Aktive medizinische Implantate wie Neurostimulatoren oder Cochlea-Implantate für Gehörlose brauchen elektrische Energie. Welche Technologien für den Wireless Power Transfer heute zur Verfügung stehen und man die am besten geeignete auswählt, zeigt das Beispiel eines Augenimplantats.
Dr. Stefan Bauer
Helbling Technik Bern
Ob Cochlea-Implantat, Neurostimu‧lator oder Augenimplantat: Es gibt inzwischen eine breite Palette an aktiven medizinischen Implantaten, die elektrische Energie brauchen, um im Körper ihre Aufgabe zu übernehmen. Oft ist dafür eine drahtlose Energieversorgung wünschenswert. Operationen zum Austausch von Batterien sind dann beispielsweise überflüssig – und jeder Eingriff, auf den die Mediziner verzichten können, reduziert die Gefahr von Infektionen.
Inzwischen stehen Entwicklern von Medizinprodukten schon eine Reihe von möglichen Technologien für den Wireless Power Transfer zur Verfügung. Wenn man auf die am weitesten verbreiteten Technologien fokussiert, reicht das Spektrum von elektromagnetischen Lösungen im niederfrequenten kHz- bis zum hochfrequenten GHz-Bereich.
Geeignete Technologie auswählen: Leistung als erstes Kriterium
Welche Technologie sich für eine konkrete Anwendung am besten eignet, hängt unter anderem von der Größe des Implantats selbst ab, aber auch von der Distanz, die kabellos zu überbrücken ist, sowie von der benötigten Leistung. Wenn ein Datenaustausch erforderlich ist, schränkt das die Wahl der Technologie ein. Auch das Gehäusematerial des Implantats, verfügbare Standardtechnologien und länderspezifische regulatorische Vorgaben sind zu berücksichtigen.
Wo also anfangen? Es hat sich bewährt, als erstes Kriterium bei der Auswahl der Technologie die Leistung heranzuziehen, die übertragen werden muss. Hier sind einerseits technische Randbedingungen zu berücksichtigen, andererseits medizinische und regulatorische Vorgaben.
Aus technischer Sicht bestimmt die Größe des Implantats, wie groß die Antenne für den Transfer überhaupt sein kann. Auch ist zu berücksichtigen, dass das Gewebe sowie das Implantat selbst einen Teil der Energie absorbieren wird. Wie groß die Verluste sind, hängt davon ab, wo das Implantat aus anatomischer Sicht platziert ist, wie groß die Distanz zwischen Antenne und Transmitter ist und mit welcher Frequenz dieser arbeitet.
Vom Material des Implantats hängt die Arbeitsfrequenz ab
Anhand dieser Parameter lässt sich bereits die am besten geeignete Arbeitsfrequenz auswählen. Auch die Frage, ob es besser ist, mit einem elektromagnetischen Nahfeld oder im Fernfeld zu arbeiten, ist hier zu beantworten – wobei das Material, aus dem das Implantat besteht, jeweils bestimmte Absorptionseigenschaften hat und damit die einsetzbaren Arbeits‧frequenzen weiter einschränkt.
Liegt die Arbeitsfrequenz fest, ist der nächste Schritt die Wahl des Funkstandards. Kommen NFC oder Bluetooth in Frage? Muss eine proprietäre Technologie entwickelt werden? Hierbei sind auch regulatorische Vorgaben bezüglich maximaler abgestrahlter Leistung und die mögliche Erwärmung des Gewebes zu berücksichtigen.
All diese Aspekte spielten eine Rolle, um zum Beispiel einen Wireless Power Link für ein elektronisches Augenimplantat zu entwickeln. Eine intra-okulare Linse (IOL) sollte drahtlos mit Energie versorgt werden, um bestimmte Sensorfunktionen realisieren zu können.
Für ein Implantat, das ins Auge eingesetzt wird, ist klar, dass es eine bestimmte Größe nicht überschreiten darf. Simulationen zeigten, dass in diesem Fall zwei Varianten denkbar waren: eine konventionelle Lösung im Nahfeld mittels magnetischer Kopplung bei 13,56 MHz, aber auch eine Lösung im Fernfeld bei 900 MHz.
UHF-Antenne für 900 MHz passt auf die Intraokular-Linse
Eine prä-klinische Studie mit Implantaten, die im Nahfeld bei 13,56 MHz arbeiten, wurde erfolgreich abgeschlossen, und in-vitro Tests bestätigten die Simulationsergebnisse, die für den Wireless Power Transfer bei 900 MHz eine Reichweite von bis zu 1 m angaben. Es gab aber noch ein weiteres Argument, das für letztere Lösung sprach: Wegen der dielektrischen Eigenschaften des umgebenden Gewebes kann eine UHF-Antenne bei 900 MHz mit deutlich kleineren Dimensionen als eine Antenne in Luft realisiert werden. Mit geeigneten Methoden zum Design war es sogar möglich, die Antenne auf der nicht-optischen Fläche einer intraokularen Linse unterzubringen.
Unabdingbar für solche Entwicklungen ist eine gute Simulationssoftware, mit der sich die elektromagnetischen Randbedingungen, inklusive Absorption im umliegenden Gewebe, darstellen lassen. Weiterhin braucht es auch die richtige Labor‧infrastruktur, um die experimentellen Tests zur Verifikation und Optimierung des Wireless Power Links effizient durchführen zu können.
Verschiedene Simulationstools zur Auswahl
Die Helbling Technik Bern AG verfügt über verschiedene selbst entwickelte und kommerzielle Simulationstools, die diesen Anforderungen entsprechen, sowie über ein Hochfrequenz Labor, das alle wesentlichen Messerfordernisse abdeckt. Die Fachleute aus Bern haben in den vergangenen Jahren verschiedene solcher Wireless Power Links für medizinische Anwendungen entwickelt, die im Frequenzbereich von 10 kHz bis zu 2,5 GHz arbeiten. Je nach Anwendungsgebiet ließen sich dafür Standardtechnologien wie NFC (13,56 MHz) oder Bluetooth (2,4 GHz) verwenden. Wenn sich die anwendungsspezifischen Randbedingungen jedoch mit Standardtechnologien nicht erfüllen ließen, konnten proprietäre Entwicklungen diese Lücke schließen. Die weitere Miniaturisierung aktiver Implantate wird auch Fortschritte bei der Speicherung der übertragenen Leistung erforderlich machen, um eine längerfristige Autonomie des Implantats für den Patienten zu gewährleisten.
Weitere Informationen:
www.helbling.ch