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Labor im Beutel beherbergt Stammzellen

Biotechnologie
Labor im Beutel beherbergt Stammzellen

Forscher entwickeln ein All-in-One-System in Form eines transparenten Beutels, in dem sich Stammzellen kostengünstig, schnell und steril kultivieren, differenzieren und einfrieren lassen.

Weltweit suchen Wissenschaftler nach Wegen, Krankheiten mit Stammzellen zu heilen. Diese bieten das Potenzial, neuartige Wirkstoffe und Medikamente zu entwickeln. Stammzellmaterial bildet auch die Grundlage, wenn es darum geht, Krankheiten in einer Weise zu erforschen, wie es bisher nicht möglich war. Um aussagekräftige und übertragbare Forschungsergebnisse zu erzielen, muss das zu untersuchende Zellmaterial vermehrt werden. Außerdem zeigen neueste Untersuchungen, dass dreidimensionale Zellmodelle die Bedingungen im menschlichen Körper viel besser widerspiegeln. Die Erzeugung dieser Zellaggregate erfolgt vor allem unter sterilen Bedingungen in tropfenförmigen Nährlösungen.

3D-Aggregate aus Pluripotente Stammzellen

Künftig lässt sich dieser Prozess kostengünstig und sicher realisieren: Im Projekt Labbag haben die Fraunhofer-Institute für Biomedizinische Technik IBMT, für Schicht- und Oberflächentechnik IST und für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV ihre Kompetenzen gebündelt und ein Minilabor in Form eines Kunststoffbeutels entwickelt. Darin lassen sich humane induziert pluripotente Stammzellen, also künstlich hergestellte Stammzellen, in einer sterilen Umgebung sowohl kultivieren als auch zu 3D-Aggregaten formen. Diese können als patienten- oder krankheitsspezifische Testsysteme für die Medikamentenentwicklung und Wirkstoffforschung der Pharmaindustrie verwendet werden.

Einfach schütteln statt manuell pipettieren

Bislang werden Zellaggregate aus Stammzellen mit Hilfe von Pipettierrobotern oder durch manuelles Pipettieren erzeugt, was mit einem hohen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden ist. Das manuelle Pipettieren in Petrischalen erfordert viel Übung, hinzu kommt die Gefahr der Kontamination. Das „Labor im Beutel“ der Fraunhofer-Forscher soll die Labor- und Sachkosten verringern, aber auch die Zellausbeute und die Prozesssicherheit deutlich steigern. Innerhalb weniger Sekunden lassen sich durch einfaches Schütteln des transparenten Beutels mehrere hundert hängende Tropfen erzeugen, die die Funktion von Mini-Bioreaktoren übernehmen. Die Nährlösungstropfen entwickeln sich quasi selbstständig als hängende Tropfen, in denen sich die Zellaggregate ausbilden können.

Eine spezielle Beschichtung macht es möglich

Zunächst wird die Nährlösung mit den Stammzellen in den Beutel eingefüllt. Dieser wird einmal umgedreht und dann wieder in die Ausgangslage gebracht. Bei diesem Vorgang bleiben die Tropfen an hydrophilen runden Spots hängen. Die Zellen sinken in die Rundung der Tropfen, wo sie sich miteinander verbinden und zu einem definierten 3D-Aggregat verschmelzen. „Wir haben die Beutelwand aus Polymerfolie zweifach beschichtet. Eine hydrophobe, wasserabweisende Grundschicht sorgt dafür, dass die proteinhaltige Nährlösung über die Fläche fließt und nicht anhaftet. Die 150 hydrophilen Spots mit jeweils einem Durchmesser von fünf Millimetern hingegen bewirken, dass die Tropfen hängen bleiben. Durch diese zweite Beschichtung in Form von runden Spots werden also die Tropfen ausgebildet“, erläutert Dr. Michael Thomas, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IST. Der Clou: Die entstandenen Zellmodelle lassen sich sogar im Beutel einfrieren. Anders als beim manuellen Pipettieren entfällt das Umfüllen in ein separates Kryogefäß.

Hochwertige 3D-Zellmodelle in 72 Stunden

Durch Variieren des Spotdurchmessers auf der Beuteloberfläche lässt sich die Aggregatgröße einstellen, um so gezielt das biologische Portfolio zu erweitern. Derzeit benötigen die Forscher für die Herstellung der Aggregate im hängenden Tropfen etwa 72 Stunden. „Wir bezeichnen unseren Labbag-Beutel als Mini-GMP-Labor. Da es sich um ein geschlossenes, steriles System handelt, fällt die Kontaminationsgefahr sehr gering aus. Letztendlich können wir bessere Zellmodelle für die Medikamentenforschung erzeugen, insofern lassen sich auch Tierversuche vermeiden“, betont Dr. Julia Neubauer, Biologin am Fraunhofer IBMT. Geplant ist, Sensoren zur Prozessüberwachung zu integrieren.

Da der Labbag sich günstig produzieren lässt, sei er eine attraktive Alternative zu den herkömmlichen Ansätzen. Ein Prototyp des zum Patent angemeldeten Einwegbeutels wird vom 13. bis 16. November auf der Messe Medica in Düsseldorf am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 10, an Stand G05/H04) vorgestellt.

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