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Masken: Was eine Alltagsmaske können sollte

Medizinprodukte/Coronavirus-Pandemie
Masken optimieren und sich mit Medizintechnik auf Krisen vorbereiten

Masken optimieren und sich mit Medizintechnik auf Krisen vorbereiten
Anforderungnen an Alltagsmasken hat die Expertengruppe für Infection Prevention and Control der Swiss National Covid-19 Science Task Force definiert. Forscher der ETH Zürich, der EPFL Lausanne, des Labor Spiez und der Empa haben untersucht, wie das mit Textilien zu erreichen ist (Bild: Empa)
Ist eine Lehre aus der Pandemie, dass neue und andere Produkte für die Gesundheit gebraucht werden? Ein Beispiel für die Weiterentwicklung und Professionalisierung von Gesichtsmasken ist das Innovationsprojekt Remask in der Schweiz. Aber auch in Deutschland soll mehr zur Medizintechnik geforscht werden.

Verbrauchsmaterial, ein Wegwerfartikel. Wer hat sich vor 2020 Gedanken über Masken gemacht? Diese hatten den Träger vor gesundheitsschädlichem Staub oder den Patienten vor Keimen des OP-Teams zu schützen. Fertig. Inzwischen sind Masken nicht nur Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs geworden, sondern bieten ein neues Forschungsfeld.

Mit Einsetzen der Coronavirus-Pandemie war zunächst fast jede Art von Maske willkommen – Profi-Ausrüstung wurde im Gesundheitsbereich gebraucht, darüber hinaus war Selbstgemachtes aus Jerseystoffen, Geschirrtüchern und Staubsaugerbeuteln im Einsatz. Inzwischen gehen die Überlegungen aber weiter.

Unter dem Namen Remask haben sich Wissenschaftler aus der Schweiz zusammengetan und vor allem mit Blick auf die so genannten Community- oder Alltagsmasken versucht, einheitliche Kriterien und Empfehlungen zu erarbeiten, was eine Maske dieses neuen Typs leisten muss. „Wir wollten eine Lösung haben, die angenehm zu tragen ist“, sagt Dr. Simon Annaheim, wissenschaftlicher Gruppenleiter am Labor für Biomimetische Membranen und Textilien an der Empa in St. Gallen und einer der Beteiligten bei Remask. Ob sich eine Maske gut tragen lässt, hängt davon ab, wie fest sie anliegt, ob die Befestigung auf Dauer Schmerzen verursacht und wie gut man trotz Maske Luft bekommt. „Meist stehen diese Wünsche im Widerspruch zu dem, was die Maske leisten soll, nämlich Partikel aus der Luft zu filtern und von den Atemwegen fernzuhalten.“

Was gut filtert, ist empfindlich und erschwert das Atmen

Um zu Empfehlungen zu kommen, wurden zunächst die bekannten Masken aus dem Bereich der persönlichen Schutzausrüstung sowie medizinische Gesichtsmasken analysiert. Beide bestehen in der Regel aus einer Kombination von Meltblown-Vliesen auf der Basis von Polypropylen. Der Kunststoff wird zu sehr feinen Fäden gezogen und ausgeblasen, wobei die Fäden noch im heißen Zustand zu einem Gewirr mit feinen Poren verkleben. Jede Maske besteht aus mehreren Lagen Vlies, die unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Je kleiner die Poren, desto besser ist die Filtereffizienz, aber desto höher ist auch der Widerstand beim Luftdurchtritt. „Entscheidend für die Filterfunktion sind sehr feine Vliese, die aber allein zu empfindlich gegenüber mechanischen Belastungen wären“, sagt Annaheim. Daher werden sie durch gröbere Materialien umschlossen und geschützt. Diese Idee sollte im Projekt Remask auf Textilien übertragen werden.

Ein wichtiges Argument für Masken auf der Basis von Textilien war deren Waschbarkeit: Bis zu fünf Wäschen sollten die Materialien überstehen, ohne ihre Eigenschaften zu verändern. Das ist nicht selbstverständlich, wie Annaheim erläutert. Typischerweise lösen sich Fasern bei mechanischer Beanspruchung aus dem Gewebe, verkeilen sich an anderen Fasern und senken so die Durchlässigkeit.

Eine medizinische Gesichtsmaske muss nach den heute gültigen Vorgaben beispielsweise 98 % der Partikel von 3 µm Größe zurückhalten können. Das passt zu ihrer Aufgabe: Sie soll Bakterien, die mit dem Atem verbreitet werden könnten, vom Patienten fernhalten, ohne einen zu hohen Atemwiderstand zu erzeugen. FFP-Masken für die persönliche Schutzausrüstung schließen hingegen dicht um Mund und Nase, um Partikel vom Träger fernzuhalten.

Von OP-Masken und PSA lernen – aber eine neue Lösung finden

„Wir haben uns an beiden Maskentypen orientiert, aber keiner davon passte wirklich gut zu der Aufgabe, die eine Community-Maske erfüllen soll: Um in der Pandemie der Ausbreitung von Viren über Aerosole etwas entgegenzusetzen, reicht das Filtern von drei Mikrometer großen Partikel nicht aus“, berichtet Empa-Forscher Annaheim.

Aerosole haben eher Durchmesser von 1 µm. Ein Filter, der fein genug ist, um so gut wie alle Partikel dieser Größe aufzufangen, hätte aber einen zu großen Widerstand. „Daher ist unsere Empfehlung für Alltagsmasken, eine Filtrationseffizienz von mindestens 70 Prozent für einen Mikrometer große Partikel zu erreichen.“ Damit komme man den Werten für FFP-Masken nahe. Allerdings wird zugleich empfohlen, den Wert für die Druckdifferenz auf 60 Pa/cm² zu begrenzen, so dass das Atmen mit Maske nicht schwerer fällt als mit einer OP-Maske, die an den Seiten eben nicht abdichtet

Kein Sauerstoffmangel mit der Alltagsmaske

„Bei dieser Druckdifferenz gibt es bei einer Ruheatmung mit fünf bis zehn Litern Atemvolumen pro Minute keine Einschränkungen“, sagt Annaheim, und betont, dass beim Tragen der Masken keinerlei Sauerstoffmangel auftreten könne. Lediglich bei Menschen mit bestehenden Atemwegserkrankungen müsse man – wie es bisher auch schon gehandhabt wird – die Situation genauer prüfen und abwägen, ob das Tragen einer Alltagsmaske möglich und sinnvoll sei.

Simuliert wird im Projekt zum Beispiel, wie schnell sich Partikel rund um einen Maskenträger in der Umgebungsluft ausbreiten: Demnach wäre bei einer Busfahrt ohne Alltagsmaske die kritische Menge an Viren, die andere Menschen anstecken könnte, nach einer Viertelstunde vom Passagier ausgeatmet. Mit einer Maske gemäß den Remask-Empfehlungen könnte die Fahrt 45 Minuten dauern, bis der kritische Punkt erreicht wäre.

Um die Eigenschaften der Masken reproduzierbar zu bestimmen, wurden im Projekt Remask bereits vorhandene so wie im Projekt entstandene Methoden weiterentwickelt und beschrieben. Die vorgegebenen Werte ließen sich mit verschiedenen Kombinationen von Textilien erreichen. Das können Hersteller auch mit einem Label belegen: Ob eine neue Alltagsmaske den Empfehlungen entspricht, prüft das Unternehmen Testex.

Geprüfte Alltagsmaske als Alternative auch in Kliniken

Für den Einsatz in Kliniken ist das Angebot solcher geprüfter Alltagsmaken eventuell interessant. Nicht für den Einsatz im OP oder im Umgang mit Covid-19-Patienten, wo OP- oder gut abdichtende PSA-Masken gefordert sind. Aber für Klinikpersonal mit anderen Aufgaben könnten die Alltagsmasken eine Lösung sein, die zum Einen die Vorräte an OP- und PSA-Masken, zum Anderen aber wegen der Waschbarkeit und Wiederverwendbarkeit auch die Umwelt schont.

Nach den ersten Ergebnissen sollen im Projekt Remask als nächstes Möglichkeiten der Fixierung am Kopf geprüft werden, auch Varianten der Maskenform stehen zur Diskussion. Lohnt es sich, eine Form vorzugeben, um dann in wiederverwertbare textile Masken ein Filtervlies als Disposable einzulegen? Weitere Überlegungen beziehen sich auf das Inaktivieren der Viren. Das Sars-Cov-2 beispielsweise trägt an seiner Oberfläche negative Ladungen und wird elektrostatisch an eine positiv geladene Maskenoberfläche gebunden. Auch Weiterentwicklungen antiviral wirkender Oberflächenausrüstungen an Textilien sind interessant. Als Alternative zu Meltblown-Vliesen kämen laut Annaheim durch Electrospinning gewonnene synthetische Nanofasern in Frage. „Bisher ist das aber noch eine sehr teure Herstellmethode, und ich denke, das Upscaling auf industrielle Maßstäbe bringt Herausforderungen.“

Maskenmaterial inaktiviert Coronavirus

Normative Ansätze für Alltagsmasken

Was genau im Rahmen von Remask weiter erforscht wird, soll noch in diesem Jahr mit der Förderinstitution Innosuisse festgelegt werden. Ein spannender Aspekt dabei seien die normativen Aspekte, wie Annaheim betont. Für die Schweiz könnten die Experten-Empfehlungen aus der Swiss National Covid-19 Science Task Force die Basis für normative Aktivitäten sein. International habe die europäische CEN-Organisation in Zusammenarbeit mit französischen Behörden bereits die Initiative ergriffen.

Über die Masken hinaus sind nach den Erfahrungen mit der Pandemie auch weitere Produkte aus der Medizintechnik gefragt. Forschung, die für die aktuelle Krisensituation helfen kann, aber auch für kommende geeignet ist, fördert das deutsche Bundesforschungsministerium mit der Maßnahme „Prävention und Versorgung epidemisch auftretender Infektionen mit innovativer Medizintechnik“. Die Corona-Pandemie zeige eindrücklich, so hieß es Mitte September, wie sehr Gesundheitssysteme im Kampf gegen pandemische Infektionskrankheiten auf effektive Maßnahmen angewiesen seien.

Medizintechnik: Fördermittel für Diagnostik und Versorgung

Um Herausforderungen – etwa in Diagnostik, Prävention oder mobiler Versorgung – besser begegnen zu können, sollen 20 Millionen Euro in Verbundprojekte fließen, die das Fachprogramm Medizintechnik erweitern. Gefördert werden Konsortien zwischen Medizintechnikunternehmen, der klinischen Versorgung, akademischen Institutionen und/oder der Versorgungsforschung, die bei Infektionen mit epidemischem Potenzial relevante Versorgungsabläufe adressieren.

Thematische Schwerpunkte sind unter anderem

  • Medizintechnik zur Prävention,
  • zum Schutz und zur Eindämmung von Infektionen,
  • Diagnostik von Infektionen und resultierenden Erkrankungen sowie
  • innovative Medizintechnik zur Therapie und Nachsorge in der häuslichen, ambulanten oder stationären Behandlung.

Anträge mit einer längerfristigen Perspektive können bis zum 30. Januar 2021 eingereicht werden. Mit der Abwicklung der Fördermaßnahme hat das BMBF als Projektträger die Berliner VDI Technologiezentrum GmbH beauftragt. (op)


Weitere Informationen

Projekt Remask:

www.empa.ch/web/remask

Fördermaßnahme BMBF, Kontakt VDI Technologiezentrum:

http://hier.pro/6OrpA


Maskenkunde

Im Wesentlichen sind heute drei Typen von Masken in Gebrauch.

FFP-Masken

So genannte Partikelfiltrierende Halbmasken wurden zum Schutz des Trägers entwickelt. Sie dichten rund um Mund und Nase gut ab und sollen schädliche Partikel fernhalten. FFP-1-, FFP-2- und FFP-3-Masken unterscheiden sich in ihrer Filtereffizienz (zwischen 80 und 99 % bei 2,1 bis 3,0 mbar Atemwiderstand). Je größer die Ziffer, desto mehr Partikel werden ausgefiltert. Vorgaben dazu sind in der Norm DIN EN 149:2009-08 zusammengefasst. Die Masken sind keine Medizinprodukte, sondern Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) und durchlaufen ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß PSA-Verordnung (EU) 2016/425, bevor sie auf den europäischen Markt kommen.

Medizinische Gesichtsmasken

OP-Masken, wie sie oft genannt werden, sind Einwegartikel, meist aus mehreren Schichten Meltblown-Vlies auf der Basis von Polypropylen. Sie sollen zum Beispiel Keime des OP-Teams vom Patienten fernhalten. Die Atemluft des Trägers kann an den Seiten ausströmen. Masken vom Typ IR und IIR halten auch kleine Blutspritzer ab. Die Vorgaben für medizinische Masken sind in der Norm DIN EN 14683:2019 +AC:2019 zusammengefasst, die keine zu verwendenden Materialien vorschreibt. Die Masken sind Medizinprodukte der Klasse 1.

Alltags- oder Community-Masken

Für die Alltags- oder Community-Masken, die aus vielen verschiedenen Materialien angeboten oder von Privatpersonen für den eigenen Bedarf hergestellt werden, gibt es bisher keine Vorgaben. Sie dürfen nicht als Schutzmasken bezeichnet werden, da eine schützende Wirkung nicht belegt ist. Verschiedene Gremien arbeiten daran, einheitliche Maßstäbe auch für diese neue Art Masken zu entwickeln.


Kontakt zur Empa und zum VDI Technologiezentrum:

Empa
Überlandstrasse 129
8600 Dübendorf
www.empa.ch/web/remask

VDI Technologiezentrum GmbH
Bülowstraße 78
10783 Berlin
Tel.: +49 (0)30 – 2 75 95 06- 41
E-Mail: pt_gesundheitswirtschaft@vdi.de
Ansprechpartner sind: Dr. Constanze Reiche und Dr. Monika Weinhold
http://hier.pro/6OrpA


Erfahrungen mit Lieferschwierigkeiten in der Pandemie: Auf einmal geht alles fix

Weil schon zu Beginn der Pandemie der steigende Bedarf für medizinische Schutzausrüstung in Deutschland nicht bedient werden konnte, entschieden sich zahlreiche Unternehmen, Masken oder Desinfektionsmittel lokal herzustellen und bauten hierfür außergewöhnlich schnell Produktionen auf.

„Wir wollten wissen: Wie klappte das innerhalb von Wochen? Und was können wir daraus für unser normales Business lernen?“, sagt Prof. Dr. Kai Hoberg, der mit weiteren Forschern der Hamburger Kühne Logistics University (KLU) eine Studie aufgesetzt und mit Mitgliedern der Geschäftsführungen, Vorstände und Produktionsleitungen in rund 40 Unternehmen gesprochen hat.

Die Interviews zeigten, dass die Motivation stimmte: es ging um soziale Verantwortung der Unternehmen, aber auch massiven Druck, finanzielle Verluste im Kerngeschäft auszugleichen und Mitarbeiter zu halten. So äußerte ein Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung in der medizinischen Industrie: „Wir haben mit der Maskenproduktion angefangen, um die Krise zu überstehen.“

Möglich wurde der verbreitete Produktionsumbau durch pragmatische Lösungen. So umgingen viele Unternehmen ihre Standardprozesse, um Zeit zu sparen. „Von Freitag bis Montag haben wir die Maske entwickelt und die Produktion geplant“, so ein Mitglied der Geschäftsführung aus der Automobilindustrie. „Montag haben wir dann mit der Produktion angefangen.“

„Auch große Unternehmen planten Produktion und neue Lieferketten teilweise nicht wie gewohnt in SAP, sondern in Excel“, berichtet KLU-Doktorandin Jasmina Müller. Zudem wurden Ressourcen kreativ genutzt: Textilunternehmen verarbeiteten beispielsweise vorhandene Stoffe zu Mund-Nasen-Masken. Chauffeure des Vorstands lieferten Desinfektionsmittel aus. Neu war auch der, angesichts geschlossener Grenzen, regionale Fokus für Beschaffung und Kooperation: „Ein Unternehmen hat die Maschine gestellt, eines das Vlies und weitere haben die Masken genäht“, fasst die Wissenschaftlerin zusammen. Nicht zuletzt wurde die Bedeutung der direkten Kommunikation deutlich. „Hierarchien wurden umgangen, CEOs kontaktierten sich direkt statt über ihre Büros oder Fachpersonal. Und Kernteams waren teilweise rund um die Uhr miteinander im Austausch“, berichtet Jasmina Müller. „Weil die Nachfrage unsicher war, änderte sich die Produktionsplanung täglich.“ Gleichzeitig wurden Teamroutinen gebrochen.

Für den Herbst haben die Forscher eine zweite Interview-Runde geplant. Dann wird es darum gehen, wie sich das neue Geschäft entwickelt hat und was die Unternehmen für die Zukunft gelernt haben.


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