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MRT: Was Hightech künftig für die Psychiatrie tun kann

Magnetresonanztomographie
MRT: Was Hightech künftig für die Psychiatrie tun kann

MRT: Was Hightech künftig für die Psychiatrie tun kann
Prof. Gabriele Ende leitet die Abteilung Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und forscht seit rund 30 Jahren zur MRT und MR-Spektroskopie im psychiatrischen Umfeld (Bild: ZI Mannheim)
Moderne Medizintechnik, das sind zum Beispiel MRT-Geräte mit einer Feldstärke von 7 Tesla. Sie zeigen Details, die auch die Forschung zu komplexen Fragestellungen in der Psychiatrie schneller voranbringen. Prof. Gabriele Ende forscht seit drei Jahrzehnten auf diesem Gebiet – und hier kommen Mediziner, Ingenieure und Physiker nur gemeinsam zum Ziel.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Frau Professor Ende, wenn man über MRT-Geräte spricht, denkt man zunächst an Radiologie, an Diagnostik zu Organen. Was verrät die Bildgebung heute über die psychische Gesundheit von Menschen?

Bisher zeigen uns die Forschungsergebnisse, die wir im psychiatrischen Umfeld mit dem MRT bekommen, vor allem Ansätze, in welche Richtung wir in Zukunft gehen können. Diese Ansätze sind sehr interessant und viel versprechend. Aber man muss auch ganz klar sagen, dass wir von Forschung sprechen und noch nicht von Diagnostik. Die Radiologie kann heute mit einer Untersuchung im MRT bei einem einzelnen Patienten zeigen, ob er eine bestimmte körperliche Krankheit hat oder nicht. In der Psychiatrie sind wir bisher an dem Punkt, dass wir statistische Aussagen treffen können. Wir sehen Unterschiede zwischen Gesunden und bestimmten Patientengruppen. Es gibt aber noch keine eindeutigen Marker, die wir mit einzelnen Erkrankungen verbinden können. Mittelfristig ist aber das Ziel, zum Beispiel Therapieoptionen zu empfehlen oder deren Erfolg mit Hilfe der Medizintechnik sehr früh einzuschätzen.

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Wie entstand die Idee, MRT-Geräte in den Dienst der Psychiatrie zu stellen?

In den 90er Jahren wurde entdeckt, dass ein funktionelles MRT Aktivitäten und auch Defizite im Gehirn erkennbar macht. Ergebnisse hierzu nutzen heute Neurochirurgen, zum Beispiel bevor sie einen epileptischen Fokus operativ entfernen. Dann zeigt das MRT im Vorfeld, wo Gehirnbereiche für die Motorik genau liegen oder auch das Sprachzentrum, also Zonen, die unangetastet bleiben müssen. In der Psychiatrie haben wir es aber mit noch komplexeren Fragestellungen zu tun. Patienten, die an Depressionen oder Suchterkrankungen leiden, unterscheiden sich mit bestimmten messbaren Daten von Gesunden. Solche Abweichungen können aber bei Patientengruppen mit verschiedenen Krankheitsbildern auftreten, was die Differenzierung erschwert.

Wie weit ist die Forschung dazu heute schon gediehen?

Ich denke, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis wir Marker definiert haben, mit denen eine MRT-Untersuchung tatsächlich an einem einzelnen Patienten in der Psychiatrie diagnostische Aufgaben übernehmen kann. Dass sich die Technik in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt hat, hilft uns allerdings sehr. Angefangen haben wir mit Geräten mit einer Magnetfeldstärke von 1,5 Tesla. Als die 3-Tesla-Geräte kamen, gab es schlagartig mehr Veröffentlichungen – und heute verfügbare Geräte mit 7 Tesla zeigen uns noch mehr Details, was die Forschung im psychiatrischen Bereich beschleunigt.

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Welche konkreten Aussagen sind bisher möglich?

Wir nutzen für unsere Untersuchungen strukturelle und auch funktionale Abbildungen, die die Hirnaktivität zeigen. Ein Beispiel dafür ist ein Vergleich der Gehirnaktivität in Ruhe. Lautet die Aufgabe für gesunde Probanden, an nichts zu denken, sinkt deren Hirnaktivität. Ein meditierender Zen-Mönch schafft es sogar, sein Netzwerk fast vollständig auszuschalten. Patienten hingegen, die unter einer schweren Depression leiden, fällt diese Aufgabe sehr schwer, die verbleibende Aktivität ist erkennbar höher als bei Gesunden. Wenn der Patient dann Medikamente bekommt, dauert es gewöhnlich mehrere Wochen, bis der behandelnde Arzt erkennen kann, ob diese die gewünschte Wirkung erzielen – oder ob der Wechsel zu einem anderen Wirkstoff sinnvoll erscheint. Unser Ansatz ist, diese Tendenz künftig möglichst früh mit einer MRT-Untersuchung nachzuweisen: Wenn ein Medikament es dem Patienten ermöglicht, seine Gehirnaktivität besser herunterzufahren als vorher, ist das ein gutes Zeichen für die Wirksamkeit. Und für Arzt und Patienten heißt das, dass die Therapie auf dem richtigen Weg ist. Abgesehen von solchen Untersuchungen können aber auch biochemische Aspekte medizinisch interessant sein.

Welche biochemischen Ergebnisse könnten sich in den starken Magnetfeldern zeigen?

Betrachten wir das Beispiel von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen, deren Impulsivität und Emotionen stark schwanken. Die Konzentration von Glutamat in bestimmten Hirnregionen steht damit in Zusammenhang und scheint die Impulsivität des Menschen zu beeinflussen. Bisher lässt sich die Menge dieses häufigsten Botenstoffs im menschlichen Gehirn direkt am synaptischen Spalt aber nur mit aufwendigen und invasiven Methoden feststellen. Hier bietet eine MR-Spektroskopie eine sehr elegante Alternative, um die Gesamtmenge des Glutamats in einer bestimmten Gehirnregion zu messen. Dies ist ein potenzieller Marker für bestimmte Verhaltensveränderungen. Es wird übrigens auch mit den Entzugserscheinungen bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit in Verbindung gebracht. Hinweise darauf haben wir aus translationalen MR-Spektroskopiestudien an Ratten bei 9,4 T und an Menschen bei 3 T erhalten.

Wie ließe sich ein MRT-Gerät noch im psychiatrischen Umfeld einsetzen?

Ein MRT-Gerät könnte sogar direkten therapeutischen Nutzen haben, wenn wir an das Neurofeedback denken. Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung können ihre Emotionen nicht gut regulieren. Im MRT zeigt sich das konkret an der Aktivität einer bestimmten Hirnregion, des so genannten Mandelkerns, auch als Amygdala bezeichnet. Dieser Mangel an Kontrolle lässt sich aber durch Training verbessern, eben durch so genanntes Neurofeedback. Das Training läuft dann im MRT-Gerät ab, das die Aktivität im definierten Gehirnbereich erfasst und sie dem Patienten in Form einer thermometerähnlichen Skalendarstellung zeigt. Der Patient sieht ausgewählte Bilder und reagiert darauf emotional – und lernt, wie er Stärke und Dauer seiner Reaktion selbst beeinflussen kann. Solche Lösungen werden derzeit weiterentwickelt.

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Brauchen Sie für den MRT-Einsatz in Ihrem Bereich spezielle Geräte?

Die Hardware ist bis auf spezielle Kopfspulen die gleiche wie bei diagnostischen Anwendungen in der Radiologie. Die Unterschiede liegen vor allem in der Software. Da tut sich gerade viel. Die 7-Tesla-Geräte sind inzwischen als Medizinprodukte zertifiziert und tragen das CE-Kennzeichen, wir dürfen Patienten also damit untersuchen. Aber es gibt noch längst nicht alle Untersuchungsprogramme, die wir von den 3-Tesla-Geräten gewohnt sind, auch für die Geräte mit der hohen Magnetfeldstärke. Daran arbeiten die Hersteller noch. Auch für die MR-Spektroskopie haben wir noch nicht alle Möglichkeiten zur Verfügung. Und natürlich ist KI in unserem Umfeld ein Thema. Da sehen wir interessante Ansätze, wie sich die Darstellungen verbessern lassen. Wir sind aber auch noch ein bisschen misstrauisch gegenüber den Veränderungen, die ein Algorithmus an den Daten vornehmen kann. Das Thema steht allerdings noch am Anfang.

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Welche Geräte-Verbesserungen könnten die Forschung voranbringen?

In der Spulentechnik hat sich schon viel getan, ein 7-Tesla-MRT ist ein High-End-Produkt – aber natürlich ist da immer noch Luft nach oben. Technische Fragestellungen tauchen im Detail auch immer wieder auf, aber das bekommen wir gerade ganz gut in den Griff. Abgesehen davon ist die homogene Anregung der Atome ein Thema: Sie zu erreichen, ist bei hohen Feldstärken schwieriger. Nicht vergessen sollte man den Patientenkomfort. Ein Mensch muss sich doch recht lange in dem Gerät aufhalten, muss die Situation und die Enge aushalten. Da gibt es sicher noch Potenzial, etwas zu verbessern.

Wo setzt die Gesundheit der Patienten den Magnetfeldern eine Grenze?

Dass wir nur Magnetfelder einzusetzen brauchen, ist ein methodischer Vorteil beim MRT – verglichen mit anderen Verfahren wie Röntgen, CT oder PET, die als invasiv gelten müssen wegen der Strahleneinwirkung. Selbst starke Magnetfelder hinterlassen im Körper keine bleibenden Effekte. Lediglich leichtes Unwohlsein, Schwindel oder Übelkeit wurden bisher beschrieben. Diese können auftreten, wenn sich der Patient in das Magnetfeld hineinbewegt und wenn er es wieder verlässt. Aber auch diese Effekte sind individuell sehr verschieden und treten, wenn überhaupt, nur im Moment der Untersuchung auf.

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In der Radiologie sind MRT-Untersuchungen ein wichtiges bildgebendes Diagnoseverfahren, mit dem sich Strukturen im Körperinnern darstellen lassen – nur durch die Einwirkung eines starken Magnetfeldes
(Bild: Axel Kock/stock.adobe.com)

Wo liegen aktuell die Schwerpunkte Ihrer Forschung?

Wir bearbeiten Projekte, bei denen wir mit gesunden Probanden die technischen Möglichkeiten der Geräte testen. Daneben laufen kooperative Studien an Patienten mit Medizinern, die konkrete Fragestellungen klären wollen. Ein Beispiel dafür war die schon erwähnte Messung der Glutamatkonzentration im Gehirn von Patienten mit Borderline-Störungen. Ich möchte aber betonen, dass wir auf diesem Gebiet nur durch das interdisziplinäre Arbeiten vorankommen, dass hier Psychologen, Psychiater, Physiker und Ingenieure ihr spezielles Wissen einbringen müssen.

Wie verbreitet sind die MRT-Geräte mit großer Magnetfeldstärke derzeit?

Es gibt in Deutschland schon über ein Dutzend davon, vor allem an Unikliniken und in Forschungseinrichtungen. Die ersten Geräte mit 7 Tesla wurden rein zu Forschungszwecken installiert, bevor es die Zertifizierung der Geräte als Medizinprodukte gab. Zehn Scanner ohne klinische Zulassung werden schon seit 2006 genutzt. Seit 2015 sind vier Systeme im Einsatz, die einen klinischen Modus und einen Forschungsmodus haben. Zum Umschalten ist hier ein Reboot erforderlich. 2023 kamen zwei weitere moderne Systeme hinzu – unser Gerät am ZI sowie eines in Jena an der Uniklinik. Für einen alltäglichen Einsatz in der Diagnostik sind die Kosten bisher noch zu hoch. Bei uns am ZI haben wir das erste Gerät dieser Art in Betrieb genommen, das ausschließlich für die Forschung im psychiatrischen Bereich genutzt wird. Aber natürlich machen auch andere Fachleute ähnliche Untersuchungen und nutzen dafür die Geräte in den genannten Institutionen nutzen. Das ermöglicht multizentrische Studien. Wir können dann auch prüfen, wie reproduzierbar die Daten sind. Das wird uns umso schneller voranbringen.

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Wie wichtig wird das MRT für Patienten mit psychischen Erkrankungen?

Was wir mit dem MRT tun, wird immer eine Ergänzung sein. Wir können und wollen das Gespräch mit einem Psychiater oder Psychologen nicht ersetzen. Wir können mit der Technik unterstützen, neue Ergebnisse liefern oder schneller zu Erkenntnissen kommen, als es mit bisherigen Methoden möglich war.


Weitere Informationen

Zum Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim gehören vier Kliniken, die insgesamt über 1600 Mitarbeitende beschäftigen. Die Einrichtung widmet sich sowohl der Therapie als auch der Forschung – zum Beispiel um die Wirkweise neuer Therapien mittels Bildgebung zu erforschen. Seit Herbst 2023 steht dem ZI ein 7-T-MRT zur Verfügung. Die Anschaffung hat die Klaus Tschira Stiftung finanziell unterstützt. Das Gerät ist das weltweit erste, das mit Patientenzertifizierung in der Psychiatrie eingesetzt wurde.

www.zi-mannheim.de


Über die Magnetresonanztomographie

Den ersten Magnetresonanztomographen (MRT) gab es Anfang der 80er Jahre – er lieferte noch recht unscharfe Aufnahmen. 2003 wurden zwei Nobelpreise in Medizin und Physik vergeben, für „Entdeckungen auf dem Gebiet der Magnet resonanztomographie“. Heute nutzen Mediziner die Geräte für ein breites Spektrum von diagnostischen Anwendungen. Anders als Röntgengeräte und Computertomographen (CT), die vor allem feste Strukturen wie Knochen gut abbilden, lassen sich im MRT Weichteilkontraste gut darstellen – wie Gelenke, Knorpel oder auch Herzklappen.

Die Bilder entstehen auf Basis des „Spin“, der natürlichen Rotationsbewegung von Atomen um ihre Achse. Die Drehung macht die Atome leicht magnetisch – sie reagieren auf die starken Magnetfelder im MRT, werden in einer Richtung ausgerichtet. Mit einem Radiofrequenzpuls wird die Ausrichtung der Atomkerne im Magnetfeld verändert. Daraufhin kehren sie in die Ausgangsposition zurück. Das lässt sich messtechnisch erfassen. Typischerweise geht es bei den Messungen um die Eigenschaften des Wasserstoffs im Wasser – das etwa vier Fünftel des Körpers ausmacht. Aber auch andere Atome wie natürliche Isotope des Kohlenstoffs oder Phosphors können für spezielle Fragestellungen künftig erfasst werden. Dabei könnte es um dynamische Prozesse im Stoffwechsel gehen oder um Energiestoffwechsel und Zellstruktur.

Als Magnetfeldstärke waren lange 1,5 T typisch, seit einigen Jahren sind 3 T in der Diagnostik verbreitet. Heute sind in ganz Deutschland über ein Dutzend Geräte mit 7 Tesla im Einsatz. Ansätze mit noch stärkeren Magnetfeldern sind in Arbeit.

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