Individuelle Prothesen | „Wir verwenden unglaublich viel Energie, um unsere Fehler zu verstecken. Warum eigentlich?“, fragte sich Clemens Rieth und entwarf eine Prothese, die sich definitiv nicht verstecken muss. Gefertigt wurde sie mit einem 3D-Drucker.
Die meisten Prothesen sind so unauffällig wie möglich gestaltet und imitieren in ihrem Aussehen das menschliche Vorbild. Dass das nicht das Maß aller Dinge sein muss, zeigte der Industriedesigner Clemens Rieth mit seiner Abschlussarbeit: Der Absolvent der Hochschule Pforzheim entwarf eine Unterschenkelprothese, die durch ihr außergewöhnliches Design Blicke auf sich zieht, anstatt sie zu meiden. „Selbstbewusstsein basiert nicht auf Perfektion, sondern gründet sich auf Akzeptanz“, stellt der 25-Jährige fest und erklärt so den Grundgedanken hinter dem Design.
Aber nicht nur die Formgebung – mit Fraktalen anstelle einer geschlossenen Außenhaut – ist innovativ, sondern auch die Technik hinter dem Unterschenkelersatz. Zusammen mit dem Produktentwickler Jannis Breuninger entstand am Fraunhofer IPA in Stuttgart ein erster Prototyp. Dieser kombiniert einen Kohlefaser-Fuß mit einem lasergesintertem Bauteil aus dem 3D-Drucker. Damit ist der Prototyp nach Angaben der Entwickler sogar kostengünstiger als konventionelle Prothesen.
Bei seiner Recherche für das Projekt fiel dem Absolventen der Hochschule Pforzheim nämlich auf, dass das Krankenkassenbudget gerade mal für ein schlichtes Modell reicht, denn allein herkömmliche Prothesen kosten bereits zwischen 2000 und 3000 Euro. Der Preis einer individuell gestalteten Prothese nach seinen Vorstellungen hätte sogar doppelt so viel betragen.
Dass sich die Kosten der zusammen mit dem IPA gefertigten Prothese auf gerade mal 500 Euro belaufen, ist nur ein Vorteil des 3D-Drucks. Darüber hinaus lässt sich jede Prothese individuell anpassen. Die Außenhaut ist zu Fraktalen aufgebrochen und gibt somit den Blick auf das Innenleben frei. Die Fraktale können beliebig getauscht und farblich gestaltet werden.
Forschung trifft frisches Design
„Mir kam es darauf an, dass der Entwurf nachher umsetzbar ist und getragen werden kann“, sagt Clemens Rieth. Um seinen Entwurf auf die mechanische Belastbarkeit zu prüfen, wurden Gehen und Laufen am Computer simuliert und daraus die auftretenden Kräfte ermittelt. Der Kohlefaser-Fuß, den Jannis Breuninger entwickelte, verhält sich wie eine Feder und soll das Gehen so besonders dynamisch machen.
Bis sich der 3D-Druck vollständig auf dem Gebiet der Prothetik etabliert und im alltäglichen Handwerk angewendet wird, dauert es sicher noch eine Weile. Eines lässt sich jedoch schon jetzt sagen: Die Entwickler haben gezeigt, wie die Fortschritte im Bereich der generativen Fertigung Raum für frische Ideen schaffen. Und dass sich Funktionalität und Formschönheit nicht ausschließen müssen. (as)
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