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„Direktes Telefongespräch nützt mehr als Mängelschreiben“

Klinische Prüfungen: Bestandsaufnahme zu den BfArM-Genehmigungsverfahren
„Direktes Telefongespräch nützt mehr als Mängelschreiben“

Je besser ein Antrag vorbereitet ist, desto reibungsloser läuft das Genehmigungsverfahren für klinische Studien an Medizinprodukten. BfArM-Fachgebietsleiter Dr. Thomas Fischer erläutert, was Antragsteller verbessern können – und wie die Behörde weniger bürokratisch wird.

Herr Dr. Fischer, für viele Hersteller ist das Antragsverfahren Neuland. Welche Erfahrungen hat das BfArM bisher gemacht?

Es ist deutlich zu merken, dass sich alle erst mit den regulatorischen Grundlagen vertraut machen müssen. Das zeigt sich vor allem daran, dass Anträge oft nicht vollständig sind und wir Ergänzungen anfordern müssen. Es ist aber ein Entwicklungsprozess in Gang gekommen, der zu Verbesserungen auf allen Seiten führt.
Das BfArM hat eine Checkliste ins Internet gestellt, die alle erforderlichen Unterlagen aufführt. Hat das schon etwas genützt?
Ja. Bei etwa der Hälfte der aktuellen Anträge wurde die Checkliste offenbar genutzt. Das ist sehr erfreulich, denn es macht den Genehmigungsprozess effektiver. Und wir gehen davon aus, dass immer mehr Antragsteller von der Checkliste profitieren.
Werden viele Anträge abgelehnt?
Die aktuelle Ablehnungsquote von fünf Prozent bei gut 200 eingegangenen Anträgen bis Ende 2010 zeugt meiner Ansicht nach davon, dass wir mit Augenmaß arbeiten. Wir wollen die Neuentwicklungen ja auch mit tragen.
Was sind die Gründe für eine Ablehnung?
Da geht es zumeist um formale Fragen. Wenn ein Antragsteller zum Beispiel auf unser Schreiben innerhalb von 90 Tagen nicht reagiert und keine verbesserte Version zur Verfügung stellt, muss das BfArM seinen Antrag ablehnen – auch wenn wir es schade finden, dass der Sponsor seine Frist nicht genutzt hat.
Und wie sieht es mit inhaltlichen Gründen für Ablehnungen aus?
Dieser Fall tritt selten auf. Wenn wir Antragsteller über weitreichende Bedenken informieren, ziehen diese in der Regel den Antrag zurück und gehen später mit einer stark überarbeiteten Version erneut an den Start. Das begrüßen wir, da es erfolgversprechender ist, das Konzept neu zu erstellen als ein beanstandetes Konzept immer wieder überarbeiten zu müssen.
Welche Punkte auf der Checkliste verursachen die meisten Nachfragen?
Die Bewertung von Risiko und Nutzen des Produktes, die Benennung eines geeigneten Sterilisationsverfahrens und die Prüfpläne selbst.
Worauf kommt es beim Bewerten von Risiko und Bedeutung eines Produktes an?
Mögliche Risiken lassen sich auch bei einem neuen Medizinprodukt meist noch recht gut beschreiben. Um aber den Nutzen im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Heilkunde einzuschätzen, muss auch der Hersteller eines technischen Produktes sehr weit in das medizinische Fachgebiet eintauchen und Alternativen aus dem Arzneimittelbereich betrachten. Wenn es dort schon Wege zur Behandlung gibt, muss er erläutern, was die neue technische Lösung darüber hinaus leisten soll. Denn der Sinn der Studie ist ja, seine Hypothese dazu statistisch abzusichern. Wenn wir aber entsprechende Angaben mit Experten aus den medizinischen Fachgesellschaften diskutieren, zeigt sich immer wieder, dass der neueste Stand der Forschung nicht berücksichtigt ist. Dann müssen wir Nachbesserungen einfordern. Umgekehrt ist der Schluss erlaubt, dass klinische Prüfungen von Medizinprodukten am interessantesten sind, wo es keine medikamentösen Alternativen gibt.
Wie können Studien die Risiken zeigen?
Erst längerfristige Betrachtungen machen manche Risiken sichtbar. Daher sollten Probanden nach ihrem Ausscheiden aus der klinischen Studie weiter beobachtet werden. Wann, wie oft und welche Nachuntersuchungen sinnvoll sind, muss der Sponsor der Studie vorgeben.
Wo liegen Probleme bei der Sterilisation?
Um die Probanden zu schützen, muss der Hersteller ein Sterilisationsverfahren für sein Produkt benennen und belegen, dass es für das Produkt auch geeignet ist. An den Belegen mangelt es zuweilen noch.
Was ist bei den Prüfplänen optimierbar?
Da gibt es drei Punkte. Erstens muss genau beschrieben werden, wie man in der Studie zu einer belastbaren Statistik kommt. Zweitens gilt es, geeignete Monitore zu finden – also Fachleute, die die Studie koordinieren und dafür sorgen, dass die Ergebnisse aus den Kliniken den Qualitätsanforderungen entsprechen. Und drittens brauchen wir – als Parallele zur Vigilanz bei den zugelassenen Medizinprodukten – eine Beschreibung des geplanten SAE-Managements.
Was ließe sich BfArM-intern verbessern?
Insgesamt könnten die Genehmigungsverfahren schneller ablaufen. Die zuständige Abteilung wurde bereits personell aufgestockt – und je vollständiger die Anträge bei uns eingehen, desto eher ist mit einem Bescheid zu rechnen. Wir selbst wollen unsere Internetplattform ausbauen und sie stärker zum Austausch mit den Sponsoren der klinischen Studien nutzen. Und vor allem wollen wir im Einzelgespräch unbürokratischere Lösungen suchen. Wenn ein Dokument nicht zu 100 Prozent korrekt eingereicht ist, hilft ein kurzes persönliches Gespräch am Telefon sicher mehr als ein weiteres Mängelschreiben. Mit diesem Vorgehen haben wir schon positive Erfahrungen gemacht, und es beschleunigt das Verfahren ungemein.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen www.bfarm.de

Checkliste vom BfArM
Seit März 2010 ist in Deutschland die 4. Novelle des Medizinproduktegesetzes in Kraft. Sie brachte als wesentliche Neuerung die Vorgabe, dass klinische Studien an Medizinprodukten vom BfArM als der zuständigen Bundesoberbehörde genehmigt werden müssen. Was zu einem vollständigen Antrag gehört, hat das BfArM in einer detaillierten Checkliste zusammengestellt.
Zum Beispiel muss der Sponsor der Studie – meist der Hersteller des geprüften Produkts – seinen Antrag in elektronischer Form über das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) stellen. Alle zusätzlichen Unterlagen sind in deutscher Sprache einzureichen – Englisch ist in Ausnahmefällen zulässig. Erforderlich sind unter anderem umfassende Informationen über die bis dahin mögliche medizinische Bewertung und die Sicherheit des zu prüfenden Produktes inklusive einer Risikoanalyse. Auch muss der Sponsor der Studie nachweisen, dass und wie die Probanden nach der Studie medizinisch betreut werden.
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