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Mit Plasma PFAS aus Wasser entfernen

Plasmabehandlung
Abwasserreinigung: So geht es PFAS an den Kragen

Abwasserreinigung: So geht es PFAS an den Kragen
BU (Bild: )
PFAS-kontaminiertes Wasser lässt sich wieder säubern. Die Partner im Projekt Atwaplas haben dafür ein erfolgversprechendes und umweltschonendes Verfahren auf der Basis von Plasma entwickelt.

Vom Menschen gemachte Umweltbelastungen gibt es viele. Zu den gravierendsten gehört die Verschmutzung mit der gesundheitsschädlichen „Ewigkeitschemikalie“ PFAS, die in vielen Böden und Gewässern und damit auch in unserer Nahrung zu finden ist.

Sie zu entfernen ist zwar bisher schon möglich, aber aufwendig und produziert Sondermüll. Nun ist es Forschenden des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem PFAS energieeffizient aus kontaminiertem Wasser entfernt werden könnten. Das Projekt Atwaplas endete im Sommer 2023 nach zwei Jahren Forschungsarbeit mit konkret anwendbaren Ergebnissen.

Weshalb PFAS problematisch sind

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS (engl.: per- and polyfluoroalkyl substances) kommen in der Natur nicht vor. Industriell hergestellt ist diese Gruppe aus mehr als 10.000 Chemikalien aber in vielen Dingen unseres Alltags zu finden. Ob in Zahnseide, Backpapier, Outdoorkleidung oder Lösch- und Pflanzenschutzmitteln – überall sorgen PFAS dafür, dass die Produkte wasser-, fett- und schmutzabweisend sind.

Ersatz für PFAS: Industriepartner gesucht

Das Problem: PFAS sind außerordentlich stabil, können weder durch Licht, Wasser noch Bakterien abgebaut werden und sind mittlerweile allein in Deutschland an tausenden Orten in Böden, Gewässern und Grundwasser nachzuweisen. Auch in unserer Nahrung. So reichern sich diese giftigen Chemikalien auch im menschlichen Körper an, mit erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen, die von der Schädigung von Organen bis hin zu Krebserkrankungen oder Entwicklungsstörungen reichen.

Möglichkeiten, PFAS wieder aus der Umwelt zu entfernen, gäbe es theoretisch schon. Diese sind aber sehr aufwendig und teuer. Bei einer Filterung durch Aktivkohle beispielsweise werden PFAS zwar gebunden, aber nicht beseitigt, sodass die Überreste im Sondermüll entsorgt oder besser gesagt gelagert werden müssen.

Plasma zerstört die Molekülketten der PFAS-Chemikalien

Deshalb haben es sich im Verbundprojekt Atwaplas (für: Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung) Forschende am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik i gemeinsam mit dem Industriepartner Hydr.o. aus Aachen bereits 2021 zur Aufgabe gemacht, ein effizientes, kostengünstiges Verfahren zu entwickeln, um die toxischen Substanzen möglichst vollständig beseitigen zu können. Dabei lag der Part der Forschungsarbeiten beim IGB. Die Wasserproben stammten vom Projektpartner, der unter anderem auf Altlastensanierung spezialisiert ist.

Das Ergebnis: Nach zwei Jahren Projektlaufzeit ist es den Forschenden um Dr. Georg Umlauf, Experte für funktionale Oberflächen und Materialien, gelungen, ein Verfahren zu erarbeiten, das auf dem Einsatz von Plasma basiert. Damit lassen sich die Molekülketten der PFAS abbauen – auch bis zur vollständigen Mineralisierung des Umweltgifts.

Das ist Plasma

Plasma ist ein ionisiertes und damit elektrisch äußerst aktives Gas, das die Forschenden durch Anlegen einer Hochspannung in einem zylinderförmigen, kombinierten Glas-Edelstahlzylinder erzeugen. Anschließend gelangt das kontaminierte Wasser zur Reinigung in den Reaktor.

In der Plasmaatmosphäre werden die PFAS-Molekülketten aufgebrochen und damit verkürzt. Der Vorgang in dem geschlossenen Kreislauf wiederholt sich mehrere Male. Das verkürzt die Molekülketten jeweils um ein weiteres Stück, so lange, bis sie vollständig abgebaut sind.

Plasmasterilisation ist für Produkte aus Kunststoff interessant

Nach wenigen Stunden im Plasma-Reaktor sind die Gifte abgebaut

Die Forschungsarbeiten begannen in einem kleinen Laborreaktor mit einem Probenvolumen von einem halben Liter. „Diesen konnten wir relativ schnell durch einen 5-Liter-Pilotreaktor ersetzen und im größeren Maßstab experimentieren“, berichtet Umlauf. „Der nächste Schritt wäre nun ein noch größerer Wassertank − sicher auch machbar.“

Das Wasser, das die Forschenden für ihre Tests verwendeten, war kein Leitungswasser mit zugesetzten PFAS, sondern echtes Wasser – so genannte Realproben. „Das Wasser stammt aus PFAS-kontaminierten Gebieten und ist eine wilde Mischung aus verschiedensten Partikeln wie Schwebstoffen und organischen Trübungen“, sagt Umlauf. „Für den Reinigungsvorgang kein Problem, wie unsere Versuche ergaben: Bereits nach zwei Stunden, in denen die Grundwasserproben durch den Reaktor gepumpt worden waren, konnten wir einen nennenswerten Abbau der Kohlenstoffkettenlänge beobachten.“ Nach sechs Stunden war die PFAS-Konzentration seinen Angaben zu Folge deutlich verringert, also ein Großteil der Chemikalien aus der Probe entfernt.  Dies decke sich mit Vermutungen, die bereits vor einiger Zeit in der Literatur zu finden waren. „Das heißt, wir konnten nachweisen, dass die Praxis mit der Theorie übereinstimmt.“

Nicht nur PFAS entfernen, sondern auch andere Rückstände

Mit dem gleichen Aufbau lässt sich die Plasma-Methode auch zur Aufreinigung anderer Wasserverschmutzungen einsetzen, etwa von Medikamentenrückständen, weiteren Industriechemikalien oder Pflanzenschutzmitteln. Untersucht wurde dies in vorangegangenen Projekten Waterplasma und Wasserplasmax.

Auch könnte der Reaktor mit etwas weiterer Entwicklungsarbeit einmal energieeffizient mit Umgebungsluft betrieben werden: „In unseren Vorstellungen sehen wir die Plasmaanlage in Containern stehen, die mobil an lokalen Schadstellen oder Brunnen eingesetzt werden können, um Trinkwasser flexibel und umweltschonend aufzubereiten“, wagt Umlauf den Blick in die Zukunft.

Vorstellung des Verfahrens beim Abwasserkolloquium 2023

Die neuesten Ergebnisse zur Aufbereitung von Realproben hat Projektpartner Hydr.o. bereits in Paris auf der Konferenz 2nd International Congress – Management of Environmental & Health Risks präsentiert.

Gemeinsam mit anderen Themen rund um Spurenstoffe wird das Verfahren außerdem Thema auf dem 22. Kolloquium zur Abwasserbehandlung am 25. September 2023 in Stuttgart sein

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