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KI, um klinische Leistung zu bewerten gemäß EU-MDR

Medical Device Regulation
Künstliche Intelligenz hilft, klinische Leistung gemäß EU-MDR nachzuweisen

Künstliche Intelligenz hilft, klinische Leistung gemäß EU-MDR nachzuweisen
Komplexe Gesundheitsdaten in großen Mengen könnte künftig eine KI strukturieren und analysieren – und damit helfen, den Nachweis für die klinische Leistung von Medizinprodukten zu erbringen
(Bild: Eisenhans/stock.adobe.com)
Wahre Datenberge sind zu berücksichtigen, um gemäß den Vorgaben der kommenden Medical Device Regulation (EU MDR) zu sammeln und auszuwerten, was mit einem Medizinprodukt im Markt alles geschieht. Künstliche Intelligenz könnte dabei helfen, sagen die Partner in einem vom Bund geförderten Projekt, das im Januar 2020 startete.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Beim Blick darauf, was die Medical Device Regulation (EU-MDR) demnächst an Daten für den Nachweis der klinischen Leistung eines Medizinproduktes fordert, ist ein positiver Aspekt, dass es diese Daten oft schon gibt. Der weniger positive Aspekt dürfte sein, dass es schwierig ist, die Daten zusammenzuführen und sinnvoll auszuwerten. Wie Künstliche Intelligenz (KI) Medizinproduktehersteller dabei unterstützen kann, wollen die Partner im Projekt „Künstliche Intelligenz für Klinische Studien“ (Kiks) definieren.

„Natürlich hat der Nachweis der klinischen Leistung eines Medizinproduktes auch in der Medical Device Directive, der MDD, schon eine Rolle gespielt“, sagt Frank Trautwein, Konsortialführer des Kiks-Projektes und Geschäftsführer eines der Partner, der Raylytic GmbH in Leipzig. Aber dass der Begriff in der EU-MDR rund vier Mal häufiger auftaucht als in der MDD, sei ein erstes Indiz für die gewachsene Bedeutung und den zu erwartenden höheren Aufwand, den Medizinproduktehersteller zum Nachweis der klinischen Leistung werden treiben müssen.

Inhaltsverzeichnis

1. Digitale Hilfe beim Nachweis der klinischen Leistung
2. Klinische Leistung: Was Krankenhausdaten bringen
3. Künstliche Intelligenz zum Wohle der Patienten
4. Klinische Leistungsdaten individuell fürs Produkt abfragen
5. Klinische Leistung auch durch Gerätedaten und Service ermitteln
6. Kiks-Projekt ist schon fortgeschritten
7. Über das Projekt Kiks

 

Digitale Hilfe beim Nachweis der klinischen Leistung

Künftig sollen beim Nachweis der medizinischen Leistung eines Produktes digitale Lösungen helfen. Die Daten dafür sind extrem komplex. Als erstes Beispiel haben die Kiks-Partner ein Implantat ausgewählt, dessen „Leistung“ unter anderem daran erkennbar wird, ob der Patient nach der Operation zufrieden ist, Schmerzen hat oder mehr Lebensqualität erlebt als vor der Operation.

Medizinisch messbare Faktoren wären die Fusionsrate des Implantats im Knochen, die Beweglichkeit, der Abrieb oder die Lockerung des Implantats. „Aber solche Daten sind natürlich nur aussagefähig, wenn zusätzlich bekannt ist, welche Behandlungsmethode der Arzt angewendet hat, wie die Werte gemessen wurden, zu welchem Zeitpunkt der Behandlung sie erfasst wurden und um welche Körperregion des Patienten es geht“, sagt Trautwein. Solche Daten seien zwar bisher schon erhoben worden, aber eben nicht in einem System: In einer Klinik seien beispielsweise 80 datenhaltende Systeme identifiziert worden.

Klinische Leistung: Was Krankenhausdaten bringen

Krankenhausinformationssysteme sind entstanden, um ein Archiv gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu haben, in dem wir Daten lange und sicher aufbewahren können“, sagt Dr. med. Felix Erne von der BG-Klinik Tübingen. Er forscht unter anderem am klinikeigenen Siegfried-Weller-Institut für Unfallmedizinische Forschung unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Nüssler. Das Forschungsinstitut arbeitet mit der Eberhard-Karls-Universität Tübingen zusammen und beteiligt sich am Kiks-Projekt.

Im Krankenhaus werden die Daten zu den Patienten fürs Archiv einzeln erhoben und gesichert, zum Teil auf Papier. Daten zusammenzuführen, sei bei der Definition der Systeme nicht vorgesehen gewesen und daher nicht so einfach möglich. Wenn das heute erforderlich und sinnvoll sei, müssten die Vorgaben des Datenschutzrechtes beachtet werden, ethische und rechtliche Anforderungen erfüllt sein und gegebenenfalls die Algorithmen offengelegt werden, mit denen solche Daten ausgewertet werden.

„Wir müssen so vorgehen, dass ein Missbrauch der Daten ausgeschlossen ist und auch keine Zweckentfremdung stattfinden kann“, sagt Erne. Theoretisch könne jemand auf die Idee kommen, anhand medizinischer Daten die lukrativsten Behandlungen auszufiltern – und Patienten mit weniger gewinnträchtigen Erkrankungen von der Behandlung ausschließen. Daten zusammenzuführen, biete aber grundsätzlich ein großes Potenzial für die Forschung.

Künstliche Intelligenz zum Wohle der Patienten

Die Anwendung von KI könne aus der Sicht des Orthopäden im medizinischen Umfeld helfen und zum Wohle des Patienten eingesetzt werden. Wichtig sei, dass diese Anwendungen genau definiert, validiert und prüfbar seien. Nur dann könne KI auch im Gesundheitswesen sinnvoll eingesetzt werden.

Daten aus Krankenhäusern verfügbar zu machen, ist laut Trautwein mit Aufwand verbunden, auf den eine Klinik nicht ausgerichtet sei – und daher auch mit Kosten. Vor diesem Hintergrund sei der Gedanke an eine möglichst automatisierte Lösung interessant – das setze aber voraus, dass Daten strukturiert werden. Eine KI könne das leisten, auch seien moderne Rechner leistungsfähig genug. Das im Projekt Kiks angedachte entsprechende digitale Ökosystem soll Daten und KI zusammenbringen und unter dem Namen Aiqnet das Licht der Welt erblicken.

Klinische Leistungsdaten individuell fürs Produkt abfragen

„Wir wollen Knoten anbieten, an die sich die Hersteller andocken können“, erläutert Trautwein. Jeder Knoten biete Konnektoren und Schnittstellen sowie Apps, um Daten zu strukturieren, aus der medizinischen Fachsprache zu übersetzen und zu analysieren. „Daten können geliefert und bereitgestellt werden.“ Neben klinischen Daten sollen künftig auch Leistungsdaten, Daten aus der Literatur oder aus klinischen Studien verfügbar sein. Was ein Hersteller brauche, sei von Fall zu Fall verschieden. Daher hat er die Wahl zwischen vielen Apps, die er für seine Aufgabe zusammenstellen und in einem App-Shop erwerben kann. Verschiedene Anbieter könnten solche Apps entwickeln und über Aiqnet anbieten.

Dass dieser Ansatz für Medizinproduktehersteller sinnvoll sein kann, betont Dr. Ina Wüstefeld, die bei der Tuttlinger Aesculap AG als Vice President Regulatory & Medical Scientific Affairs tätig ist. Sie sagt: „Wir von der Sparte Aesculap bedienen in der B.Braun-Gruppe sechs Therapiefelder mit chirurgischer Indikation und haben ein Portfolio von über 30.000 Produkten – da brauchen wir ein automatisiertes Verarbeiten der Daten und auf lange Sicht auch eine KI.“ Aesculap war im Projekt Kiks als eines der Gründungsmitglieder von Anfang an dabei.

Klinische Leistung auch durch Gerätedaten und Service ermitteln

KI-Software allein löst das Problem laut Wüstefeld allerdings nicht. „Wir müssen unsere Produkte vernetzen und, so oft es geht, als Datenquelle nutzen – was im ersten Schritt bei allen Produkten möglich sein müsste, die beispielsweise einen Stecker besitzen.“ Darüber hinaus böten viele Service-Angebote eines Herstellers die Möglichkeit, Informationen aus dem Markt zu bekommen – über den Kontakt zwischen Außendienstmitarbeiter und Anwender hinaus. Sinnvoll sei es auch, mit weiteren Medizintechnik-Partnern zusammenzuarbeiten, um letztlich ganzheitliche Vorteile für den Patienten zu bieten.

Um die für die Leistungsbewertung erforderlichen, aber bislang unstrukturiert vorliegenden Daten nutzen zu können, sollen im Projekt Kiks viele Use-Cases definiert und Prozesse, Strukturen und sinnvolle Verknüpfungen festgelegt werden. „Natürlich müssen wir die Vorgaben der DSGVO beim Umgang mit den Daten berücksichtigen. Wir wollen eine zertifizierte KI nutzen und interoperabel mit modernen Standards arbeiten“, sagt Wüstefeld.

Kiks-Projekt ist schon fortgeschritten

Die Definition von Datensätzen sei im Projekt bereits weit fortgeschritten. Das digitale Ökosystem soll kompatibel zu anderen Projekten wie der Medizininformatik Initiative (MII) sein – in deren Rahmen das Bundesforschungsministerium BMBF Konsortien fördert, die Daten aus Forschung und Patientenversorgung untereinander zugänglich machen wollen. Für das Kiks-Projekt geeignete Rechenzentren haben die Partner laut Wüstefeld bereits gefunden, und der Regelkatalog für eine Zertifizierung der KI befinde sich in der Abstimmung mit Benannten Stellen.

Für das Jahr 2025 haben sich die Partner im Kiks-Projekt ein hohes Ziel gesteckt: Bis dahin sollen mehr als 500 Kliniken an das digitale Ökosystem angeschlossen sein und Daten einspeisen, sagt Konsortialführer Trautwein mit Blick auf die kommenden Jahre. Weitere Partner sind jederzeit willkommen.


Über das Projekt Kiks

Im Projekt Künstliche Intelligenz für Klinische Studien engagieren sich derzeit 42 Partner. Ihr Ziel: Zusammen zu einem digitalen Ökosystem zu kommen, das modernste Architektur und Sicherheitstechnologien nutzt, so dass beim Zusammenführen und Analysieren medizinischer Daten rechtliche und ethische Rahmenbedingungen eingehalten werden können. Gründungspartner sind

  • die Raylytic GmbH,
  • die Aesculap AG,
  • das Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) der Charité Universitätsmedizin Berlin und
  • die Bioregio Stern Management GmbH.

Weitere Partner können ins Projekt einsteigen. Gefördert wird das Projekt Kiks von der Bundesregierung im Rahmen des Innovationswettbewerbs „Künstliche Intelligenz (KI) als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme“. Das Rahmenprogramm soll die digitale Transformation der Wirtschaft fördern.

www.kiks.ai

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