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Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz in der Medizintechnik

Lieferantenmanagement
Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz: Alles unter Kontrolle?

Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz: Alles unter Kontrolle?
Neben dem Lieferanten- und Risikomanagement verlangt das Gesetz konkrete Maßnahmen in den Bereichen Unternehmenskommunikation und Compliance. Auch eine jährliche Dokumentations- und Berichtspflicht ist vorgesehen. (Bild: tippapatt/stock.adobe.com)
Das Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz stellt die unternehmerische und soziale Verantwortung der Lieferanten in den Vordergrund. Auch Medizintechnik-Hersteller und ihre Zulieferer sind betroffen. Handeln ist angesagt, sonst drohen ein Lieferanten-Wechsel oder ein Re-Design bei bestimmten Produkten.

Manfred Godek
Fachjournalist in Monheim

Am 1. Januar ist das Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz (LkSG) in Kraft getreten. In Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3000, ab 2024 mit mehr als 1000 Mitarbeitern, müssen bei ihren Lieferanten für die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards sorgen und ihre Bemühungen einmal jährlich dokumentieren. Das sei im Prinzip richtig, sagen der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Aber: Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen könnten die Anforderungen an Risikomanagement, Dokumentation und Berichtspflicht organisatorisch und wirtschaftlich nur schwer bis gar nicht erfüllen. Obwohl vom Gesetz nicht direkt betroffen, sind auch sie im Obligo. Und zwar in ihrer Rolle als Lieferanten größerer Unternehmen, denen gegenüber sie ihre Nachhaltigkeit belegen müssen. Damit wirkt das LkSG tief in die Lieferketten hinein.

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Bei Verstößen gegen das Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz drohen hohe Bußgelder

Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) will keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass es die Umsetzung strikt kontrollieren und bei schweren Verstößen Bußgelder verhängen wird. Dies sind bis zu 8 Mio. Euro oder bis 2 % des Jahresumsatzes, wenn dieser 400 Mio. Euro überschreitet. Das Bafa kann Personen vorladen, Geschäftsräume betreten, Unterlagen einsehen und prüfen und Geschäftsführungen zu konkreten Handlungen auffordern.

„Im ersten Jahr gilt dies insbesondere hinsichtlich der Sorgfaltspflichten, die bereits mit dem Inkrafttreten erfüllt sein müssen. Dazu gehören etwa die Festlegung der Zuständigkeit für die Überwachung des Risikomanagements sowie die Einrichtung eines funktionierenden Beschwerdeverfahrens“, so Bafa-Sprecher Dr. Nikolai Hoberg. Lediglich für die Berichterstattung gibt es jetzt einen kleinen Aufschub. Eigentlich müssen Unternehmen die Umsetzung des LkSG jeweils vier Monate nach dem Schluss eines Geschäftsjahres nachweisen. Im März hat die Behörde mitgeteilt, erst ab Juni 2024 die Einhaltung der Berichtspflicht überprüfen zu wollen.

Neue Systeme und Prozesse für die Umsetzung

Bereits zum Stichtag 1. Januar 2023 mussten Unternehmen Beschwerdestellen eingerichtet und Grundsatzerklärungen verabschiedet haben. „Diese Aufgabe haben die allermeisten pünktlich erfüllt. Unterschiedlich weit fortgeschritten sind die Unternehmen bei der Risikoanalyse und dem Maßnahmenkatalog, der festlegt, wie man bei Verstößen von Lieferanten vorgehen will“, sagt Dr. Gökhan Yüzgülec, Managing Director der Inverto GmbH, der auf Einkauf und Supply-Chain-Management spezialisierten Tochtergesellschaft der Boston Consulting Group. Es gelte, effiziente Prozesse aufzusetzen und die Kriterien aus dem Gesetz im Risikomanagement und in der Lieferantensteuerung abzubilden. Es müssten Lieferantenverträge überarbeitet, Controllingsysteme etabliert und Lieferantenschulungen in puncto Compliance und Nachhaltigkeit organisiert werden.

Produkte der Medizintechnik haben einen hohen Anteil an Materialien, deren Abbau und Verarbeitung regelmäßig mit menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Problemen in Zusammenhang gebracht werden. Wenn im Rahmen der Risikoanalyse auf Lieferantenseite prekäre Verhältnisse festgestellt werden, müssen diese zunächst abgestellt und sodann Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, damit der Lieferant künftig gesetzeskonform arbeitet. Im Fokus stehen dabei die unmittelbaren Zulieferer. Aber auch deren Lieferanten sind im Auge zu behalten. Bei „substanziierter Kenntnis über eine mögliche Verletzung einer geschützten Rechtsposition oder einer umweltbezogenen Pflicht“ muss laut Gesetz auch hier eingegriffen werden. Unternehmen sollten schon jetzt Szenarien für Problemfälle entwickeln. Ein Lieferantenwechsel wäre die Ultima Ratio. Zunächst sollte gemeinsam nach Lösungen gesucht werden.

Lieferkettengesetz: Was Deutschland fordert und was die EU vorbereitet

Ein Re-Design von Produkten kann die strategisch bessere Option sein: eine Verbesserung der Umweltverträglichkeit durch den Einsatz von alternativen Komponenten oder Materialien. Weil ohnehin viele Unternehmen aufgrund von Verknappungen und -verteuerungen zu Veränderungen gezwungen seien, lasse sich hier der Hebel ansetzen, so Dr. Yüzgülec, der die Inverto-Geschäfte am Standort Hamburg leitet. Der höhere administrative und technische Aufwand sowie die Nutzung von alternativen Vorprodukten kann allerdings zu Kostensteigerungen führen. Dies nicht nur auf der Materialseite. Auch eine Anpassung oder Verbesserung von Arbeitsbedingungen beim Lieferanten sind preisbildend. Umso wichtiger ist es, die gegenwärtigen Bedingungen und die Optionen möglichst frühzeitig zu evaluieren. „Es ist sinnvoll, jetzt zu überprüfen, ob die eigene Geschwindigkeit bei der Implementierung ausreicht oder ob man schneller werden muss“, erklärt der Inverto-Experte.

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Schärfere EU-Vorschriften für die Lieferketten

Auch auf EU-Ebene ist ein Lieferkettengesetz in Arbeit. Die am 25. April vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments beschlossene „Corporate Sustainability Due Dilligence Directive“ soll für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. Euro sowie für Muttergesellschaften eines Konzerns mit 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro gelten. Im Mai steht die finale Abstimmung im EU-Parlament an und anschließend die Umsetzung in nationales Recht. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht schon jetzt „ein großes zusätzliches Handelshemmnis“. Das wird allerdings nichts daran ändern, dass das im Vergleich zum deutschen LkSG schärfere Gesetz kommt und auch in Deutschland umgesetzt werden muss. Unternehmen sollten also jetzt mit der Einarbeitung starten. Gute Vorbereitung wird sich später auszahlen.


LkSG: Auch ein Einkauf-Thema

Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen erstrecken sich auf die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Die Anforderungen sind nach der Unternehmensgröße abgestuft. Der Einkauf hat einen maßgeblichen Anteil am Erfolg der LkSG-Umsetzung. Neben der Sicherung der Resilienz und Optimierung der Wertschöpfung rücken die unternehmerische und soziale Verantwortung in den Vordergrund. Die LkSG-relevanten Handlungsfelder im Einkauf sind:

  • Grundsatzerklärung verabschieden
  • LkSG-konforme Beschaffungs- und Warengruppenstrategien
    implementieren
  • Nachhaltiges Lieferantenmanagement umsetzen, gegebenenfalls mit Präventions- und Abhilfemaßnahmen
  • Beschwerdemechanismus einrichten
  • Öffentliche Berichterstattung unterstützen

Inverto ist als internationale Unternehmensberatung Spezialist für strategischen Einkauf und Supply Chain Management in Europa. Das Leistungsangebot reicht von der Identifizierung und Bewertung von Potenzialen zur Kostensenkung und Prozessoptimierung über deren Umsetzung vor Ort bis zur Professionalisierung der gesamten Supply Chain.

www.inverto.com


Kontakt zum Beratungsdienstleister:

Inverto GmbH
Ballindamm 17
20095 Hamburg
www.inverto.com

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