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Immer vorbereitet auf den Besuch des Auditors

Unangekündigte Audits: Worauf sich die Medizinproduktehersteller einstellen müssen
Immer vorbereitet auf den Besuch des Auditors

Seit Beginn des Jahres erhalten Hersteller von Medizinprodukten oder ihre Zulieferer hin und wieder unangekündigten Besuch. Was diese Audits von Überwachungsaudits unterscheidet, erläutert Norbert Stuiber vom TÜV Süd.

Herr Stuiber, was genau sind unangekündigte Audits?

Die EU-Kommission hat beschlossen, dass unangekündigte Audits das reguläre Auditprogramm ergänzen sollen. Sie werden bei allen Inhabern einer EG-Bescheinigung durchgeführt und betreffen damit alle verantwortlichen Hersteller, unabhängig davon, ob deren Produkte in den Geltungsbereich der MDD, AIMDD oder IVDD fallen. Unangekündigte Audits sind viel kürzer und produktbezogen – und damit anders als die gewohnten Überwachungsaudits, die sich vor allem mit Qualitätsmanagementsystemen befassen. Und unangekündigt bedeutet im Sinne des Wortes, dass sie ohne jede Vorwarnung erfolgen.
Was kann ein Hersteller tun, damit so ein Audit möglichst reibungslos abläuft?
Man sollte sich rechtzeitig darüber informieren, was in so einem Fall auf das Unternehmen zukommt, um sich eben nicht von den Auditoren überrascht zu fühlen. Und da gibt es eine Reihe von Details, die im Vorfeld organisiert werden können – bis hin zur Vertretungsregelung, die sichert, dass ein Audit stattfinden kann, selbst wenn der Hauptansprechpartner vielleicht gerade im Urlaub ist.
Wie läuft ein unangekündigtes Audit grundsätzlich ab?
Ein Team aus mindestens zwei Auditoren wird sich mindestens einen Tag lang im Unternehmen aufhalten – das Audit kann aber auch mehrere Tage dauern. Dabei wird auf jeden Fall geprüft, ob das ausgewählte Produkt mit der technischen Dokumentation und den rechtlichen Anforderungen übereinstimmt. Ein weiterer Aspekt ist die Kontrolle der Rückverfolgbarkeit aller kritischen Komponenten und Materialien sowie das Rückverfolgbarkeitssystem selbst. Ob die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, zeigt sich anhand der Produktionstätigkeit zum Zeitpunkt des unangekündigten Audits, aber auch anhand der Dokumentation, mit der der Hersteller seine Produktion generell begleitet. Für die Prüfung werden wichtige Prozesse ausgewählt, seien das die Entwicklung und Erarbei- tung von Werkstoffspezifikationen, die Beschaffung zugekaufter Materialien oder auch die Montage, Sterilisation oder Verpackung. Übernimmt ein Lieferant oder Zulieferer wichtige Prozesse, kann die benannte Stelle das Audit unangekündigt auch dort ausführen.
Und wie erfolgt eine Prüfung am Produkt?
Es wird eine Produktprobe zur weiteren Begutachtung und Prüfung aus der laufenden Produktion entnommen. Produktprüfungen sind bei Klasse III vorgesehen und wenn berechtigte Zweifel an der Konformität der Produktart bestehen.
Was passiert, wenn beim Audit eine Abweichung entdeckt wird?
Der Hersteller erhält einen Auditabweichungsbericht und muss innerhalb von maximal 60 Tagen reagieren, also eine Ursachenanalyse und einen Maßnahmenplan vorlegen und schließlich nachweisen, dass er die Maßnahmen wirksam umgesetzt hat. Dieses Verfahren entspricht der derzeit gültigen Praxis.
Und wenn gravierende Abweichungen festgestellt werden?
Unangekündigte Audits spielen eine wichtige Rolle, wenn man seine Zertifizierung im Geltungsbereich der europäischen Medizinprodukterichtlinien aufrechterhalten will. Bei schwerwiegenden Abweichungen kann diese ausgesetzt werden. Dann darf der Hersteller so lange keine Produkte auf den europäischen Markt bringen, bis die Zertifizierung wieder eingesetzt ist. Abweichungen werden ebenfalls nach der derzeit gültigen Praxis behandelt.
In welchen Abständen muss man mit unangekündigten Audits rechnen?
In der Empfehlung der EU-Kommission heißt es, die Benannten Stellen sollten mindestens einmal alle drei Jahre unangekündigte Audits durchführen. Das heißt, zwischen zwei unangekündigten Audits liegen maximal drei Jahre.
Hat ein Unternehmen bei unangekündigten Audits mit den gleichen Ansprechpartnern zu tun wie bei Überwachungsaudits?
Das kann, muss aber nicht so sein. Wenn Sie die Auditoren nicht persönlich kennen, sollten Sie auf jeden Fall überprüfen, wer da im Namen der Benannten Stelle auftritt und Zugang zum Unternemen bekommt. Ein Auditteam vom TÜV Süd bringt zum Beispiel immer ein Authentifizierungsschreiben mit. Die Angaben darin kann der Hersteller überprüfen, in dem er sich an seinen lokalen TÜV-Süd-Ansprechpartner wendet und sich alle Angaben bestätigen lässt. Das sollte er auch tun, denn die Verantwortung für die Authentifizierung der Auditoren liegt beim Hersteller.
Sie führen unangekündigte Audits seit Jahresbeginn durch. Sind Unternehmen auf Überraschungsbesuche vorbereitet?
In diesem Jahr wurden von uns weltweit schon über 100 unangekündigte Audits durchgeführt. Seit November 2013 informieren wir unsere Kunden regelmäßig zu diesem Thema. Die Unternehmen sind in der Regel gut vorbereitet. Der Ablauf eines unangekündigten Audits ist zwar neu, nicht aber die bewerteten Aspekte.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Was Hersteller zur Vorbereitung unangekündigter Audits wissen und bedenken sollten, haben Experten vom TÜV Süd in einer Broschüre zusammengefasst. Sie ist im Internet kostenlos als pdf verfügbar unter http://bit.ly/1plFetn

Gesetzliche Grundlage für die Audits
Die EU-Kommission hat in ihrer Empfehlung (2013/473/EU) erklärt, wie wichtig es ist, die Einhaltung rechtlicher Pflichten im täglichen Betrieb zu überprüfen. Sie erwartet daher von den Benannten Stellen, dass unangekündigte Audits durchgeführt werden – zusätzlich zu den Produktbewertungen und Bewertungen der Qualitätssicherungssysteme. Die Empfehlung der Kommission wurde von allen Mitgliedsstaaten angenommen.
Rechlich gesehen sind es die Medizinprodukterichtlinien wie die Richtlinie 93/42/EWG, Anhang II, Nr. 5.4, die die Benannten Stellen zu unangekündigten Audits ermächtigen. Auch die neue Empfehlung der EU-Kommission 2013/473/EU, die im September 2013 veröffentlich wurde, enthält detaillierte Vorgaben zu unangekündigten Audits. Verschiedene europäische Behörden wie die deutsche Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) und die medizinische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel in Großbritannien (MHRA) forderten die Durchführung unangekündigter Audits bereits ab 2014. Die ersten „Überraschungsbesuche“ durch Benannte Stellen haben daher schon im ersten Quartal 2014 stattgefunden.

Ihr Stichwort
  • Unangekündigte Audits
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  • Konsequenzen von Abweichungen und negativen Audits
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