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Gasphasenfluorierung von Silikon: Bestrahlung als Alternative

Fluorhaltige Verbindungen
Gasphasenfluorierung: Mögliches PFAS-Verbot könnte Fragen aufwerfen

Damit Silikonteile nicht zu viel Staub an sich binden, werden sie heute bei spezialisierten Dienstleistern mit Fluorgas behandelt. Als Alternative dazu kommt eine vom Fraunhofer IFAM entwickelte Bestrahlung in Frage. Das mögliche PFAS-Verbot könnte dieses Verfahren besonders interessant werden lassen.

Fluorhaltige Verbindungen wie die aktuell heiß diskutierten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS, zu ersetzen – damit befassen sich Fachleute am Fraunhofer IFAM in Bremen seit ungefähr 20 Jahren. „PFAS haben eine einzigartige Kombination von Eigenschaften, die man nicht ohne weiteres mit einem anderen Verfahren nachbilden kann“, sagt Dr. Ralph Wilken, der am Institut den Bereich Oberflächentechnik leitet. Ansatzpunkte für einen Ersatz haben die Bremer Forscher aber mit ihrem Plaslon-Verfahren schon zu bieten, mit dem sie einige der Eigenschaften von PFAS nachbilden können.

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Dr. Ralph Wilken leitet den Bereich Oberflächentechnik am Fraunhofer IFAM in Bremen. Dort geht es in verschiedenen Projekten um Verfahren, die ohne Fluor oder fluorhaltige Verbindungen auskommen
(Bild: Fraunhofer IFAM)

Mögliches PFAS-Verbot: Und die Gasphasenfluorierung?

Da die Diskussion um ein mögliches PFAS-Verbot das Augenmerk auf fluorhaltige Verbindungen gelenkt hat, ist aus Sicht von Wilken auch ein weiteres Thema relevant: die Gasphasenfluorierung von Silikon. Dabei werden die Oberflächen von Silikonteilen, die zum Beispiel für Exoskelette oder als Venenstaubänder eingesetzt werden, mit gasförmigem Fluor behandelt. Das Ziel: Sie sollen so verändert werden, dass nicht mehr quasi jedes Staubteilchen daran haftet. Die Eigenschaft, Staub anzuziehen, lässt solche Produkte sehr schnell unansehnlich werden, und auch die Haptik eines Silikonteils gilt deshalb als optimierbar.

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„Mit der Gasphasenfluorierung lässt sich dabei eine Verbesserung erreichen“, sagt Wilken. Der Umgang mit dem gasförmigen Fluor ist allerdings sehr gefährlich und daher nur unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen möglich. Sowohl die aggressive Flusssäure als auch weitere niedermolekulare perfluorierte Substanzen können dabei entstehen. Meist übernehmen das Fluorieren daher spezialisierte und entsprechend ausgestattete Dienstleister, zu denen der Hersteller seine Produkte transportiert.

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Als Alternative zum Fluorgas lieber das Silikon bestrahlen

„Wir können dazu eine Alternative bieten, die in der Anwendung viel unkritischer ist“, sagt Wilken. Dabei werden die Oberflächeneigenschaften der Silikonteile durch eine energiereiche Bestrahlung so verändert, dass sich durch eine Art Verglasung eine Funktionsschicht ausbildet. Die gewünschten mechanischen Eigenschaften des Silikons bleiben dabei erhalten. Geeignet sei das fluorfreie Verfahren zum Beispiel für Prothesen oder Schnuller, aber auch für Gerätedichtungen.

Die IFAM-Ingenieure nutzen dafür Vakuumultraviolettstrahlung, kurz VUV-Strahlung, im Wellenlängenbereich von 100 bis 200 nm – und das Verfahren lässt sich laut Wilken problemlos in eine Fertigung beim Medizinproduktehersteller integrieren. „Wir haben uns seit zehn Jahren damit beschäftigt und sind schon recht weit damit.“

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Kein Fluor: Bestrahlte Medizinprodukte bereits zertifiziert

Produkte, die auf diese Weise behandelt werden, sind bereits als Medizinprodukte zertifiziert und auf dem Markt. Aktuell verbessern die Fraunhofer-Mitarbeiter die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Das Ziel ist, die Intensität zu steigern und damit die Bestrahlungsdauer zu verkürzen.

Ob, wann und in welcher Form genau Einschränkungen für PFAS in der EU kommen werden, lässt sich laut Wilken heute noch nicht sagen. Zahlreiche kritische Kommentare aus Industrie und Verbänden sind im Rahmen der sechsmonatigen Konsultationsphase im Jahr 2023 bei der ständigen Behörde, der ECHA in Helsinki, eingegangen. „Aber ich gehe nicht davon aus, dass als Folge davon das Anfang 2023 vorgeschlagene PFAS-Verbot vollständig gekippt wird“, sagt er. Manche der fluorhaltigen Substanzen seien eindeutig toxikologisch kritisch, insbesondere für die Gruppe der fluorbasierten Tenside sei ein Verbot sicherlich sinnvoll.

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Um die Substanzen im Falle eines Verbotes unterschiedlich behandeln zu können, müssten innerhalb der PFAS-Gruppe Klassen definiert werden. Und falls bestimmte PFAS nicht grundsätzlich verboten, sondern Ausnahmereglungen definiert werden, sei eine Dokumentationspflicht für PFAS ein Schritt, um deren unkontrollierte Verbreitung zu begrenzen.

Noch ist die Gasphasenfluorierung von Silikon nicht im Zusammenhang mit dem möglichen PFAS-Verbot nicht im Gespräch. Sollte es dazu kommen, gibt es am Fraunhofer IFAM zumindest schon einen Ansatz für die Substitution dieses Verfahrens. (op)

www.ifam.fraunhofer.de

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