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Matratze und Wearables schützen die Haut vor Dekubitus

Sensoren und Smarte Textilien
Matratze und Wearables schützen die Haut vor Dekubitus

Lange anhaltender Druck kann zu Hautverletzungen, dem Dekubitus, führen. Forschende entwickeln zwei Lösungen dagegen: eine Druck ausgleichende Matratze für Neugeborene und ein textiles Sensorsystem, ein Wearable, für Erwachsene.

Lastet längere Zeit zu viel Druck auf unserer Haut, nimmt sie Schaden. Menschen im Rollstuhl, bettlägerige immobile Menschen und Neugeborene auf der Intensivstation sind einem hohen Risiko für derartige Druckverletzungen ausgesetzt. Die Folgen sind Wunden, Infektionen und Schmerzen. Ist der Schaden erst einmal da, ist die Behandlung aufwendig und teuer.

Dabei sind die Ansprüche der Haut je nach Alter völlig unterschiedlich. Bei Erwachsenen stehen im Vordergrund:

  • die Reibung der Haut auf der Liegefläche,
  • physikalische Scherkräfte im Gewebe und
  • eine fehlende Atmungsaktivität von Textilien als Risikofaktoren.

Die Haut von Neugeborenen ist dagegen per se äußerst empfindlich. Jeder Flüssigkeits- und Wärmeverlust über die Haut kann zum Problem werden. Daher widmeten sich zwei unterschiedliche Forschungsprojekte der jeweiligen Lösung.

Individuell anpassbar: Matratze für Neugeborene schützt die Haut

Forschende der ETH Zürich, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und des Universitäts-Kinderspital Zürich suchten nach einer optimalen Liegefläche für die zarte Kinderhaut. Dazu müsste die Matratze sich individuell an den Körper anpassen können. Hierzu ermittelten die Forschenden zunächst die Druckverhältnisse an den verschiedenen Körperregionen von Neugeborenen. „Unsere Drucksensoren haben gezeigt, dass Kopf, Schultern und untere Wirbelsäule die Zonen mit dem größten Risiko für Druckstellen sind“, sagt Simon Annaheim. Er ist Empa-Forscher vom „Biomimetic Membranes and Textiles“-Labor in St. Gallen, Schweiz.

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Empa-Forscher Simon Annaheim arbeitet an einer Matratze für Neugeborene
(Bild: Empa)

Diese Ergebnisse flossen in die Entwicklung einer luftgefüllten Matratze der besonderen Art ein. Ihre drei Kammern können mit Hilfe von Drucksensoren und einem Mikroprozessor über eine elektronische Pumpe präzise so befüllt werden, dass sich der Druck an den jeweiligen Stellen minimiert. Mit Hilfe eines an der Empa entwickelten Infrarot-Laser-Verfahrens stellten die Forschenden die Matratze aus einer flexiblen, mehrschichtigen und hautschonenden Polymermembran ohne störende Kanten her.

40 Prozent weniger Druck durch Sensoren und angepasstes Befüllen der Matratze

Nach einem mehrstufigen Entwicklungsprozess im Labor durften erste kleine Patientinnen und Patienten auf dem Prototyp der Matratze liegen. Der Effekt machte sich sofort bemerkbar, als die Forschenden die Matratze je nach den individuellen Bedürfnissen der Babys unterschiedlich stark mit Luft füllten. Gegenüber einer herkömmlichen Schaumstoffmatratze reduzierte der Prototyp den Druck auf die gefährdeten Körperstellen um bis zu 40 %. Nach dieser erfolgreichen Pilotstudie optimieren die Forschenden den Prototyp in den Empa-Labors nun weiter.

In einem weiteren Projekt arbeiten Empa-Forschende daran, den so genannten Dekubitus-Gewebeschäden bei Erwachsenen vorzubeugen. Liegt man längere Zeit in der gleichen Position, führen Druck und Durchblutungsstörungen zu einer Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff. Während der Sauerstoffmangel bei gesunden Menschen einen Reflex ausgelöst, sich zu bewegen, kann dieser neurologische Feedback-Loop etwa bei Menschen mit Querschnittslähmung oder bei Koma-Patienten gestört sein. Ein Dekubitus kann entstehen.

Metamaterial für Matratzen vermeidet Dekubitus

Smarte Sensoren in Textilien warnen vor Gewebeschaden und drohendem Dekubitus

Hier können daher smarte Sensoren helfen, frühzeitig vor dem Risiko eines Gewebeschadens zu warnen. Im Projekt Pro-Tex entwickelt daher ein Team aus Forschenden der Empa, der Universität Bern, der Fachhochschule OST und der Bischoff Textil AG in St. Gallen ein Sensorsystem aus smarten Textilien mit zugehöriger Datenanalyse in Echtzeit.

Neues System erleichtert die Patientenumlagerung

„Die hautverträglichen textilen Sensoren enthalten zwei verschiedene funktionelle Polymerfasern“, sagt Empa-Forscher Luciano Boesel vom Biomimetic- Membranes-and-Textiles-Labor in St. Gallen. Neben Druck-sensitiven Fasern integrierten die Forschenden lichtleitende Polymerfasern (POFs), die der Sauerstoffmessung dienen. „Sobald der Sauerstoffgehalt in der Haut abfällt, signalisiert das hochempfindliche Sensorsystem ein steigendes Risiko für Gewebeschäden“, erklärt Boesel. Die Daten werden dann direkt an den Patienten oder das Pflegepersonal übermittelt. So könne das Pflegepersonal etwa eine liegende Person rechtzeitig umlagern, bevor ihr Gewebe Schaden nimmt.

Bettenmachen mit der Schaufel

Patentierte smarte Kleidung

Die Technologie dahinter beinhaltet auch ein an der Empa entwickeltes neuartiges Mikrofluidik-Nassspinnverfahren für die Herstellung von POFs. Es erlaubt eine präzise Steuerung der Polymerkomponenten im Mikrometerbereich und eine sanftere, umweltfreundlichere Verarbeitung der Fasern.

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Ein weiteres Produkt ist ein atmungsaktiver Textilsensor, der direkt auf der Haut getragen wird. Das 2023 aus dem Projekt entstandene Spin-off Sensawear in Bern treibt derzeit die Markteinführung voran. Darüber hinaus ist Empa-Forscher Boesel überzeugt: „Die Erkenntnisse und Technologien aus Pro-Tex werden künftig weitere Anwendungen im Bereich der tragbaren Sensorik und der smarten Kleidung ermöglichen.“

Kontakt:
Empa
Dr. Simon Annaheim
Biomimetic Membranes and Textiles
Telefon: +41 58 765 7768
E-Mail: simon.annaheim@empa.ch

Dr. Luciano Bösel (Pro-Tex)
Biomimetic Membranes and Textiles
Telefon: +41 58 765 7393
E-Mail: luciano.boesel@empa.ch

www.empa.ch

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