Herr Koblenzer, welche Erfahrungen machen Sie dieser Tage in Projekten zur Reinigung von 3D-gedruckten Bauteilen?
Bei den 3D-Druck-Verfahren haben wir in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung gesehen. Nun nutzen viele die hinzugewonnenen Möglichkeiten in der Produktion, spannende neue Produkte entstehen – auch in der Medizintechnik. Allerdings bedeuten die komplexen Strukturen, die sich nun fertigen lassen, dass auch die Reinigung eine Entwicklung durchlaufen muss und wir uns nicht einfach auf etablierte Verfahren verlassen können, die für die spanende Bearbeitung optimiert wurden. Aktuell scheint das manche Hersteller zu überraschen. Wobei die gute Nachricht ist, dass wir Lösungen finden. Bis dahin muss man aber eine Reihe von Fragen beantworten.
Was macht die Reinigung der Teile aus dem 3D-Druck so komplex?
Wir haben es beim 3D-Druck oft mit Strukturen zu tun, die schwammartig porös sind. Diese Eigenschaft ist für Implantate sehr erwünscht, da sie das Einwachsen in den Knochen erleichtert. Für die Reinigung bedeutet das aber, dass es zum Beispiel Pulverrückstände an Stellen gibt, zu denen wir keine Sichtlinie haben. Dann stellt sich die Frage, ob es dort Rückstände gibt und falls ja, wie viel davon vorhanden ist. Im nächsten Schritt ist zu klären, ob diese stören und daher entfernt werden müssen. Und falls ja, müssen wir den geeigneten Weg dafür finden. Was lässt sich durch Schütteln oder Vibration entfernen? Was durch eine Reinigungsanlage? Wichtig ist aber auch die Frage, was denn die unerwünschten Partikel überhaupt an die unzugängliche Stelle bringt und ob sich der entsprechende Schritt in der Fertigung nicht anders gestalten lässt, um erst gar keine Verschmutzung entstehen zu lassen. Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Bearbeitung der additiv gefertigten Bauteile: Auch Öle oder Kühlschmierstoffe vom Zerspanen, Schleifen oder Bohren können in einer komplexen Struktur an unzugängliche Stellen gelangen und müssen entfernt werden – wenn man nicht verhindern kann, dass sie an diese Stellen kommen.
Wie aufwendig ist es, dafür geeignete Verfahren zu entwickeln?
Das ist auf jeden Fall machbar – am besten dann, wenn man von Anfang an die Reinigung, Validierung und Anforderungen mit bedenkt, die FDA oder MDR an den Nachweis der Sauberkeit stellen. Das ist grundsätzlich nichts Neues. Wir haben vor knapp zehn Jahren schon nach Möglichkeiten gesucht, Grenzwerte zu definieren und zu bestimmen, welche Rückstände entfernt werden müssen. Damals für Teile, die klassisch gefertigt wurden. Jetzt müssen wir die gleichen Überlegungen für Teile mit komplexeren Strukturen anstellen. Dabei zeigt sich, dass es etwa eine Handvoll Kategorien gibt, denen wir Bauteile aus dem 3D-Druck zuordnen können und an die wir dann ein geeignetes Reinigungsverfahren anpassen.
Was erleichtert die Reinigung?
Da gibt es verschiedene Ansätze. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, in die Konstruktion eines porösen Bereiches Öffnungen zu integrieren, die später bei der Reinigung helfen. Auch eine Vorreinigung mit Pfeifenputzerdraht kann helfen. In einem anderen Projekt waren von Anfang an zerlegbare Testkörper vorgesehen, deren Geometrie genau der der geplanten Produkte entsprach. So war schnell zu sehen, welche Verunreinigungen wo im Inneren auftraten, und wir konnten das Verfahren anpassen. Auch der Nachweis, dass die Reinigung erfolgreich ist, lässt sich mit solchen Testkörpern gut erbringen.
Wie wichtig sind das Herstellverfahren und das Post Processing?
Auch die Druckerhersteller sind meines Erachtens angesprochen: Im Herstellverfahren entstehen ja nicht nur die gewünschten Strukturen. Die Hitze, die das Pulver aufschmilzt, lässt auch Partikel rundherum anschmelzen, die an der Oberfläche anhaften. Zu fest, um sie durch Reinigung zu entfernen. Aber sie halten auch nicht dauerhaft, sondern können sich lösen. Es wäre gut, die Verfahren so zu optimieren, dass sich solche Effekte vermeiden lassen. Darüber hinaus gibt es inzwischen Unternehmen, die sich intensiv mit dem Post Processing befassen und durch Rütteln und Vibrationen viele Pulververunreinigungen entfernen können.
Wann lässt sich kein validierbares Reinigungsverfahren finden?
Diesen Fall hatten wir tatsächlich noch nicht. Allerdings dauert die Suche um so länger, je weniger Gedanken sich die Entwickler im Vorfeld zum Thema Reinigung gemacht haben. Es kommt immer mal wieder vor, dass wir in sehr erstaunte Gesichter schauen, weil niemand mit dem zusätzlichen Aufwand gerechnet hat.
Norm ISO/ASTM 52920: Neues zum Qualitätsmanagement in der additiven Fertigung
Gibt es Kombinationen von Werkstoff und Verfahren, die für die Reinigung besonders knifflig sind?
Das kann man pauschal nicht sagen, da sich in jeder denkbaren Kombination beliebig komplexe und schwierig zu reinigende Teile herstellen lassen. Allerdings sind Bauteile aus Kunststoffpulver meist schwieriger anzugehen. Bei der Reinigung spielen physikalische Faktoren eine Rolle, wie die Temperatur. Und Bauteile aus Kunststoff nehmen beim Reinigen kaum Wärme auf, was uns nicht gerade hilft. Umgekehrt sind Metallpulver-Rückstände abrasiv. Aber das kann man in der Anlagenkonzeption berücksichtigen.
Lassen sich Erfahrungen anderer Branchen auf die Medizintechnik übertragen?
Jede Branche ist einzigartig. Dennoch lohnt es sich, auch auf den Motorsport oder die Hochvakuumtechnik zu schauen, ebenso wie auf die Raumfahrt. Dort werden bereits additiv gefertigte Teile eingesetzt, und es müssen Reinigungslösungen für hohe Anforderungen gefunden werden. Die eine oder andere Lösung hilft uns da auch für Projekte aus der Medizintechnik.
Standards für das Regulatorische beim 3D-Druck in der Medizin sind schon in Arbeit
Welche Perspektiven sehen Sie für die Reinigung 3D-gedruckter Bauteile?
Die additive Fertigung wird im Markt derzeit schnell wichtiger. Wir müssen uns also intensiv mit dem Thema befassen. Ich bin überzeugt, dass wir das mit der Betrachtung des Gesamtprozesses bald so gut im Griff haben, dass wir wieder von so etwas wie Standardverfahren sprechen können.
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