Eine grundlegende Aufgabe des elastischen Bindegewebes innerhalb und außerhalb der Muskulatur ist es, Muskelkräfte auf das Skelett zu übertragen. Dabei umhüllen so genannte Aponeurosen die Muskeln, unterteilen sie in ihrem Innern und gehen in Sehnen über. Sie verhalten sich dabei ähnlich wie ein Gummiband, das sich dehnt, wenn eine Kraft darauf wirkt, wobei die Dehnung proportional zur wirkenden Kraft ist. Diese Elastizität erlaubt es, mit zunehmender Kraft mehr Energie zu speichern und diese zurückzugeben, sobald die Kraft reduziert wird oder aufhört zu wirken. Sowohl von Sehnen als auch Aponeurosen weiß man, dass sie die Muskulatur mt ihren elastischen Eigenschaften dabei unterstützen, effizient und kraftvoll arbeiten zu können.
Anders als Gummibänder
„Allerdings gibt es Hinweise aus Tierexperimenten, die nahelegen, dass sich Aponeurosen aufgrund ihrer flächigen Struktur nicht wie einfache elastische Gummibänder verhalten“, erklärt Dr. Brent Raiteri vom Lehrstuhl Bewegungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum (RUB). „Anstatt unter der Wirkung von Muskelkräften länger und gleichzeitig schmaler zu werden, können Aponeurosen während Muskelaktivität gleichzeitig länger und breiter werden.“
Um zu untersuchen, wie die dreidimensionale Muskelstruktur die Dehnung und Spannung der Aponeurosen während aktiver Muskelkontraktionen mit unterschiedlicher Kraft und bei unterschiedlichen Muskellängen beeinflusst, verwendeten Raiteri und seine Kollegen von der University of Queensland im australischen Brisbane 3D-Ultraschall. Die Forscher bestimmten damit die Länge und die Breite der Aponeurose des vorderen Schienbeinmuskels.
Unter Anspannung lang und dick
Das Ergebnis: Wurde der Muskel passiv gedehnt, dann wurde die Aponeurose sowohl länger als auch schmaler wie ein einfaches Gummiband. „Während willentlicher Muskelaktivität hingegen wurde die Aponeurose in der Länge gedehnt, gleichzeitig aber auch breiter, vermutlich aufgrund des Drucks innerhalb des Muskels und der Muskelverformung“, so Brent Raiteri. Diese Dehnung in die Breite bewirkt wiederum, dass die Aponeurose in Längsrichtung steifer wird, wobei die Steifigkeit der Aponeurose bei langen Muskellängen höher war als bei kürzeren.
Kraftübertragung besser verstehen
Diese Änderung der Steifigkeit der Aponeurose beeinflusst während der Muskelaktivität ihrerseits die Längenänderung der Muskelfaserbündel, die die aktive Muskelkraft erzeugen und sich dabei verkürzen. „Das ist deshalb bedeutend, weil die Kapazität der Muskelfaserbündel, Kraft zu erzeugen, maßgeblich von ihrer Länge und ihrer Verkürzungsgeschwindigkeit abhängt“, so Prof. Daniel Hahn, Inhaber des Lehrstuhls für Bewegungswissenschaft der RUB.
Die Forscher hoffen, mit diesem Wissen die Effizienz menschlicher Fortbewegung besser zu verstehen – um zu erklären, ob und welche Rolle Aponeurosen bei der Entstehung von Muskelverletzungen spielen oder um bioinspirierte Prothesen zu entwickeln.
www.pnas.org/content/early/2018/03/13/1712697115