Einen medizinischen Klebstoff, der so selektiv ist, dass er nur an dem Material klebt, aus dem Nierensteine bestehen, haben Forscher vom Fraunhofer IFAM in Bremen entwickelt. Ihre Idee für die medizinische Anwendung: Mit dem Klebstoff sollen sich auch solche Fragmente von Nierensteinen entfernen lassen, die bisher nach dem Zertrümmern mit den verfügbaren Instrumenten nicht aus der Niere entnommen werden können.
Das Problem: Kleinere Trümmer, wie sie bei der endoskopischen Laser- oder der Stoßwellentherapie entstehen, sind sie zu klein, als dass ein Greifer sie aufnehmen könnte. Wissenschaftliche Veröffentlichungen weisen aber darauf hin, dass verbleibende Restfragmente die Ursache erneuter Steinbildungen sein können. Und allein in Deutschland mit über einer Million jährlichen Behandlungsfällen im Bereich der Nierensteinerkrankungen werden solche endoskopischen Behandlungen bei vielen Tausend Patienten durchgeführt. Der Wunsch von Urologen, diese auch von kleinen Steintrümmern befreien zu können, rückt nun wegen des neuartigen Nierensteinklebstoffes in „greifbare“ Nähe.
Klebstoff mit herkömmlichen Instrumenten kompatibel
Der Vorteil des medizinischen Klebstoffes, der im Projekt Medinik entwickelt wurde, liegt darin, dass er zusammen mit den herkömmlichen Instrumenten bei endoskopischen Verfahren eingesetzt werden kann. Zugeführt wird er während der Operation mit einem Endoskop, über die Harnwege. Restfragmente verklebt er zu Konglomeraten, die so groß sind, dass sie mit den üblichen Fanginstrumenten entfernt werden können.
Aber das eigentliche Know-how steckt in der Entwicklung des Klebstoffes selbst. Seine Adhäsion ist so selektiv, dass er weder an den verwendeten medizinischen Instrumenten noch an dem Nierengewebe haftet, sondern nur die Steinfragmente verklebt. „Das polymerisierte und elastische Klebstoffgel ist über die Endoskop-Kamera sehr gut sichtbar und gibt dem behandelnden Urologen Hinweise auf mögliche Klebstoffreste“, erklärt Ingenieur Manfred Peschka, der den Klebstoff zusammen mit dem promovierten Biologen Ingo Grunwald entwickelt hat.
Beide sind erfahrene und langjährige Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen und haben im Dezember 2017 gemeinsam die Purenum GmbH gegründet. Mit der nun abgeschlossenen ersten Finanzierungsrunde ist nach Meinung der Gründer ein guter Zeitpunkt gekommen, um an die Öffentlichkeit zu gehen. An der Finanzierung beteiligen sich unter anderem der High-Tech Gründerfond (HTGF) und die BAB Beteiligungs- und Managementgesellschaft Bremen – eine 100%ige Tochter der Bremer Aufbau-Bank (BAB).
Neben der Zulassung und Vermarktung des neuen Verfahrens zur Nierensteinentfernung mithilfe eines biokompatiblen Klebstoffes, sehen die beiden Unternehmer zahlreiche Potenziale zum Einsatz weiterer Klebstoffe in der Medizintechnik. Kontakte zu qualifizierten Forschungspartnern und Anwendern in der Klinik sowie wissenschaftlicher Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien die richtigen Bausteine für eine gesunde Zukunft ihre Unternehmens, meinen Peschka und Grunwald. (op)
Das Fraunhofer IFAM entwickelt seit 50 Jahren Klebstoffe, die in allen technischen Branchen zur Anwendung kommen. Besonders anspruchsvoll ist die Entwicklung biomimetischer Klebstoffe für die Medizintechnik.