Hilfestellung | Eine noch relativ neue Klasse von Kombinationsprodukten entsteht durch medizinische Apps. Bei deren Zulassung gibt es viele Grauzonen.
Wenn der Arzt oder der Patient mit der Software die Therapie von Arzneimitteln steuert, dann ist auch dies ein Kombinationsprodukt“, sagt Peer Schmidt, Senior Manager CMC QA, Global Quality Assurance beim Biopharma-Unternehmen Abbvie. „Insofern werden wir in den kommenden Jahren sicher eine Menge neuer Kombinationsprodukte sehen.“
Gesundheits-Apps sind ein rasant wachsender Markt. Die Anwendungen für Smartphones und Tablets geben Gesundheitsempfehlungen, helfen bei der Dosierung von Arzneimitteln und werten Fitness-Daten aus. Oft ist Entwicklern und Anwendern aber nicht klar, ob es sich dabei einfach um Lifestyle-Anwendungen etwa für Fitnessdaten handelt, oder ob bereits eine Medical App vorliegt, für die die weitergehenden Regularien für Medizinprodukte hinsichtlich Sicherheit, Verkehrsfähigkeit und Überwachung gelten.
Um Entwicklern Orientierung bei den Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps zu geben, wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu einer zentralen Anlaufstelle für App-Entwickler in Deutschland weiterentwickelt. Es soll Herstellern bei der Zulassung von „Medical Apps“ beratend zur Seite stehen.
Prof. Dr. Karl Broich, Präsident des BfArM: „Medical Apps können eine wertvolle Hilfe sein, wenn es um Gesundheit und Fitness geht. Vielen Entwicklern ist aber nicht bewusst, dass es sich bei diesen Apps um Medizinprodukte handeln kann, für die mit Blick auf den Patientenschutz besondere gesetzliche Regelungen gelten. Deswegen wollen wir mehr Klarheit bei Herstellern und Anwendern schaffen.“
So unterstützt die „Orientierungshilfe Medical Apps“ Entwickler bei der Frage, ob ihr Produkt dem Geltungsbereich des Medizinproduktegesetzes (MPG) und den entsprechenden Verordnungen unterliegt. Gleichzeitig gibt sie auch erste Hinweise, was in diesem Fall zu beachten ist. Damit ist die BfArM-Orientierungshilfe ein wichtiger Beitrag für eine fundierte erste Abschätzung durch den Hersteller. Darüber hinaus kann das BfArM Hersteller bei Abgrenzungs- beziehungsweise Risikoklassifizierungs-Entscheidungen unterstützen.
Das Johner Institut nennt als Beispiele für Apps, die als Medizinprodukte zu klassifizieren sind:
- Apps, die ein Zubehör oder eine Erweiterung eines Medizinproduktes sind, in dem sie diese direkt ansteuern (zum Beispiel eine Blutdruckmessung starten) oder Werte beispielsweise eines Monitoring-Systems „remote“ anzeigen,
- Apps, die zu einer Erweiterung der Plattform gehören oder diese ansteuern, beispielsweise, um eine Blutzuckermesseinheit, die man ans Mobiltelefon andockt, zu starten oder deren Werte auszulesen, zu berechnen und anzuzeigen,
- Apps, die Berechnungen oder Analysen für individuelle Patienten durchführen, wie beispielsweise Software für die Analyse oder Verarbeitung radiologischer Bilder,
- Apps, die Medikamentendosen berechnen oder Wechselwirkungen identifizieren, sowie
- Apps, die der Diagnostik von radiologischen Bildern dienen.
Im Graubereich und – damit einzeln zu bewerten – sind laut Johner-Institut:
- Apps, die die Patienten unterstützen, ihren Alltag als Patient zu meistern, zum Beispiel um die regelmäßige Einnahme von Medikamenten zu sicherzustellen,
- Apps, mit denen Patienten ihre Werte dokumentieren und verfolgen wie Blutdruck, Schmerzen oder andere Routinetätigkeiten,
- Apps, die den Patienten für sie spezifische Informationen für ihre Krankheit zur Verfügung stellen,
- Apps, mit denen Patienten mit ihren Ärzten kommunizieren können,
- Apps, die den Zugriff auf klinische Informationssysteme erlauben sowie
- Apps, die einfache Berechnungen wie einen BMI durchführen. ■
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