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„Nur noch eine Kennzeichnung für alle“

Unique Device Identification: Internationale Kennzeichnung von Medizinprodukten geplant
„Nur noch eine Kennzeichnung für alle“

Wie die internationale und individuelle UDI-Kennzeichnung von Medizinprodukten in Zukunft aussehen soll, wird derzeit in den zuständigen Gremien diskutiert. Dr. Matthias Neumann arbeitet daran mit und erläutert den aktuellen Stand.

Herr Dr. Neumann, was erhoffen sich die Befürworter des internationalen Kennzeichnungsstandards UDI von der Initiative?

Für Hersteller von Medizinprodukten sind die gesetzlichen Forderungen zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte große Herausforderungen. Maschinenlesbare Kennzeichnungssysteme haben sich als effiziente Systeme etabliert, mit denen man zum Beispiel im Fall eines Rückrufs die betroffenen Produkte in allen Lagern, Kliniken oder Sanitätshäusern schnell ausfindig machen kann. Das internationale maschinenlesbare Kennzeichnungssystem UDI soll die Rückverfolgbarkeit für Medizinprodukte weltweit verbessern und damit zur Patientensicherheit beitragen.
Gibt es auch finanzielle Aspekte, die für UDI sprechen?
Neben den verbesserten hersteller- und behördenseitigen Marktbeobachtungssystemen, können auch andere Beteiligte von der Einführung des UDI profitieren. Handel und Gesundheitswesen können ihre Prozesse optimieren. Insbesondere im Krankenhausbereich sind Verbesserungen der Lagerhaltungs-, Beschaffungs- und Prozesslenkungsprozesse möglich, die zu entsprechenden Effizienzsteigerungen und finanziellen Entlastungen führen. Man muss sich schließlich vor Augen führen, dass heute Hersteller, Händler und Kliniken sehr aufwendig eigene unterschiedliche Kennzeichnungssysteme parallel verwenden, die nicht untereinander kompatibel sind
Welche Vorteile bringt UDI für die Hersteller von Medizinprodukten?
Sobald die Standards definiert sind, muss ein Hersteller nur noch eine Kennzeichnung auf seinem Produkt anbringen und sich nicht mit einer Reihe regionaler Vorgaben auseinandersetzen. Auch im Hinblick auf Fälschungen hat sich gezeigt, dass eine entsprechende Kennzeichnung diese zwar nicht unmöglich macht, aber doch erheblich erschwert.
Welche Technologien kommen für die Kennzeichnung in Frage?
Für die UDI-Kennzeichnung werden voraussichtlich international standardisierte und anerkannte Codierungssysteme von GS1 oder HIBCC eingesetzt.
Wie sollen die Produkte selbst gekennzeichnet werden?
Die Produkte werden mit einem lineren Barcode oder einem zwei-dimensionalen Barcode, zum Beispiel einer Data-Matrix, versehen. Ergänzend ist der Einsatz von RFID- oder auch zukünftiger technischer Lösungen denkbar. Voraussetzung ist, dass der Hersteller mit Sicherheit einen weltweit einzigartigen Code für sein Produkt benutzt und dieser von Standardscannern gelesen werden kann.
Welche zusätzlichen Kosten werden entstehen, und wer trägt diese?
Zunächst fallen sicherlich bei den Herstellern zusätzliche Kosten für die Umstellung der Kennzeichnung an. Viele Hersteller werden aber mit der Implementierung des UDI Kosten sparen können, so dass ein signifikanter Einfluss auf die Preisgestaltung und damit auf das Sozialversicherungssystem nicht zu befürchten ist.
UDI soll über eine globale Marktüberwachung die Sicherheit von Medizinprodukten steigern. Welche Voraussetzungen müssten dafür gegeben sein?
Um möglichst schnell die Informationen zu einem Produkt und seinem Hersteller zusammenzuführen, werden unter dem Arbeitstitel ‚UDI-Datenbanken‘ Strukturen aufgebaut werden. Diese Datenbanken sollen zueinander kompatibel sein und weltweit einheitliche Datensätze verarbeiten. Hersteller müssen in diese Datenbanken Informationen eingeben, die einen Link zwischen dem maschinenlesbaren Code auf dem Produkt und relevanten Informationen zum Produkt und dem Hersteller schaffen. Derzeit ist angestrebt, dass die Datenbanken untereinander kompatibel sind, so dass der Hersteller diese Daten nur einmal ablegen muss und damit seine diesbezüglichen Pflichten weltweit erfüllt hat.
Sollen grundsätzlich alle Produkte gekennzeichnet werden, oder gibt es Ausnahmen?
Grundsätzlich werden alle Medizinprodukte von der Kennzeichnungspflicht betroffen sein. Sinnvolle Ausnahmen könnten zum Beispiel Sonderanfertigungen sein. Auch der Grad der Serialisierung bei den verschiedensten Produktgruppen oder eine schrittweise und risikobasierte Einführung der UDI-Kennzeichnung wird noch diskutiert. In jedem Fall ist aber mit einer langen Übergangsfrist zu rechnen, in der die technischen Herausforderungen gelöst werden können.
Wird es eine globale Datenbank geben?
Das wäre ein denkbarer Ansatz. Wie schon erwähnt ist es wahrscheinlicher, dass ein Netzwerk von Datenbanken entsteht mit einer einheitlichen Basis, so dass von überall die Daten für ein australisches, japanisches oder deutsches Produkt abgerufen werden können. Für die EU oder die USA erwarte ich allerdings jeweils eine Gesamt-Datenbank.
Ziehen alle Beteiligten gleichermaßen bei der Vereinheitlichung mit?
Die Industrie hat im Zuge der Diskussionen einige Bedenken geäußert, in technologischer Hinsicht, aber auch im Hinblick auf den Nutzen. Vor allem kleine und mittlere Betriebe fürchten eine Überforderung. Allerdings bringt die Vereinheitlichung auch die genannten Vorteile, und die Fristen werden ausreichend lang sein, um sich auf die Veränderungen einzustellen. Somit trägt inzwischen die Industrie insgesamt die Entwicklung des UDI mit.
Wann ist damit zu rechnen, dass UDI per Gesetz verpflichtend wird?
Die FDA hat den Termin für eine Veröffentlichung einer entsprechenden Regulation mehrfach verschoben. Für das laufende Jahr ist aber damit zu rechnen. Diese Vorgaben dann im amerikanischen Recht zu verankern, wird vermutlich nicht vor Sommer 2011 gelingen. Bei einer anschließenden Übergangsfrist von drei bis fünf Jahren wären wir also im Jahr 2014 bis 2016. In Europa wurde ein Entwurf der EU-Kommission zur Überarbeitung der Medizinprodukterichtlinien für den Herbst 2010 avisiert. Regelungen zum UDI könnten im Vorschlag der Kommission enthalten sein. Damit könnte das UDI-System ab 2015 bis 2018 auch in der EU verpflichtend sein.
Wo können sich die Hersteller von Medizinprodukten in der Zwischenzeit über den Stand der Dinge informieren?
Auf der Homepage der Global Harmonization Task Force wie auch auf den Seiten der FDA sind die aktuellen Versionen zum UDI-System in groben Zügen hinterlegt. Wer die Vereinbarungen noch mit gestalten will, kann über Verbände wie den BVMed oder Eucomed Einfluss nehmen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Internet-Auftritt der Global Harmonization Task Force GHTF, Suchbegriff: UDI www.ghtf.org Internet-Auftritt der FDA, Suchbegriff: UDI www.fda.gov (mit der Möglichkeit, einen Newsletter zum Thema zu bestellen)

Ihr Stichwort
  • Medizinprodukte-Kennzeichnung
  • Globaler Standard
  • HIBCC und GS1
  • Rückverfolgbarkeit
  • Überwachung von Zwischenfällen

  • UDI: Das ist damit gemeint
    Schon vor mehr als vier Jahren gab es in der US-amerikanischen Food and Drug Adminstration (FDA) Überlegungen zu einem einheitlichen Kennzeichnungssystem für Medizinprodukte, einem Unique-Device-Identification-System (UDI). Die ersten öffentlichen Anhörungen dazu fanden 2006 statt. Im Jahr 2007 wurde im FDA Amendments Act festgelegt, dass die Behörde die Anforderungen für ein solches System schaffen soll. Demnach müssen Medizinprodukte direkt oder auf ihrer Verpackung eine UDI-Kennzeichnung tragen – wobei die FDA Ausnahmen erlauben darf. Die neue Kennzeichnung muss es ermöglichen, das Produkt während seines gesamten Lebenszyklus zu identifizieren, also vom Verkauf bis hin zum Einsatz am Patienten. Grundsätzlich muss die Los- oder Seriennummer in der Kennzeichnung enthalten sein.
    Im Oktober 2008 wurde in der Global Harmonization Task Force die Adhoc Gruppe „UDI” gegründet, um ein global einsetzbares UDI-System zu skizzieren. Derzeit wird diskutiert, dass alle Medizinprodukte einen auto-identifizierbaren UDI-Code tragen sollen. Dieser besteht aus einem statischen und einem dynamischen Teil. Der statische Teil soll das Identifizieren eines Produkttypes sowie relevanter Merkmale ermöglichen, wobei er sich auf eine UDI-Datenbank bezieht. Der dynamische Teil ermöglicht es, ein einzelnes Produkt oder Produktlos zu erkennen. Auch Informationen wie zum Beispiel das Verbrauchsdatum oder Lagerungsbedingungen, Artikel- und Katalognummern könnten hier hinterlegt sein.
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