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Tests für ein effizienteres Krankenhaus

Hospital Engineering Labor: Neue Konzepte und neue Technik ausprobieren
Tests für ein effizienteres Krankenhaus

Tests für ein effizienteres Krankenhaus
Was im Krankenhaus nicht direkt mit Versorgung oder Pflege des Patienten zu tun hat, wird im Duisburger Hospital Engineering Labor auf den Prüfstand gestellt Bild: Fraunhofer ISST
Wie Technik Kosten senken und zu einer entspannten Atmosphäre beitragen kann, wird im Modellkrankenhaus, dem Hospital Engineering Labor in Duisburg, untersucht. Etwa 80 Mediziner, Ingenieure und Unternehmen arbeiten hier zusammen.

Das In-Haus II in Duisburg ist ein lichter Bau mit viel Glas und hellen, freundlichen Räumen. Doch es ist weniger die Architektur, die es zu etwas Besonderem macht, sondern die Tatsache, dass hier knapp 80 Kooperationspartner zusammenarbeiten, um das Krankenhaus ein Stück weit neu zu erfinden. Der dritte Stock des In-Hauses II ist wie ein kleines Krankenhaus ausgestattet, mit Empfang, Untersuchungszimmer, Operationssaal oder einem Reha-Raum. Hier wird aber nicht operiert, sondern im Detail analysiert, wie sich die Abläufe im Krankenhaus mit Hilfe moderner Technik umfassend effizienter gestalten lassen. Hospital Engineering Labor heißt diese Experimentier-Umgebung, die im vergangenen Jahr von der Fraunhofer-Gesellschaft eröffnet wurde. Das Labor steht Ärzten, Logistik- oder Medizingeräteherstellern offen, die hier in enger Zusammenarbeit neue Technologien im realen Setting eines Krankenhauses auf Praxistauglichkeit hin testen.

Der Bedarf ist groß, denn obwohl sich die Kliniken in Deutschland seit einigen Jahren bemühen, durch Rationalisierung Kosten einzusparen, schreiben viele rote Zahlen. Die Defizite durch Einsparungen beim Personal auszugleichen, hat sich in vielen Fällen als Sackgasse erwiesen; zum Einen, weil sich die fehlenden Summen allein dadurch nicht immer ausgleichen lassen, zum Anderen, weil sich der Druck auf das Personal noch weiter erhöht.
Die Lösung besteht darin, die Prozesse in Krankenhäusern rundzuerneuern. „Unser Ziel ist, den Rahmen um die Kernaufgabe des Krankenhauses, die Behandlung und Therapie, herum neu zu gestalten“, sagt der Leiter des Hospital Engineering Labors, Dr. Thomas Königsmann. „Es geht darum, den Arbeits- und Zeitaufwand insbesondere bei nicht-medizinischen Aufgaben in der Versorgung oder der Pflege des Patienten, wie etwa bei der Dokumentation, erheblich zu verringern und zugleich eine entspannte Atmosphäre für Patienten und Angestellte zu schaffen.“
Das Hospital Engineering Labor sei auch eine Art Think-Tank, in dem Ingenieure, Mediziner und Softwareentwickler zusammenarbeiten. „Es ist wichtig, über den Tellerrand zu schauen, um eine Antwort zu finden, damit keine Insellösung entsteht“, sagt Dr. Holger Sauer, Kooperationspartner des Labors und Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Schmerztherapie am Klinikum Westfalen in Lünen. „Ich habe im Krankenhaus schon viele interessante Technologien gesehen, die den Heldentod gestorben sind, weil niemand sie benutzt hat, weil sie letztlich kein Teil eines vernetzten Ganzen waren.“
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit soll solche Insellösungen verhindern. Die Technik müsse alle Beteiligten mitnehmen, die Pfleger, die Ärzte und auch die Patienten. Sauer arbeitet seit gut vier Jahren für seine Klinik am „Angstfreien Operationssaal“, einem lange unterschätzten Thema, das erst seit Kurzem Aufmerksamkeit erfährt. „Doch bislang fehlte es an guten Gesamtlösungen“, sagt er.
Angst im Operationssaal lässt sich durch patientengerechte Information abbauen, durch Videotafeln, auf denen der Patient mit seinem Namen begrüßt und mit Informationen zum bevorstehenden Eingriff versorgt wird, über bewegte Bilder oder Videos. Solche Konzepte spielen die Kooperationspartner in Duisburg durch. Doch die Idee geht weiter: Das Videoportal ließe sich an das Krankenhaus-Informationssystem anschließen, in dem die Patientendaten gespeichert sind. Über dasselbe System werden in Duisburg Patientendaten für die Visite auf kleinen Monitoren am Bett des Patienten dargestellt. Zudem kann der Patient über denselben Monitor Essen bestellen. Dieses durchgehende Informationsmanagement beginnt schon bei der Aufnahme des Patienten. Am Empfang füllt der Patient mit einem digitalen Stift auf einem Bildschirm Formulare handschriftlich aus, so wie er es gewohnt ist. Die handschriftlichen Daten werden dann automatisch digitalisiert. Das zeitraubende Abtippen entfällt.
Welche Technologien im Hospital Engineering Labor getestet werden, hängt vor allem von den Kooperationspartnern ab. Medizingerätehersteller und andere Unternehmen können das Labor als Plattform für eigene Ideen nutzen. So ist im vergangenen Jahr beispielsweise in Kooperation zweier Hersteller eine Duschwanne entstanden, die registriert, wenn ein Patient stürzt und zugleich eine Warnmeldung an das Alarmsystem schickt.
Im Labor wird zudem der Einsatz von Funketiketten, RFID-Chips, getestet. So werden sowohl Patienten als auch Pflegekräfte mit Funkarmbändern ausgestattet. Bei der Vergabe von Medikamenten registriert das System automatisch, welche Pflegekraft welchem Patienten was verabreicht hat. Und natürlich werden auch die Medikamenten-Packungen registriert.
In Zusammenarbeit mit der Charité wird darüber hinaus ein neues Kathetersystem für Blutransfusionen getestet, bei dem der Katheter mit einem RFID-Chip versehen ist. Das Besondere ist, dass direkt am Katheter ein Probenröhrchen für die Blutentnahme sitzt, das dieselbe RFID-Kennung trägt. Der Arzt benötigt also kein separates Röhrchen, sondern entnimmt das Blut direkt aus dem Katheter-Probenröhrchen. Dessen RFID-Kennung wird bei der Vergabe einer Blutkonserve im Labor eingelesen und mit den Patientendaten abgeglichen. Am Krankenbett wiederum gleicht das System über Funk die Kennungen der Blutkonserve mit denen am Katheter ab. So sind Verwechslungen ausgeschlossen.
Viel Zeit geht in Kliniken durch den Transport von Blut- oder Gewebeproben, von Medikamenten oder Präparaten verloren. Seit einigen Jahren sind daher Rohrpostsysteme en vogue, die ebenfalls im Duisburger InHaus verbaut wurden. „Eine solche Rohrpost erspart zahllose Wege“, sagt Claus von der Decken, Marketingchef beim Rohrposthersteller Swisslog Healthcare in Westerstede. „In großen Kliniken kommt man pro Tag auf mehr als 1000 Transportgänge, bei einer Dauer von drei bis zehn Minuten pro Weg geht viel Arbeitszeit verloren.“ Die Rohrpost braucht hingegen nur Sekunden. Keime werden in speziellen Reinigungsstation aus den Behältern entfernt. Luftschleusen verhindern, dass Krankheitserreger via Rohrpost von Raum zu Raum gelangen. Auch in der Rohrpost sind die Behälter mit RFID markiert, um die Fracht sicher dem Patienten zuordnen zu können.
„Wir sind davon überzeugt, dass durch moderne Technik unterstütztes, entspanntes Arbeiten letztlich auch dem Patienten zugute kommt, weil sich die Situation positiv auf die Leistungsfähigkeit der Mediziner und des Pflegepersonals auswirkt“, sagt Königsmann. „In den vergangenen Monaten wurden bei uns viele Konzepte ausgearbeitet, jetzt kommt die Phase der Prototypenentwicklung.“
Das Hospital Engineering Labor ist als Projekt mit rund 20 Partnern gestartet. Am 28. August findet die Abschlussveranstaltung mit einer ROI/Innovations- und Investitionsbewertung statt. Anschließend soll das Projekt in der Hospital Engineering Initiative weitergeführt werden. Diese steht weiteren Kooperationspartnern offen – insbesondere auch Medizingeräteherstellern, die bisher noch in vergleichsweise geringer Zahl vertreten sind. Der Gewinn solcher Projekte ist für den Mediziner Holger Sauer klar: „Welche Optimierungsmöglichkeiten es im Klinikalltag gibt, wird einem erst bewusst, wenn man mit vielen anderen Spezialisten zusammenarbeitet.“
Tim Schröder Fachjournalist in Oldenburg
Weitere Informationen Über das Hospital Engineering Labor: www.hospital-engineering.org
Interessante Technologien sollen nicht den Heldentod sterben

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