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MRT-Verfahren zeigt Myelinscheiden genauer

Medizinische Bildgebung
MS: Neues MRT-Verfahren zeigt Myelinscheiden genauer

MS: Neues MRT-Verfahren zeigt Myelinscheiden genauer
Mit besseren MRT-​Scans der Myelinscheiden im Gehirn soll Multiple Sklerose frühzeitig erkennbar sein (Bild: ETH Zürich)
Ein neues Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT) soll Multiple Sklerose (MS) frühzeitig erkennbar machen. Myelinscheiden im Gehirn lassen sich damit genauer als bisher darstellen.

Mit einem neuen Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT) lässt sich der Zustand der Myelinscheiden im Zentralnervensystem genauer als bisher möglich abbilden. Entwickelt haben das Verfahren ETH-Forschende um Dr. Markus Weiger und Dr. Emily Baadsvik vom Institut für Biomedizinische Technik in Zürich.

MRT: Myelinscheiden direkt nachweisen

Der Zustand der Myelinscheiden ist wichtig, um Multiple Sklerose (MS) zuverlässig zu diagnostizieren und zu behandeln. Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die Myelinscheiden so gut sichtbar zu machen, als dass das möglich gewesen wäre. Nun haben die Forschenden das Verfahren erstmals erfolgreich an gesunden Menschen getestet.

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Multiple Sklerose (MS) ist eine neurologische Erkrankung, die meist zu bleibenden Behinderungen führt. Weltweit sind etwa 2,9 Millionen Menschen davon betroffen, rund 15 000 allein in der Schweiz. Ein zentrales Merkmal der Erkrankung ist, dass das eigene Immunsystem die Myelinscheiden im Zentralnervensystem angreift und zerstört. Diese Schutzhüllen isolieren die Nervenfasern – ähnlich einer Kunststoffverkleidung um einen Kupferdraht. Myelinhüllen sorgen dafür, dass elektrische Impulse schnell und effizient von Nervenzelle zu Nervenzelle gelangen. Sind sie beschädigt oder ausgedünnt, kann dies unter anderem zu irreversiblen Seh-, Sprech- und Koordinationsstörungen führen.

Neues MRT-Verfahren: nicht nur für Nervenscheiden

Das MRT-System mit speziellem Kopfscanner könnte Ärztinnen und Ärzten in Zukunft dabei helfen, MS frühzeitig zu erkennen und den Verlauf der Krankheit besser zu überwachen. Zudem könnte die Technologie die Entwicklung neuer Medikamente gegen MS erleichtern. Auch weitere Anwendungen sind denkbar: Das neue MRT-Verfahren könnte Forschenden dazu dienen, weitere feste Gewebetypen wie Bindegewebe, Sehnen und Bänder besser sichtbar machen.

Mobile MRT-Geräte: Geringere Kosten, für alle verfügbar

Mit herkömmlichen MRT-Geräten lassen sich die Myelinscheiden nur ungenau und indirekt abbilden. Der Grund dafür ist, dass die meisten Geräte auf Wassermoleküle im Körper reagieren, die durch Radiowellen in einem starken Magnetfeld angeregt werden. Die Myelinscheiden, die sich in mehreren Lagen um die Nervenfasern wickeln, bestehen jedoch hauptsächlich aus Fettgewebe und Proteinen. Nur zwischen diesen Lagen befindet sich das so genannte Myelinwasser. Standard-MRTs nutzen für ihre Bilder vor allem die Signale der Wasserstoffatome im Myelinwasser und bilden die Myelinscheiden nicht direkt ab.

MRT-Ergebnisse: Myelingehalt in Zahlenwert angeben

Das neue MRT-Verfahren der ETH-Forschenden löst dieses Problem und misst den Myelingehalt direkt. Es versieht die MRT-Aufnahmen des Gehirns mit Zahlenwerten. Diese zeigen, wie viel Myelin an einer bestimmten Stelle im Vergleich zu anderen Bereichen des Bildes vorhanden ist.

So bedeutet die Zahl 8, dass der Myelingehalt an dieser Stelle nur 8 % von einem Maximalwert von 100 beträgt. Das weist auf eine deutliche Ausdünnung der Myelinscheiden hin.

Magnetresonanztomographie im Implantat: Mini-MRT scant Neuronen im Gehirn

Grundsätzlich gilt: Je dunkler der Bereich und je kleiner die Zahl im Bild, desto stärker sind die Myelinscheiden reduziert. Mit diesen Angaben könnten Ärztinnen und Ärzte den Schweregrad und Verlauf von MS besser einschätzen.

Die Myelinscheiden direkt abzubilden, ist allerdings schwierig. Das liegt daran, dass die Signale, die das MRT im Gewebe auslöst, viel kurzlebiger sind als die Signale, die vom Myelinwasser ausgehen. „Vereinfacht gesagt bewegen sich die Wasserstoffatome im Myelingewebe weniger frei als im Myelinwasser. Sie erzeugen daher viel kurzlebigere Signale, die nach einigen Mikrosekunden wieder verschwinden“, erklärt Weiger und ergänzt: „Und das ist sehr kurz, denn eine Mikrosekunde ist der Millionste Teil einer Sekunde.“ Ein herkömmlicher Kernspintomograph kann diese flüchtigen Signale gar nicht erfassen, da er nicht schnell genug misst.

Gerät zum MRT-Kopfscanner weiterentwickelt

Um genau das zu tun, verwendeten die Forschenden einen speziell angepassten MRT-Kopfscanner, den sie in den letzten zehn Jahren zusammen mit den Unternehmen Philips und Futura entwickelt haben. Dieser zeichnet sich durch besonders starkes Gefälle im Magnetfeld aus, im Fachjargon Gradient genannt. „Je grösser die Veränderung der Magnetfeldstärke ist, welche die drei Spulen im Scanner erzeugen, desto schneller können Informationen über die Position von Wasserstoffatomen aufgezeichnet werden“, sagt Baadsvik.

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Erzeugen lässt sich ein solch starker Gradient über starken Strom und ein ausgeklügeltes Design. Da die Forschenden nur den Kopf scannen, ist das Magnetfeld weniger ausgedehnt und konzentrierter als bei herkömmlichen Geräten. Darüber hinaus kann das System schnell vom Senden der Radiowellen auf den Empfang der Signale umstellen. Dafür haben die Forschenden und ihre Industriepartner eine spezielle Schaltung entwickelt.

MRT-Verfahren an MS-Gewebeproben und Gesunden getestet

Die Forschenden haben ihr MRT-Verfahren bereits erfolgreich an Gewebeproben von MS-Patienten sowie an zwei gesunden Personen getestet. Als nächstes wollen sie es an MS-Patientinnen und Patienten selbst testen.

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Ob der neue MRT-Kopfscanner künftig in Kliniken zu finden sein wird, hängt nun von der Industrie ab. „Wir haben gezeigt, dass unser Verfahren funktioniert. Jetzt liegt es an Industriepartnern, es zu implementieren und auf den Markt zu bringen“, sagt Weiger.

Kontakt zu den Forschern

Dr. Markus Weiger
Dr. Emily Baadsvik

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