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Keine Struktur ist zu klein

Industrielle Computertomographie: Insulinpens auch innen in allen Details zu erkennen
Keine Struktur ist zu klein

Aufschneiden und reinschauen oder gleich durchleuchten? Ein Hersteller von Insulinpens wechselt zu einer neuen Messtechnologie und erhält seine Ergebnisse nun bereits nach zwei Tagen statt nach zwei Wochen.

Der Trend zur Miniaturisierung stellt die Qualitätstechnik laufend vor neue Herausforderungen – auch in der Medizintechnik. Die Toleranzen der filigraner werdenden Bauteile sind besonders eng, die Konturen für die konventionelle Messtechnik kaum noch zugänglich.

Ein typisches Beispiel sind Insulininjektoren. Damit diese sicher ihre Aufgabe erfüllen, ist eine hohe Fertigungsqualität mit entsprechenden Toleranzen unabdingbar. Vor dem Start einer Serienproduktion werden Musterteile von strengen Qualitätsspezialisten genau unter die Lupe genommen.
Als Messtechnologie bietet sich aufgrund der Bauteilgröße und der Werkstoffe – durchweg Kunststoff, eventuell auch Leichtmetall –die industrielle Computertomographie an. Ein Hersteller von Insulinpens entschied sich erstmals für diese Technologie und beauftragte den CT-Dienstleister Proplas GmbH in Dornstetten bei Freudenstadt mit der Erstellung von Erstmusterprüfberichten.
Die Hauptvorteile diese Technik lassen sich kurz zusammenfassen. Die CT arbeitet wesentlich schneller als andere Verfahren und ist daher kostengünstiger. Auch feine Bauteilstrukturen sind kein Problem, so dass die CT in vielen Fällen eine höhere Messgenauigkeit als konventionelle Methoden bietet.
„Wir haben es häufig mit Bauteilen mit bis zu dreitausend Merkmalen zu tun“, erklärt Stefan Klumpp, Geschäftsführer bei Proplas, „keine andere Technologie ist in der Lage, alle diese Merkmale mit einem Scanvorgang so zu erfassen, dass sie sich in einer Datei oder einem Koordinatensystem wiederfinden.“ Neben Konturverläufen werden dabei auch Porositäten sichtbar.
Aufgrund der Fülle an Bauteilinformationen ergibt sich eine gewisse Datenkomplexität. „Mit dieser umzugehen ist auch kein Problem“, sagt der CT-Fachmann. Das Handling großer Datenmengen sei eine Stärke der von den Dornstettenern eingesetzten Software VGStudio Max. Die aktuelle Version 2.1 des CT-Analysesystems der Volume Graphics GmbH, Heidelberg, enthält neben Funktionen für Porositäts- und Wandstärkenanalysen oder Soll-Ist-Vergleiche auch ein vollwertiges Messtechnikmodul für Längen- und Winkelmaße inklusive Form- und Lagetoleranzen. Letztere finden sich in reichlicher Zahl an den Einzelteilen der Injektoren.
So ermöglicht die Software, alle Maße, die in den Konstruktionszeichnungen angegeben sind, zu überprüfen. „Für die Erstellung von Erstmusterprüfberichten benötigen wir keine weitere Software“, betont Klumpp. Auch Zusammenbauanalysen kompletter Baugruppen lassen sich auf einfache Weise durchführen. Bedienen lässt sich die CT-Software ähnlich wie bekannte Bildverarbeitungsprogramme, mit Funktionen wie Zauberstab, Lasso und anderen Selektionswerkzeugen. „Im Unterschied zur zweidimensionalen Bildverarbeitung können wir diese Tools aber auf dreidimensionale CT-Darstellungen anwenden“, sagt der Geschäftsführer. Der Anwender sei damit in der Lage, Baugruppen freizustellen. Zusammenbauanalysen anzufertigen sei dank dieser Hilfsmittel sehr einfach.
Die CT-Anlagen bei Proplas, zwei Metrotoms der Baugrößen 800 und 1500 von Carl Zeiss, bieten eine Messunsicherheit von etwa 5 µm. Die Toleranzen der Insulinpens bewegen sich im Bereich ± 50 µm. Die Röntgendetektoren sind daher in der Lage, die Pens und ihre Einzelteile mit hohen Auflösungen abzubilden.
„Hard- und Software haben inzwischen einen Stand erreicht, der hochgenaue Messungen bei handgroßen Bauteilen erlaubt“, bekräftigt Stefan Klumpp. Die CT, so der Qualitätsspezialist weiter, stehe dabei anderen etablierten Technologien in nichts nach, „im Gegenteil“. Die teils feinen Strukturen seien für taktile Taster ohnehin nicht mehr erreichbar, und die häufig vorkommenden kleinen Federzungen für das Einrasten der Teile wichen bei Berührung aus. Auch optische Messköpfe kämen schnell an ihre Grenzen, nämlich bei hellen, kontrastarmen Materialien. Das so genannte Kupplungsstück aus dem Innern der Pens sei so ein Fall: Das über 300 Prüfmerkmale verfügende Bauteil wird aus weißem Kunststoff (POM) hergestellt.
Auch bei guten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit taktiler und optischer Verfahren hätte ein Messtechniker das Kupplungsstück drei bis viermal zerschneiden und präparieren müssen, um alle Maße zugänglich zu machen, schätzt der Proplas-Geschäftsführer. Aber Präparationen erzeugen mitunter zusätzliche Ungenauigkeiten. Hinzu kommen eventuell Umrüstarbeiten, um taktile und optische Verfahren zu kombinieren.
Die CT als zerstörungsfreie Methode ist hier dank moderner Röntgentechnologie und hochentwickelter Analysesoftware klar im Vorteil. Stefan Klumpp: „Mit Hilfe der CT liegen die Messergebnisse von Produkten wie Insulinpens bereits 48 Stunden nach der Abmusterung vor. Mit konventionellen Qualitätstechnologien würden dieselben Auswertungen zwei Wochen in Anspruch nehmen.“
Richard Läpple Fachjournalist in Tübingen

Was die CT kann
Bevor die Schwarzwälder CT-Spezialisten der Proplas GmbH die Aufgabe bekamen, die Insulininjektoren zu prüfen, musste das Messmittel beweisen, dass es der Aufgabe auch gewachsen war. So ein Nachweis wird laut Geschäftsführer Stefan Klumpp immer dann verlangt, wenn ein Hersteller auf eine neue Messtechnologie umsteigt. „Wir haben insgesamt 200 Stunden aufgewendet, um die Messmittelfähigkeit für die Überprüfung der Insulinpens nachzuweisen“, sa gt Klumpp.
Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden anschließend von einem unabhängigen Qualitätsbeauftragten statistisch ausgewertet und bestätigt. „Für unseren Auftraggeber ist damit die Tauglichkeit der CT als Messmittel ein für allemal geklärt“, resümiert der Geschäftsführer. Die Ergebnisse dienen als Referenz für kommende ähnliche Messaufgaben.
Wie auch bei anderen Messverfahren erfolgte die Überprüfung der Messmittelfähigkeit in zwei Schritten: Der erste Schritt war der Nachweis der Messunsicherheit der Anlage durch den Hersteller. Dies geschah mit Hilfe eines Prüfkörpers. Der Nachweis wird in der Regel alle drei Monate wiederholt.
Im zweiten Schritt ging es um die Messmittelfähigkeit bezogen auf die Messaufgabe. Der Nachweis erfolgte wiederum durch ein zweistufiges Messsystemanalyseverfahren (MSA-Verfahren). Im Falle der Insulinpens wurden fünf Prüfmerkmale von einem Messtechniker fünfzig mal mit VGStudio MAX gemessen und ausgewertet (MSA-Verfahren 1). Anschließend nahmen drei Techniker nacheinander jeweils zwei Messungen an sechzehn Bauteilen mit derselben Software vor. Dieser Schritt dient zur Prüfung des Umgebungs- bzw. Anwendereinflusses (MSA-Verfahren 2). Die Anzahl der Prüfmerkmale, Personen und Bauteile kann grundsätzlich variieren.

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