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Zuke Green: Nachhaltige Medizinprodukte aus Sicht des Einkaufs

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen
Wie Einkäufer nachhaltige Medizinprodukte auswählen

Wie Einkäufer nachhaltige Medizinprodukte auswählen
Stefan Krojer hat als Einkaufsleiter im Krankenhaus über viele Jahre Erfahrungen gesammelt. Mit der von ihm gegründeten Plattform Zukunft Krankenhauseinkauf (Zuke) ging es ihm zunächst darum, die Prozesse durch Digitalisierung zu verbessern. Der jüngste Bereich Zuke Green konzentriert sich auch die Nachhaltigkeit beim Einkauf (Bild: Zuke Green)
Nachhaltiger Einkauf:  Zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen werden auch nachhaltige Medizinprodukte beitragen. Noch sind Einkäufer, die ihre Ausschreibungen entsprechend gestalten, in der Minderheit. Im Netzwerk Zuke Green tauschen sie sich untereinander und mit Nachhaltigkeitsmanagern aus. Netzwerk-Gründer Stefan Krojer berichtet über die heutige Situation – und kündigt an, dass ab 2023 auch die Medizintechnik-Industrie bei den Treffen willkommen ist.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Krojer, Sie waren selbst im Einkauf tätig und haben 2020 das Netzwerk Zuke Green gegründet. Wie haben sich die Prioritäten im Krankenhauseinkauf in den vergangenen Jahren verändert?

Man muss sagen, da bewegt sich schon etwas. Die ersten Veränderungen hat natürlich die Digitalisierung mit sich gebracht. Aber auch die Forderung nach einem nachhaltigeren Gesundheitswesen macht sich allmählich bemerkbar. Vor zwei Jahren, als wir mit Zuke Green an den Start gingen, hat die Frage der Nachhaltigkeit beim Einkauf im Grunde gar keine Rolle gespielt. Da ging es um Qualität und Preis. Inzwischen sind nachhaltige Produkte in ganz verschiedenen Bereichen ein Thema. Ich würde sagen, in 10 bis 15 Prozent der Ausschreibungen taucht das schon auf. Aber was konkret ein Produkt nachhaltig macht und wie der Anbieter das nachweisen kann, ist für jedes Produkt unterschiedlich.

Demnächst: Zuke Green Kongress
Mehr über den Kongress im November 2022

Wie könnte man zum Beispiel für Medizinprodukte nachweisen, dass sie nachhaltig sind?

Lassen Sie mich mit einem anderen Beispiel anfangen, um zu zeigen, wo wir mit den Medizinprodukten noch hin müssen. Ein Einkäufer wird nachhaltige Aspekte nur in seine Ausschreibung aufnehmen, wenn es erstens schon ein ausreichendes Angebot von Produkten im gesuchten Bereich gibt und sich zweitens die Produkte anhand von Siegeln auch als wirklich nachhaltig erkennen lassen. Im Bereich der Krankenhauswäsche hat sich der so genannte Grüne Knopf etabliert. Das ist – auch auf Produktebene – ein sehr gutes Siegel. Wer es bekommt, beweist, dass er sich an die Regeln der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit hält. Für Medizinprodukte gibt es noch kein einziges Siegel dieser Art. Diese müssen erst noch entwickelt werden, ebenso die Kriterien, die Hersteller mit ihren Prozessen und Produkten erfüllen müssen, um ein bestimmtes Siegel zu erhalten. Und die Kriterien werden für einen Stapler, der im OP Gewebe verbindet, sicher anders aussehen als für Verbrauchsmaterial oder ein größeres Medizingerät.

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Sie schreiben auf Ihrer Website: „Der Einkauf kann bis zu zwei Drittel der im Krankenhaus entstehenden Emissionen beeinflussen.“ Welches sind die größten Hebel für mehr Nachhaltigkeit?

Es gibt im Krankenhausumfeld Bereiche wie die Energie– und Lebensmittelversorgung, aber auch Narkosegase oder Mobilität, die schon früh als gute Ansatzpunkte erkannt wurden, um CO2- und Treibhausgas-Emissionen im Gesundheitswesen zu senken. Das heißt, die Häuser, die sich schon um Nachhaltigkeit kümmern, haben mit diesen Themen begonnen. Bisher sind das in Deutschland etwa 10 Prozent der Kliniken und Krankenhäuser. Alle, die neu einsteigen, werden ebenfalls an diesen Stellen ansetzen. Noch ist der Druck im Bereich Medizinprodukte also überschaubar. Erste Projekte zeigen aber schon, dass auch die Medizintechnik einen nennenswerten Anteil zu den Emissionen beiträgt. Sie wird also recht bald oben auf der Prioritätenliste stehen. Daher ist es sinnvoll, sich jetzt schon Gedanken zu machen, wie die Produkte nachhaltiger werden können.

Welche Ansatzpunkte sehen Sie für Verbesserungen?

Das bestehende Produkt selbst zu verändern, ist sicherlich der schwierigste Ansatz – den Hersteller angesichts der MDR-Vorgaben im Moment eher vermeiden. Eco-Design ist also etwas für die künftigen Produkt-Generationen. Trotzdem gibt es Ideen, mit denen sich schon jetzt etwas verbessern lässt. Das sind zum einen das Ausweichen auf recycelte Rohstoffe. Dabei bleibt das Produkt unverändert, aber die Massenbilanz weist deutlich reduzierte CO2-Emissionen auf. Ebenso interessant ist zum anderen das Downcycling, also die Variante, die Entsorgung zu optimieren. Wenn ein gebrauchtes Produkt nicht einfach verbrannt, sondern mit entsprechender Logistik zu Recyclern gebracht wird, verbessert sich ebenfalls die Bilanz für das Produkt. Welchen Weg ein Hersteller am besten wählt, ist jeweils eine individuelle Entscheidung. Aber die erreichten Verbesserungen müssen dem Kunden im Krankenhaus auf jeden Fall so kommuniziert werden, dass echte Ergebnisse von Greenwashing-Versuchen zu unterscheiden sind.

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Wie muss nach Ihrer Einschätzung ein nachhaltiges Gesundheitswesen aussehen?

Allgemein gesagt geht es um langfristiges verantwortungsvolles Wirtschaften mit gesundem Menschenverstand. Darum, keine Ressourcen zu verschwenden. Für ein Krankenhaus heißt das, es reicht nicht mehr aus, sich allein um die medizinische Versorgung der Patienten zu kümmern. Die Leitung muss Verantwortung übernehmen und Wege suchen, um zu geringeren CO2-Emissionen zu kommen. Dafür brauchen wir konkrete Ziele. Im Fünften Buch Sozialgesetzbuch – kurz: SGB V – ist bisher nur die Rede davon, dass bei der Versorgung die Qualität und der Preis zu berücksichtigen sind. Meiner Meinung nach müsste die Nachhaltigkeit dort als dritter Punkt verankert sein. Und ich gehe davon aus, dass der Gesetzgeber klare Vorgaben machen wird, wenn im Gesundheitswesen die Emissionen weiterhin ansteigen, während sie in anderen Branchen bereits sinken.

Welche Spielräume hat denn der Einkauf, eine nachhaltige Produktauswahl auch finanziell umzusetzen?

Eigentlich keine. Grüne Produkte, die den gleichen Preis haben wie ihre nicht nachhaltigen Wettbewerber, gibt es im Grunde nicht. Wenn ein nachweislich besseres Produkt nur etwa fünf Prozent mehr kostet, ist das eine Spanne, die sich über Einkaufsgemeinschaften ausgleichen lässt. Wer ein nachhaltiges Produkt anbietet, das deutlich teurer ist, muss mit einer zusätzlichen Innovation kommen. Das kann durchaus interessant sein – es ist sehr spannend, solche Potenziale in der Diskussion zwischen Anwendern und Herstellern zu definieren. Das wird künftig auch eine der Aufgaben der Zuke-Green-Community sein. Und in jedem Fall ist es sehr wichtig, den Kunden im Krankenhaus die Daten zum nachhaltigen Produkt im richtigen Format bereitzustellen. Diese können die Versorger für ihr Marketing verwenden – und sie müssen sie ohnehin bald vorweisen können, um ihre Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD, zu erfüllen.

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Es geht um Unmengen von Daten. Ist das realistischerweise handhabbar?

Die Digitalisierung bietet uns dafür unglaubliche Möglichkeiten. Was geht, zeigt sich zum Beispiel im Bereich der Nahrungsmittel. Damit eine Banane mit dem gewünschten Reifegrad im Supermarkt-Regal liegt, müssen alle Schritte von der Plantage über den Transport, die Kühlung und die Auslieferung abgestimmt sein. Das funktioniert auf digitalem Weg. Natürlich auch deshalb, weil all diese Daten relativ einfach erhoben werden können. Wenn eine Ökobilanz für ein Medizinprodukt mit einigen Zehntausend Euro anzusetzen ist, wird der Hersteller das natürlich nicht in kurzer Zeit für alle Produkte in seinem Portfolio umsetzen. Aber auch hier ist zu erwarten, dass künftig eine nicht finanzielle Berichterstattung erforderlich sein wird, in der entsprechende Daten zusammengestellt werden müssen. An einem Ansatz dafür arbeiten bereits Unternehmen wie die Sana-Kliniken, Dräger, SAP und einige mehr, die sich in der Value Balancing Alliance (VBA) zusammengeschlossen haben. Sie wollen einen Branchen-Standard definieren.

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Aber zurück zu den Kliniken: Sehen Sie einen Markt für nachhaltige Medizinprodukte?

Weniger Emissionen sind nur zu erreichen, wenn alle dazu beitragen. Daher: Ja. Aber es muss natürlich auch von den Einkäufern das richtige Signal kommen. Derzeit sehen wir erste Projekte bei den Herstellern, die nachhaltigere Lösungen testen. Wenn diese nicht in erkennbarem Maß Anklang finden, werden die Ideen sicher nicht auf weitere Produkte angewendet. Es muss also ein Abgleich stattfinden: was können die Hersteller bieten, was brauchen die Kliniken an Funktion und was ist als Preis realistisch.

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Sie wenden sich mit der Plattform Zuke Green bisher vor allem an Klinik-Mitarbeiter. Welche Rolle spielen Medizinprodukte und deren Hersteller im Netzwerk?

Wir haben uns zunächst darauf konzentriert, einen internen Kreis aus den mit dem Thema beschäftigten Klinik-Mitarbeiten zu schaffen, also Einkäufern und Nachhaltigkeitsmanagern. Das hat einen offenen Austausch ermöglicht, und diesen Ansatz werden wir weiter verfolgen. Es ist aber klar, dass es auch Runden mit Pharmaunternehmen und der Medizintechnik-Branche geben muss. Das ist für beide Seiten von Vorteil. Denn wenn Klinikmitarbeiter sagen, was sie brauchen, welche Fragen sie beantwortet sehen wollen, hilft das bei der Entwicklung neuer Produkte oder Services. Daher werden wir Zuke Green ab 2023 für weitere Akteure aus dem Gesundheitsbereich öffnen, also für Medizinproduktehersteller, Vertreter von Verbänden und aus der Politik. Entsprechende Anfragen aus der Medizintechnik habe ich in den vergangenen Monaten bereits erhalten.

In kleinen Schritten zu nachhaltigen Produkten

Wie können Sie Medizinprodukte-Hersteller auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen?

Unsere Arbeit konzentriert sich vor allem auf den Austausch in der Community und den jährlichen Kongress, der virtuell stattfindet. In beiden Bereichen werden auch Themen diskutiert, die Medizinprodukte betreffen. Bei Interesse stelle ich die Aspekte der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen bei unternehmensinternen Veranstaltungen auch in einem Vortrag vor. Und wenn Medizinprodukte-Hersteller konkrete Fragen haben, vermitteln wir Ansprechpartner innerhalb der Community. Wenden Sie sich also gern an uns, wenn Sie am Thema Interesse haben.


Über den Zuke-Green-Kongress

Einmal im Jahr, Ende November, trifft sich die Zuke-Green Community zu einem Kongress. Dieser findet virtuell statt. Der nächste Termin ist am 22. und 23. November 2022.

Auf der Agenda stehen für den ersten Tag unter anderem eine Vorstellungsrunde für die Nachhaltigkeitsbotschafter – also Fachleute aus Krankenhäusern und Kliniken, die sich mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsfragen in der Praxis auseinandersetzen. Geplant ist, dass diese auch Fragen der Teilnehmer live beantworten.

Themenblock Medizinprodukte geplant

Am zweiten Tag ist ein Themenblock dem Bereich Medizinprodukte gewidmet. Dabei erläutern Hersteller, welchen Weg sie einschlagen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und welche Möglichkeiten sie damit ihren Kunden bieten.

Abgesehen vom Kongress bietet Zuke Green mehrmals im Jahr den Austausch mit anderen Fachleuten über eine Video-Plattform an. Die Themen dafür werden intern festgelegt. Während der Kreis der Beteiligten in der Community bisher auf Mitarbeiter von Krankenhäusern und Kliniken beschränkt war, können sich ab 2023 auch weitere Akteure im Gesundheitswesen anmelden. Mitstreiter aus Verbänden, Industrie und Politik können sich dann mit den Experten aus den Krankenhäusern austauschen und gemeinsam gangbare Lösungen diskutieren.

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Mittelfristig ist es laut Stefan Krojer wichtig, sich mit anderen Netzwerken und Communities zu verbinden und den Austausch zwischen allen Beteiligten zu intensivieren.

Mehr zum Kongress-Programm, zur Anmeldung und zu den Aktivitäten von Zuke-Green:
www.zuke-green.de

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