vertrag geregelt werden. Sowohl Entwicklung als auch Qualitätssicherung haben jeweils ihre Tücken.
Was ist so heikel an den Entwicklungsvereinbarungen?
Bei einem reibungslosen Ablauf schreibt der Hersteller das Lastenheft, der Zulieferer formuliert sein Pflichtenheft und baut genau das erforderliche Teil. So einfach ist es aber leider nicht immer. Zumeist wird die zugelieferte Komponente in ein System integriert, das als Ganzes funktionieren muss. Die Komponente muss daher nicht nur definierte Eigenschaften aufweisen, sondern soll eine Aufgabe erfüllen. Um das auch leisten zu können, braucht der Zulieferer möglichst viele Informationen und muss wissen, für was er alles zuständig ist. Die Aufgaben des Herstellers müssen ebenso klar beschrieben sein. Insbesondere muss klar sein, wer die Schnittstellenverantwortung trägt. Lässt man das außer Acht, kann sich der Zulieferer später, falls etwas schiefgeht, eventuell aus der Haftung herausnehmen, weil er ja ‚genau das definierte Produkt geliefert‘ hat, während der Endhersteller die Aufgabe extra in die Hände von Experten gelegt hat, damit diese eventuelle Probleme vorhersehen und vermeiden.
Was also ist zu tun?
Man sollte sich ein Worst-Case-Szenario überlegen und in einer frühen, unbelasteten Phase festlegen, wie die Beteiligten zu reagieren haben und wie man die Haftungsrisiken koordiniert. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein Haftungsfall selbst dann eintreten kann, wenn alle organisatorischen Maßnahmen ergriffen wurden, um Sachmängel zu vermeiden. Also ist es besser, diesen Fall gleich mit zu regeln.
Wozu wäre ein Zulieferer denn gesetzlich verpflichtet – ohne Details im Vertrag?
Ein Zulieferer haftet nach der gesetzlichen Gewährleistungshaftung zwei Jahre lang dafür, dass seine Komponenten einwandfrei funktionieren – was angesichts der Lebensdauer mancher Medizinprodukte zu kurz ist. Daher ist es umso wichtiger, im Rahmenliefervertrag eine Gewährleistungsvereinbarung vorzusehen, die für das betreffende Medizinprodukt sinnvoll ist.
Wie kann man sicher sein, dass der Zulieferer die Kosten tragen kann?
Wir reden beim Rückruf unter Umständen von Kosten in Millionenhöhe. Daher muss der Zulieferer eine Produkthaftungsversicherung abschließen, die das auch abdeckt. Das Recht, jährlich einen Nachweis über das Bestehen einer solchen Versicherung zu bekommen, kann ein Medizinprodukte-Hersteller vertraglich festschreiben.
Was ist im Hinblick auf die Qualitätssicherung noch zu beachten?
Der Hersteller muss laut Medizinproduktegesetz für die Sicherheit seiner Produkte sorgen. Dieser Verantwortung bis hin zur Null-Fehler-Produktion muss er durch Qualitätsicherungsvereinbarungen entlang der gesamten Lieferkette gerecht werden – daher muss festgelegt sein, wie die Dokumentation auszusehen hat oder dass der Hersteller ein Besuchsrecht in der Produktion seines Zulieferers bekommt. Eine Unterschrift unter dem Vertrag ist eins – die Vereinbarungen zu leben, etwas anderes.
Das ist natürlich mit Aufwand verbunden…
Das ist richtig, aber es muss ja nicht mit jedem Zulieferer das ganze Paket abgearbeitet werden. Wenn es um strategisch wichtige oder sicherheitsrelevante Teile im Produkt geht und der Hersteller in größerem Maße auf externes Know-how angewiesen ist, sollte man den Aufwand meiner Meinung nach nicht scheuen.
Gibt es hierfür vorbildliche Branchen?
Die Automobilbranche hat es geschafft, ein sehr dichtes, professionelles und effizientes Lieferantenmanagement aufzubauen. Elemente daraus tauchen bereits in der Medizintechnik auf – auch deshalb, weil große Unternehmen entsprechende Mitarbeiter aus dem Automobilbereich rekrutieren. Medizinprodukte sind aber unterschiedlicher als die Fahrzeuge verschiedener Hersteller. Eine so starke Vereinheitlichung wie im Automobilsektor ist daher nicht zu erwarten.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Zur Noerr-Praxisgruppe: www.noerr.com

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