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Wie die Medical Device Regulation den Markt verändern wird

Medical Device Regulation
Mai 2020 ist nicht unmöglich, aber es ist keine Reserve drin

Mai 2020 ist nicht unmöglich, aber es ist keine Reserve drin
Thomas Butsch ist Geschäftsführer von Hebu Medical in Tuttlingen. Das Unternehmen mit rund 120 Mitarbeiter stellt an vier Standorten chirurgische Instrumente sowie Geräte für die HF-Chirurgie her
MDR verändert den Markt | Bei Hebu Medical in Tuttlingen laufen die Vorbereitungen zur Umsetzung der MDR schon länger. Dennoch sieht Geschäftsführer Thomas Butsch den Mai 2020 als sportliche Vorgabe. Für die Branche rechnet er mit strukturellen Veränderungen: weniger Anbietern, weniger Produkten, höheren Preisen.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Butsch, welche positiven Aspekte bringt die MDR für die Medtech-Branche mit sich?

Wenn wir die Region Tuttlingen und das Produktsegment der chirurgischen Instrumente betrachten, wird bei den technischen Dokumentationen im Zuge der MDR-Umsetzung aufgeräumt: Die neu eingeführte Klasse Ir bedingt unter anderem, dass die Benannten Stellen die Dokumentationen mit prüfen. Das ist prinzipiell und im Dienste der Patientensicherheit gut. Das wird aber vor allem für kleine Unternehmen und Händler, die vielleicht mehr als 10.000 Produkte in ihrem Katalog haben, eine deutliche Umstellung mit sich bringen. Ich rechne mit gravierenden Veränderungen bei der Struktur des Marktes und der Breite des Angebots: Es wird weniger Anbieter geben, weniger Produkte und damit einhergehend vermutlich steigende Preise.

Was bedeutet die EU-MDR für Ihr Unternehmen?

Wir stellen drei Viertel unserer Produkte selbst her und haben bisher von etwa 70 Lieferanten Produkte zugekauft. Aktuell läuft ein Projekt mit dem Ziel, die Anzahl der Lieferanten auf etwa 35 zu senken. Da das jeder Hersteller so macht, ist es nicht schwer, sich vorzustellen, dass damit viele Unternehmen vom Markt verschwinden und die organische Struktur der Branche im Tuttlinger Raum zerstört wird. Wir bei Hebu Medical werden darüber hinaus auch etwa 15 Prozent unserer Produkte nicht neu zertifizieren lassen. Dabei entscheiden wir – wie das jeder tun würde – nach wirtschaftlichen Kriterien. Nischenprodukte wie Spezialinstrumente für die Kinderchirurgie oder ähnliches werden es also in Zukunft schwerer haben.

Welcher Aspekt der MDR beschäftigt Sie aktuell am meisten?

Wir haben schon gut vorgearbeitet, haben vor sieben Jahren als einer der ersten UDI eingeführt und sitzen seit einem Jahr daran, die technischen Dokumentationen zu überarbeiten. Wenn man damit zu spät anfängt, ist der Mai 2020 nicht mehr zu schaffen. Aber was sich überhaupt noch nicht abschätzen lässt, ist die künftige Arbeitsweise der Benannten Stellen und wie die Auditoren bestimmte Vorgaben auslegen. Wir haben unser Audit für November geplant, damit genug Zeit bleibt bis Mai, falls es noch Dinge anzupassen gibt. Ein weiterer Aspekt sind die vielen Laboraufträge, die ich gerade vergebe – mit dem Ziel, die Biokompatibilität von Werkstoffen nachzuweisen, die wir seit Jahren für Chirurgieinstrumente nutzen und deren Eignung auch in Normen beschrieben ist. Und das tun nicht nur wir, sondern alle Hersteller, da jeder den Nachweis für seine Produkte erbringen muss. Gerade habe ich einen Auftrag für 80.000 Euro an ein Labor vergeben, und das war noch nicht der letzte.

Welche der neuen Regelungen bereitet Ihnen die größte Sorge?

Auch wenn es Hebu Medical als OEM nicht direkt betrifft, hätte ich mir für die MDR andere Übergangsfristen für Unternehmen mit umfangreicher Lagerhaltung gewünscht. Die FDA sieht vor, dass für begrenzte Zeiträume Bestände abverkauft werden dürfen. Aber gemäß MDR ist Mai 2020 die Deadline. Und wenn Sie eine Million Teile im Lager haben, beschriftet und verpackt, aber all diesen Teilen eine Zusatzbeschriftung fehlt, wissen Sie, dass das ein Problem ist – für das es wohl noch keine Lösung gibt.

Was erhoffen Sie sich für die kommenden 12 Monate – bis also die MDR umgesetzt sein soll?

In Gesprächen mit Verantwortlichen aus Brüssel hat sich gezeigt, dass wir uns keinerlei Hoffnungen auf Veränderungen zu machen brauchen. Angesichts der Wahlen für das EU-Parlament 2019 wird niemand einen Vorstoß wagen, der danach klingt, als ob man die Patientensicherheit nicht wichtig genug nähme. Dennoch wäre mein Wunsch, dass sich noch eine Änderung zu den beschriebenen Übergangsfristen ergibt. Und ich hoffe, dass wir bald ausreichend Benannte Stellen und dort viele qualifizierte Mitarbeiter haben werden, um die Prüfungen und Zertifizierungen umzusetzen. Für Hebu Medical mache ich mir keine großen Sorgen, da unsere Benannte Stelle weiterhin tätig sein wird. Aber es gibt so viele kleine Hersteller, deren Benannte Stellen nicht weitermachen und die sich neue Ansprechpartner suchen müssen. Für diese Unternehmen könnte die Zeit wirklich sehr knapp werden, denn sie werden sich hinten anstellen müssen.

Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Branche in Europa?

Für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern wird das Geschäft einigermaßen stabil weiterlaufen. Kleinere Unternehmen werden versuchen, den Aufwand für die MDR zu vermeiden und ihre Produkte nur noch außerhalb der EU zu verkaufen. Ein relativ geschlossener EU-Markt mit hohen Zugangsvoraussetzungen und deutlich weniger Anbietern wird wiederum zu steigenden Preisen führen. Und wir wissen noch nicht, wie gut wir alle die Anforderungen der MDR bis zum Mai 2020 werden umsetzen können. Das kann klappen, aber es ist wirklich keine zeitliche Reserve drin.


Weitere Informationen

Über Hebu Medical: https://hebumedical.com

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