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Krankenhaus Rating Report: Kurzfristig höhere Erträge, langfristig große Herausforderungen
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Dr. Boris Augurzky leitet den Kompetenzbereich „Gesundheit“ am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und ist Autor des Krankenhaus Rating Reports
Der Krankenhaus Rating Report 2015 bringt es an den Tag: Mindestens 30 % der Kliniken in Deutschland machen 2013 Verluste. Dennoch prognostiziert der Autor Dr. Boris Augurzky für die nächsten drei Jahre positive Aussichten: Das Krankenhausstrukturgesetz spült neues Geld in die Kassen.

Herr Dr. Augurzky, nach dem Krankenhaus Rating Report 2015 hat sich die Insolvenzwahrscheinlichkeit deutscher Krankenhäuser im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht. Wie ist es Ihrer Meinung nach derzeit um die deutsche Krankenhauslandschaft bestellt?

Nach unseren Analysen ging es den Krankenhäusern in den vergangenen Jahren immer schlechter. Ein Ergebnis des aktuellen Rating Reports ist, dass 2013 mindestens 30 Prozent aller deutschen Krankenhäuser Verluste verzeichnet haben. Und so ist die Situation wohl auch heute noch. Aber durch das jüngst beschlossene Krankenhausstrukturgesetz wird sich das ändern. Der Gesetzgeber will die Krankenhäuser verstärkt finanziell unterstützen, sodass ich davon ausgehe, dass sich ab 2016 die Lage der Klinken wieder spürbar verbessert.
Profitieren dann auch die Medizintechnikhersteller von der verbesserten Finanzsituation der Kliniken?
Nicht direkt. Es gibt aber beispielweise einen Zuschuss für die Pflegepersonalkosten und viele kleinere Zuschläge. Dadurch verbessert sich generell die finanzielle Situation der Krankenhäuser. Wenn die Kliniken dann wieder mehr investieren, könnten auch die Hersteller profitieren.
Und wie wird sich die Lage der Kliniken in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Die nächsten drei Jahre werden sicher gut. Doch in den zwanziger Jahren bekommen wir das Problem des demographischen Wandels deutlich zu spüren: immer weniger Beitragszahler und immer mehr Patienten. Damit laufen wir automatisch in große Finanzierungsengpässe bei den Krankenkassen. Wir hören ja jetzt schon, dass die Krankenkassen die Beitragssätze erhöhen müssen. Das wird sich in den nächsten Jahren verstärken. Und dann bekommen auch die Krankenhäuser wieder massive Probleme.
Was sind die Gründe für die hohe Insolvenzgefahr in den Kliniken?
Typischerweise wachsen in den Krankenhäusern ohne Gegenmaßnahmen die Kosten stärker als die Erlöse. Auch wenn die Patientenzahlen steigen, und damit auch die Erlöse, reicht es oft nicht aus, damit auch das Kostenwachstum der Kliniken zu decken. Die Krankenhäuser müssen also regelmäßig deutlich produktiver arbeiten.
Was können die Klinken dagegen unternehmen?
Da gibt es meiner Meinung nach zwei wichtige Punkte: Erstens sind Krankenhausstrukturen zu optimieren, das heißt Kapazitäten zu bündeln und lokale Netzwerke zu bilden. Beispielsweise könnten größere Verbünde auch Medizintechnik günstiger einkaufen. Das ließe sich in Ballungsgebieten einfacher realisieren, denn hier sind die Krankenhäuser ja relativ nah beieinander. In den ländlicheren Regionen wird das natürlich schwieriger. Zweitens sollte – gerade in den ländlichen Regionen – die Versorgung sektorenübergreifend dargestellt werden. Heute haben wir eine Grenze zwischen ambulant und stationär. Das funktioniert aus Patientensicht an den Schnittstellen nicht besonders gut. Ein Angebot von stationärer und ambulanter Versorgung aus einer Hand wäre sehr sinnvoll. Sinnvoll wäre auch eine Steuerungsfunktion als Angebot an die Patienten, damit sie die für sie beste Behandlung bekommen.
Welche Kliniken sind von einer Insolvenzgefahr besonders betroffen?
Vor allem kommunale Kliniken leiden häufiger unter Defiziten. Aber auch die privaten und freigemeinnützigen Kliniken haben sich verschlechtert. Besonders betroffen sind dabei die Grundversorger, denen es wirtschaftlich schlechter geht als den Spezialisten. Krankenhäuserverbünde stehen meist besser da als die Solisten. Am besten aufgestellt sind private Klinikketten. Zwar müssen sie auch Einbußen hinnehmen, aber sie machen dennoch Gewinne und können investieren.
Nach welchen Kriterien wird die wirtschaftliche Lage eines Krankenhauses beurteilt?
Natürlich schauen wir uns die Geschäftsberichte der Kliniken an, ob sie Verluste oder Gewinne machen. Das lässt sich am einfachsten transportieren. Was uns aber viel mehr interessiert ist, wie nachhaltig die wirtschaftliche Lage eigentlich ist, denn ob Gewinn oder Verlust, das kann sich ja jedes Jahr ändern. Wir schauen neben der Ertragslage, ob es Eigenkapital gibt und wie liquide das Haus ist. Nach unserer Untersuchung ist die Hälfte der Kliniken, die jährlich Verluste einfahren, tatsächlich im roten Bereich, das heißt, sie haben eine hohe Insolvenzgefahr.
Welche Möglichkeiten hat dann ein Krankenhaus?
Mit einem Defizit kann ein Krankenhaus ein paar Jahre überleben, bevor es endgültig schließen muss. Oder es findet Jemanden, der dieses Defizit übernimmt. Das ist häufig bei kommunalen Krankenhäusern so. Dann hat der Landkreis die Aufgabe, dieses Defizit auszugleichen. Aber es gibt trotzdem immer wieder Fälle, wo ein Krankenhaus geschlossen wird, wie beispielsweise zurzeit ein 60-Bettenhaus im Landkreis Ludwigsburg. Dort soll stattdessen ein ambulantes Zentrum entstehen. Aber die Schließung kann gut mehrere Monate bis zu einem Jahr dauern.
Wie teuer ist solch eine Schließung und wer übernimmt die Kosten?
Die Kosten zur Schließung einer Klinik entsprechen mindestens einem Jahresumsatz. Gehen wir also von einem durchschnittlichen Krankenhaus mit rund 40 Millionen Euro Umsatz aus, dann kostet die Schließung, die sich über einen längeren Zeitraum hinziehen kann, mindestens 40 Millionen Euro. Wir schlagen für die Abwicklung der Schließungen eine Art „Bad Bank“ vor. Das würde die Krankenhausträger entlasten und die Hürde, ein Krankenhaus wirklich zu schließen, reduzieren. Eine Schließung ist meist keine Gefahr für die Versorgungssicherheit der betroffenen Bevölkerung, weil wir eine große Klinikdichte in Deutschland haben. Wichtig ist aber die Frage, ob ein wirtschaftlich angeschlagenes Krankenhaus dauerhaft gute medizinische Qualität liefern kann.
Was bedeutet „Bad Bank“?
Der Begriff kommt aus der Bankenwelt und wäre eine Weiterentwicklung des vom Gesetzgeber geplanten Strukturfonds: Krankenhausträger, die einen Standort schließen möchten, übergeben diesen an die Bad Bank. Diese übernimmt dann die Abwicklung sowie die damit zusammenhängenden sämtlichen Kosten. Der Fonds sollte aus Bundesmitteln gespeist werden und unabhängig von den Ländern agieren können.
Weitere Informationen Zum Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI): www.rwi-essen.de Der Krankenhaus Rating Report 2015 kann beim Verlag medhochzwei bestellt werden: www.medhochzwei-verlag.de
30 % der Kliniken machen Verluste, die Hälfte davon ist insolvenzgefährdet

Ihr Stichwort
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