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6G: Ein Ausblick auf 2030, auch für die Medizin

Mobilkommunikation
6G soll Erwartungen erfüllen, die 5G geweckt hat

Noch laufen die Experimente zu möglichen Anwendungen von 5G, doch Forscher sind schon einen Schritt weiter. Damit der Arzt wirklich aus der Ferne operieren kann, braucht er die Leistungsfähigkeit von 6G, sagt Experte Dr. Ivan Ndip vom Fraunhofer IZM. Bis 2030 wird man aber auf 6G noch warten müssen.

Olga Putsykina
Fraunhhofer IZM, Berlin

Der Startschuss für die nächste Generation der Mobilkommunikation ist gefallen: Ein Terabit Daten, also 1000 Gigabit, sollen damit innerhalb einer Sekunde übertragen werden. Damit schafft 6G, die sechste Generation der Mobilkommunikation, das 50fache dessen, was die vorhergehende leistet. Bei der aktuellen Einführung von 5G geht es schließlich darum, „nur“ eine Datenrate von bis zu 20 Gigabit/s verfügbar zu machen. Auch bei der Latenzzeit bringt die neue Generation 6G einen Riesenschritt voran: Die Latenz soll dann nicht mehr 1 ms betragen, das ambitionierte Ziel sind 100 µs – trotz der höheren Datenrate. Auch bei der Anzahl der angeschlossenen Geräte pro Quadratkilometer und der Energieeffizienz werden Vorteile erwartet, ohne diese jetzt schon quantifizieren zu können.

Von den Möglichkeiten bei 6G können Viele profitieren

Auf alle Fälle zeichnet sich ab, dass von solchen technischen Möglichkeiten Viele profitieren würden: Industrie 4.0, Medizin, Autonomes Fahren, Smart City und Entertainment. In der Telemedizin beispielsweise werden bereits mit 5G Projekte umgesetzt, in denen der operierende Arzt nicht mehr vor Ort ist. „Die maximale Datenrate und Latenz, die mit 5G einhergehen, schränken die Möglichkeiten bislang noch ein“, sagt Dr.-Ing. Dr.-Ing. habil. Ivan Ndip, Experte für Antennen und Hochfrequenz-Systeme am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin.

Beim Operieren auf Distanz führen Roboter die Eingriffe durch, während der Arzt räumlich weit entfernt sein kann und die Geräte steuert. Hierfür benutzt er einen ultrahochauflösenden Bildschirm oder ein Mixed-Reality-Headset. Diese zeigen ihm mit Hilfe von 3D-Hologrammen, was im Inneren des Körpers passiert – wobei feinste Details erkennbar sein müssen. „Dafür müssen Daten in Echtzeit und unkomprimiert mit einer Übertragungsrate von mehreren Hundert Gigabit bis über ein Terabit pro Sekunde mit einer Latenz von weniger als einer Millisekunde übertragen werden“, sagt Ndip. „Das schafft 5G auf keinen Fall!“

6G: interessant für tragbare medizinische Sensoren

Nach Ansicht des Forschers werde 6G kommen, um die Erwartungen zu erfüllen, die mit 5G geweckt wurden. 6G werde auch die Entwicklungen hochminiaturisierter, tragbarer medizinischer Sensoren voranbringen. In Kleidung integrierte sowie implantierbare Sensoren, die eine kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter von gesunden und kranken Menschen realisieren können, sollen damit machbar sein. Werden die Sensoren über ein so genanntes 6G Terahertz Body Area Network miteinander vernetzt, landen die Vitalparameter mit geringer Verzögerung bei Ärzten zur medizinischen Fernüberwachung.

Ein weiterer Ansatz: Der Bandbreitenvorteil des Terahertz-Bandes kann mit Methoden der künstlichen Intelligenz kombiniert werden. Das bietet sich zum Beispiel für digitale Zwillinge an, mit denen sich die Realität in einer virtuellen Welt ohne zeitliche oder räumliche Einschränkungen überwachen, simulieren und analysieren lässt. Dies wird laut Ndip in der Industrie 4.0, der Automobilindustrie, der Medizin, der Bildung und der Unterhaltung erhebliche Auswirkungen haben. „Man kann also davon ausgehen, dass 6G-Anwendungen unser Leben, unsere Gesellschaft und die Wirtschaft vollständig und auf eine Weise verändern werden, wie es die Menschheit noch nie zuvor gesehen hat“, sagt der Forscher.

6G: erst 2030, bis dahin zählt noch 5G

Allerdings ist das alles noch kein Thema für die nächsten Jahre: 6G soll voraussichtlich 2030 eingeführt werden. Derzeit gibt es noch viele offene Fragen, zum Beispiel zur Hardwareentwicklung für die Mobilkommunikation über 100 GHz. „Erwartet wird, dass das D-Band von 0,11 Tera-Hertz bis 0,17 Tera-Hertz verwendet wird“, erläutert der Experte für Antennen und Hochfrequenz-Systeme. Da solche Frequenzen noch nie für die Mobilkommunikation genutzt wurden, befasse sich die Forschungs- und Entwicklungs-Community jetzt schon mit Software- und Hardwarefragen bis zu den Anwendungen. Ungefähr fünf Jahre vor der Einführung würden dann die Spezifikationen festgelegt, und Versuche könnten folgen.

Systeme für 6G können sehr klein gebaut werden

Je höher die Frequenzen, desto kleiner sind laut Ndip aber auch die Komponenten. „Das heißt, wir werden in der Lage sein, sehr kleine Systeme für 6G zu bauen.“ Solche miniaturisierten 6G-Systeme können in bestehende Geräte oder Maschinen integriert werden und Upgrades einführen, ohne die Ästhetik oder den Formfaktor der Geräte wesentlich zu verändern. Infolgedessen könnten sich unzählige neue Anwendungen ergeben. „Dies könnte zu einer Explosion an neuen Geschäftsmodellen führen“, sag Ndip. Weil das alles noch so lange hin ist, hat die aktuelle, noch längst nicht überall eingeführte Mobilfunk-Generation 5G für eine ganze Weile erst einmal ihre Berechtigung.

Forschung an 6G läuft

Im Hintergrund laufen derweil die Vorbereitungen für 6G auf Hochtouren. So wurde beispielsweise der Innovationscampus Elektronik und Mikrosensorik Cottbus ins Leben gerufen, in dem die Fraunhofer-Gesellschaft mit der BTU Cottbus-Senftenberg und zwei Leibniz-Instituten an Vernetzungstechnologien und Sensorik von morgen forscht.

Vollständige Lösungen für 6G gibt es noch nicht, aber neue Konzepte werden untersucht: Zuerst muss laut Ndip die enorme Freiraumdämpfung überwunden werden. „Dafür müssen wir Mehrantennen-Architekturen mit hunderten Antennen pro Mobilfunk-Basisstation aufbauen, so genannte massive Multiple-Input-Multiple-Output-Architekturen, kurz Mimo. Wir müssen klären, wie viele Grundelemente davon wir aufbauen und wie wir diese zusammenschalten, so dass schlussendlich lange Übertragungen, sehr gute Strahlformung und geringer Energieverbrauch möglich sind.“ Darüber hinaus dürfen Störungen welcher Art auch immer das elektromagnetische Signal nicht einschränken.

An neuen Systemarchitekturen arbeitet auch das Fraunhofer IZM. Das Projekt 6GKom – das erste vom BMBF geförderte Projekt zur Entwicklung von 6G-Terahertz-Modulen – läuft seit Oktober 2019. Das Fraunhofer IZM hat inzwischen bereits Hochfrequenz-Systemintegrationslösungen zur Realisierung von Modulen für 6G patentiert.


Kontakt zum Fraunhofer IZM:

Dr.-Ing. Dr.-Ing. habil. Ivan Ndip
Abteilungsleiter
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
Gustav-Meyer-Allee 25
13355 Berlin
E-Mail: Ivan.Ndip@izm.fraunhofer.de

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