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Medical Device Regulation – ein Jahr vor Ende der Übergangsfrist

Medical Device Regulation
Das Jahr bis zum Geltungsbeginn der MDR pragmatisch nutzen

Das Jahr bis zum Geltungsbeginn der MDR pragmatisch nutzen
Viele Details und Zusammenhänge der in der MDR verankerten Vorgaben werden sich erst in der Praxis erschließen. Also hilft im Moment nur, möglichst viel von dem umzusetzen, was heute schon möglich ist Bild: vegefox.com/Fotolia
MDR – was noch zu beachten ist | Von den drei Jahren der Übergangsfrist bis zum Geltungsbeginn der MDR im Mai 2020 ist nur noch ein Jahr verblieben. Doch bei den Benannten Stellen, Eudamed und klinischen Daten gibt es noch Unwägbarkeiten. Unternehmen bleibt da nur, die Umsetzung pragmatisch voranzutreiben.

Miriam Schuh
Reuschlaw Legal Consultants,
Saarbrücken | Berlin

Die Zeit läuft – der 25. Mai 2017 bescherte der Medizinproduktebranche mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2017/745, MDR, umfassend neue regulatorische Rahmenbedingungen für die Entwicklung, die Fertigung, das Inverkehrbringen und das Monitoring von Sicherheit und Performanz der in Verkehr gebrachten Produkte. Das betrifft Hersteller ebenso wie die erstmals mit der MDR legal definierten übrigen Wirtschaftsakteure, insbesondere bevollmächtigte Vertreter, Importeure und Händler.

Sie alle sehen sich auch nach Ablauf von zwei Dritteln der dreijährigen Übergangsfrist bis zum Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2020 mit erheblichen Unsicherheiten konfrontiert. Bisher veröffentlichte „Corrigenda“ zum Normtext der MDR tragen wenig zur Klärung offener zentraler Fragen bei.

Hersteller sind nicht Herr des Verfahrens

Fakt ist, dass Hersteller allein nicht die Herren des Verfahrens sind. Sie sind angewiesen darauf, dass von der MDR vorgesehene Strukturen zuverlässig implementiert sind, um sich selbst und ihre Produkte MDR-compliant aufstellen zu können. Hieran hakt es nach wie vor erheblich, so dass Interessenverbände wie Spectaris und BVMed derzeit völlig zu Recht Alarm schlagen.

MDR-Akkreditierung Benannter Stellen stockt

Bislang wurden von der Europäischen Kommission mit BSI und TÜV Süd Product Service erst zwei Benannte Stellen benannt. Gleichzeitig bedeuten die neuen Klassifizierungsregeln der MDR, dass eine deutlich größere Anzahl von Produkten als bisher ein Konformitätsbewertungsverfahren zu durchlaufen haben, das von einer Benannten Stelle zu begleiten ist. Für diese neuen Produkte ist der 26. Mai 2020 ein hartes Datum. Für sie greift nicht einmal die als „Abverkaufsregel“ bezeichnete Kulanzfrist, unter der MDD-konforme Produkte auch nach Geltungsbeginn der MDR weiter in Verkehr gebracht werden dürfen.

Da selbst unter Geltung der MDD ein Zertifizierungsverfahren von Produkten durch Benannte Stellen bis zu neun Monate in Anspruch nehmen konnte und sich das im Hinblick auf die mit der MDR gestiegenen Zertifizierungsanforderungen nicht verkürzen wird, steht für Hersteller bereits heute fest, dass für etliche Produkte eine erfolgreiche, „stichtagsgerechte“ MDR-Zertifizierung nicht gelingen kann.

Unwägbarkeiten bei Eudamed und SRN

Was die Datenbank Eudamed angeht, gibt es keine Möglichkeit, die nach MDR vorgesehene Single Registration Number (SNR) bereits jetzt zu erhalten oder gar zu beantragen. Die SRN wird durch das Eudamed-System vergeben, was notwendigerweise das Funktionieren von Eudamed voraussetzt. Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Registrierung in Eudamed ab dem 26. März 2020 möglich sein wird. Ob die Datenbank dem zu diesem Zeitpunkt zu erwartenden „Mass Upload“ von Daten gewachsen sein wird, bleibt abzuwarten. Die im Kontext Eudamed bestehenden Unsicherheiten sind immerhin zunächst vernachlässigbar: alle mit Eudamed zusammenhängenden Pflichten treffen die Hersteller erst ab, respektive nach deren Funktionsfähigkeit.

Sofern noch nicht geschehen, gilt es für Hersteller daher, die nächsten zwölf Monate bis zum Geltungsbeginn der MDR unternehmensintern möglichst effektiv zu nutzen und dabei den für die MDR so wesentlichen Aspekt des Produktlebenszyklus zu beachten. Alle für die Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Produkte relevanten Punkte müssen geprüft werden – von der Klassifizierung der Produkte oder Produktfamilien anhand der Vorgaben der MDR bis hin zum Erstellen interner Verfahrensanweisungen, die die geforderte Post-Market-Surveillance sicherstellen.

Nachweis klinischen Nutzens wird wichtiger

Wesentlich wichtiger als bisher wird der Nachweis des klinischen Nutzens der Produkte, der auf ausreichenden klinischen Daten basieren muss. Die MDR regelt klinische Bewertungen und Prüfungen detaillierter, als dies bislang der Fall war. Die Frage nach dem Generieren ausreichender Datensätze sollte daher nicht vernachlässigt werden. Dies sollte auch Verfahren zur Erhebung von Post-Market-Daten einschließen, anhand derer die klinischen Bewertungen künftig zu aktualisieren sind. Gleiches gilt für die Planung von UDI und Label-Vorgaben, die mit Geltungsbeginn der MDR zu beachten sind.

Die Frage nach Qualitäts- und Risikomanagement

Wesentlich auch: die Implementierung oder mindestens Überprüfung des bestehenden Risikomanagementsystems im Einklang mit den Anforderungen der MDR. Neben der zentralen Herstellerpflicht nach Art. 10 Absatz 1 MDR, Medizinprodukte künftig MDR-compliant herzustellen und in Verkehr zu bringen, ist bereits in Art. 10 Absatz 2 MDR das Risikomanagement erstmals gesetzlich normiert. Die verbleibende Übergangsfrist sollte also auch dazu genutzt werden, das Qualitätsmanagementsystem dahingehend anzupassen, dass es MDR-konform klare Prozesse für das Risikomanagement beinhaltet. Auch muss sichergestellt sein, dass dessen Planung, Implementierung und Bewertung dokumentiert und belegt wird. Die systematisierte Erfassung und Dokumentation dienen künftig vor allem auch der Aktualisierung der technischen Dokumentation.

Die Qualitätssicherung der Produkte kann nur in Kooperation mit Lieferanten und Vertriebspartnern gelingen. Das mit der MDR explizit verfolgte Ziel, mit Medizinprodukten einhergehende Risiken für Patienten und Anwender zu minimieren, fordert von den Herstellern sowohl ein optimiertes Lieferantenmanagement als auch die engere Kooperation mit Distributoren. Es gilt, den Lebenszyklus der Produkte in die Lieferkette hinein bis hin zum Entwicklungsdienstleister, aber auch bis zum Endanwender nachvollziehen zu können. Das ist nur durch eine enge vertragliche Regelung für das Zusammenwirken der Wirtschaftsakteure möglich.

Im Rahmen der Überprüfung des eigenen Qualitätsmanagementsystems sollte somit auch die Frage nach einer adäquaten Lieferanten- und Vertriebspartnerbewertung beantwortet werden. Auch bestehende Vertragsmuster müssen beleuchtet werden, insbesondere Qualitätssicherungsvereinbarungen im Hinblick auf Informations- und Kooperationspflichten der Vertragspartner, die mit der Rückverfolgbarkeit der Produkte zu tun haben.

Verantwortliche Person für die Einhaltung benennen

Mit Geltungsbeginn der MDR sind Hersteller (mit Ausnahme der Klein- und Kleinstunternehmen) nach Artikel 15 MDR verpflichtet, in ihrer Organisation über mindestens eine für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person zu verfügen. Es sollte daher bis zum Stichtag geprüft werden, ob eine solche Position unternehmensintern vergeben werden kann, Schulungsbedarf besteht oder eine externe Ausschreibung lanciert werden sollte.

Letztlich sind Hersteller gut beraten, sich in der verbleibenden Übergangsfrist pragmatisch damit zu befassen, die MDR-Anforderungen umzusetzen. Stand heute ist offen, wie diese im Detail oder ihrer Dimension letztlich in der Praxis „gelebt“ werden oder bestimmte Klauseln von Benannten Stellen oder Behörden „ausgelegt“ werden. Für Hersteller empfiehlt es sich daher, in Zweifelsfällen den eingeschlagenen Weg begründen zu können und ihre Herangehensweise nachvollziehbar zu dokumentieren.

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