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Hersteller haften für ihre Roboter – oder nicht?

Künstliche Intelligenz: Forscher klären, wer Schuld ist, wenn ein Gerät Fehler macht
Hersteller haften für ihre Roboter – oder nicht?

Ob Hersteller, Programmierer oder Nutzer für die Dummheiten von Rollstühlen mit Navi aufkommen müssen, definieren Juristen und Ingenieure in einem Forschungsprojekt. Sie interessieren sich auch für andere Produkte mit künstlicher Intelligenz.

Ein älterer, gehbehinderter Mann lässt sich von seinem Transport-Rollstuhl in die Stadt zum Einkaufen fahren. Das Gerät findet den Weg von allein, nachdem sein Besitzer ihm das Ziel eingegeben hat. Unterwegs weicht der Rollstuhl einem Hindernis aus und bringt dadurch einen Radfahrer zu Fall, der schwere Kopfverletzungen erleidet. Wer ist rechtlich für die Folgen verantwortlich: der ältere Mann, der Hersteller des Rollstuhls oder der Programmierer?

Mit Fragen wie dieser beschäftigt sich ein Forschungsprojekt an der Universität Würzburg, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit 200 000 Euro unterstützt. Sein Name: „Robotik und Recht“. Seine Initiatoren: der Jurist Professor Eric Hilgendorf und der Robotik-Experte Professor Klaus Schilling. In den kommenden drei Jahren wollen sie gemeinsam mit Wissenschaftlern unter anderem aus Tübingen und Bonn untersuchen, welche Probleme auftauchen, wenn Roboter immer selbstständiger werden, und wie der Gesetzgeber darauf reagieren muss.
„Schon heute gibt es Roboter, die in der Lage sind, Wege autonom zurückzulegen und dabei innerhalb eines gewissen Rahmens Entscheidungen selbst zu treffen, erklärt Dr. Susanne Beck. Die Juristin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Eric Hilgendorf und wird an dem neuen Forschungsprojekt arbeiten. Allein schon die Frage, wie solch ein Fahrzeug versichert sein muss, ist von einer befriedigenden Antwort weit entfernt: „Das läuft momentan wie bei einem Mofa – ohne dass dabei berücksichtigt wird, dass der Roboter autonom fährt“, sagt Beck. Eine Lösung, die weder den Hersteller noch den künftigen Besitzer zufriedenstellen kann.
„Wenn es um Roboter geht, ist aus rechtlicher Sicht derzeit wenig geregelt. Richtlinien zur Orientierung fehlen weitgehend, und die Diskussion ist noch ganz am Anfang“, sagt Eric Hilgendorf. Das soll das Forschungsprojekt ändern. Dabei entwickeln die Experten auch Szenarien, die aussehen, als seien sie direkt aus dem Kino-Hit „Avatar“ entnommen.
Für Parkinson-Patienten gibt es beispielsweise schon heute die Möglichkeit, sich einen Hirnschrittmacher einsetzen zu lassen, der mit elektrischen Impulsen einige Symptome dieser Krankheit lindern kann. Allerdings hat sich bei manchen Patienten gezeigt, dass der Schrittmacher gleichzeitig deren Sexualtrieb steigert. „Wenn ein Betroffener dann einen Dritten sexuell nötigt: Kann man ihn rechtlich dafür verantwortlich machen?“, fragt Susanne Beck. Oder, umgekehrt: Darf der Staat solche Schrittmacher einsetzen, um bei Sexualstraftätern den Trieb zu dämpfen?
Welche Folgen ergeben sich, wenn künstliche Ersatzteile die Arbeit von Organen übernehmen, wenn der Computer im Körper einzieht und seinem Träger zu besseren Leistungen verhilft? Früher war die Angelegenheit klar. Der Mensch hat die Entscheidung getroffen, die Maschine hat sie bestenfalls ausgeführt. „Heute gibt es längst Zwischenstufen, bei denen diese strikte Trennung nicht mehr funktioniert“, sagt Eric Hilgendorf. Und deshalb sei das Thema für Juristen so außerordentlich spannend. „Hier stellt sich die Frage nach Schuld und Verantwortung ganz neu.“
Die Bandbreite der Themen ist in dem Forschungsprojekt weit: Cyborgs – also Mensch-Maschinen-Mischwesen – beschäftigen die Juristen genauso wie Computer, die so intelligent geworden sind, dass sie ein eigenes Bewusstsein entwickeln. Aber auch vergleichsweise „profane“ Techniken sind nicht frei von rechtlichen Problemen. Das gilt für den automatisierten Rollstuhl genauso wie für einen Operations- und den Militärroboter, deren „Fehleinschätzungen“ möglicherweise gravierende Schäden verursachen können.
„Natürlich wird am Ende der drei Jahre Forschung nicht ein Katalog von Gesetzen stehen, der alle juristischen Probleme löst“, sagt Susanne Beck. Das sei auch kaum zu erwarten, wo die Technik vielfach noch in den Kinderschuhen stecke und die Entwicklung der kommenden Jahre kaum ab- zusehen sei. „Uns geht es in erster Linie darum, die Probleme aufzuzeigen und eine Diskussion in Gang zu setzen.“ Gut möglich, dass am Ende aber auch eine Art Handbuch herauskommt mit Vorschlägen zum richtigen Umgang mit den praktischen Problemen. Ein geeigneter Titel dafür? „Rechte und Pflichten von Robotern“ wäre nicht unpassend. op
Rollstuhl wie ein Mofa versichert – obwohl der Rollstuhl Entscheidungen trifft

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