Wenn sich neue Geräte für den Chirurgen daran messen lassen müssen, ob sie die Abläufe wirklich verbessern, bekommen alle Beteiligten ein wertvolles Werkzeug in die Hand. Zugleich bietet sich so die Chance, die zunehmende Komplexität im Operations- saal leichter zu beherrschen.
Mit der detaillierten Analyse chirurgischer Workflows haben Forscher vom Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS) der Universität Leipzig eine Methode ent- wickelt, den Nutzen neuer medizintechnischer Geräte auch quantitativ zu erfassen. „Die Hersteller solcher Produkte profitieren davon gleich zweimal”, erläutert Thomas Neumuth, der im ICCAS zuständig für die wissenschaftliche Methodik ist. „Einerseits lässt sich schneller bewerten, ob eine Entwicklung bedarfsgerecht ist – was das Risiko begrenzt, Geräte am Markt vorbei zu entwerfen.” Andererseits könne man so deren Nutzen viel einfacher kommunizieren, so der Wissenschaftler weiter. „Denn nun lässt sich konkret angeben, dass sich mit dem neuen Gerät eine Operation beispielsweise um 15 Minuten verkürzt – und das macht es den Verantwortlichen leicht, eine Entscheidung für oder wider den Einsatz zu fällen.”
Besonders vor dem Hintergrund der zunehmenden Technisierung im Operationssaal helfen die chirurgischen Workflows, den Überblick zu behalten. So müssen Navigationshilfen sowie die geeignete Darstellung aller im Verlauf der Operation gewonnenen Untersuchungsergebnisse gut aufeinander abgestimmt sein, damit der Chirurg die Geräte noch möglichst intuitiv handhaben kann. „In der Vergangenheit war entscheidend, die Ärzte vom Nutzen zu überzeugen”, berichtet Neumuth. „Denn nur diese konnten sagen, ob ihnen das neue Gerät Vorteile brachte oder nicht.” Häufig sei die Entwicklung deshalb zu technologiegetrieben gewesen. „Ob es einen Bedarf gab und welchen Nutzen Patient, Chirurg oder auch Krankenhausverwaltung und Krankenkassen davon hatten, blieb häufig auf der Strecke.” Mit den chirurgischen Workflows lasse sich dieser Nutzen aber nun „greifen”.
Vergleichen lässt sich der vorgeschlagene Weg mit einem Prozessleitsystem in der Industrie. Es erlaubt dem Anwender jederzeit, steuernd in die Abläufe einzugreifen. Aufgrund der Analyse der kontinuierlich gespeicherten Daten kann er eine Anlage stetig optimieren. „Einen wichtigen Unterschied zu industriellen Prozessleitsystemen gibt es aber”, betont der Leipziger Forscher. „Uns fehlt im Operationssaal die Sensorik, die erforderlichen Daten aufzunehmen.” Parallel zu einer Top-Down-Analyse, bei der die Abläufe aus einer übergeordneten Sicht in einzelne Schritte zerlegt werden, müssen die Wissenschaftler deswegen mit einem Botton-Up-Ansatz arbeiten. „Eine Möglichkeit ist es, den Operationsverlauf per Videokamera aufzunehmen.”
Nach und nach kommen die Wissenschaftler hier weiter. Medizintechnik-Hersteller können das Know-how über zahlreiche chirurgische Workflows zukünftig bei der Leipziger SWAN – Scientific Workflow Analysis GmbH erhalten, einem Spin-off-Unternehmen des ICCAS. „So kann nicht nur bedarfsorientiert entwickelt werden, sondern gleichzeitig lassen sich auch aktuelle Operationsmethoden evaluieren und der Vorteil neu entwickelter medizintechnischer Geräte gegenüber konventionellen Technologien quantifizieren”, betont Neumuth, der gleichzeitig Geschäftsführer von SWAN ist. Darüber hinaus erleichterten die so erfassten Arbeitsabläufe auch die Kommunikation zwischen Medizinern und Technikern. „Beide sprechen so die gleiche Sprache – und dieser Vorteil ist kaum überzubewerten.”
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
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