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Mehr Grundlagen für die personalisierte Medizin

Personalisierte Medizin
Für eine gesündere Zukunft setzt Europa auf Zellen

Eine Million für ein Jahr stellt die EU bereit, um die Möglichkeiten und den Forschungsbedarf für eine personalisierte Medizin auszuloten, die sich stärker am individuellen Körper und den Zellen orientiert. Ohne digitale Techniken wird es aber nicht gehen.

Die Zellen des menschlichen Körpers verändern sich ständig, wachsen, teilen sich, übernehmen neue Aufgaben, sterben ab. Doch welcher Wandel gehört zur gesunden Entwicklung und welcher führt zu Erkrankungen? Das will eine neue Länder und Disziplinen überschreitende Initiative führender europäischer Forscher ergründen. Koordiniert wird das Konsortium mit dem Namen „Life Time“, dem 1 Mio. Euro zur Verfügung steht, vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin und dem Institut Curie in Paris. Mit diesen Mitteln der Europäischen Union soll ein Plan entstehen, wie sich die Grundlagen für die Präzisionsmedizin von morgen schaffen lassen.

Wenn eine 58-jährige Patientin über typische Symptome eines Herzinfarktes klagt, gibt es heute nur eine Option für sie. Mediziner suchen mit einem Herzkatheter nach verschlossenen oder verengten Gefäßen und therapieren dann nach Lehrbuch. In Zukunft könnte das Vorgehen anders aussehen: Eine winzige Probe an der Stelle des Infarkts wird entnommen und daraufhin untersucht, welche Bereiche des Erbgutes in einzelnen Zellen gerade aktiv sind. So lassen sich Zellverbände identifizieren, die sich entzünden und die Folgen des Infarkts entweder heilen oder zusätzlichen Schaden anrichten können.

Entscheidend dafür, ob sich das Zukunftsszenario umsetzen lässt, ist die Entwicklung innovativer Technologien, mit denen sich nicht nur ganze Gruppen von Zellen, sondern tatsächlich einzelne Zellen analysieren lassen. Anhand der Ergebnisse lässt sich dann eine therapeutische Strategie festlegen.

Daten aus tragbaren Kleincomputern, so genannten Wearables, und Mobiltelefonen sind nicht in der Lage, die Daten für die beschriebene Präzisionsmedizin zu liefern. Gefordert ist vielmehr das Wissen, wie sich einzelne Zellen in unserem Körper im Laufe der Zeit „normalerweise“ verändern.

Organoide und Einzelzellen werden untersucht

Die Life-Time-Forschungsteams kombinieren in ihrem Projekt neue Technologien und treiben deren Entwicklung in Europa voran. In der Petrischale gezüchtete menschliche Mini-Organe, so genannte Organoide, oder auch die Methoden der Einzelzell-Biologie spielen dabei eine Rolle.

Die Organoide stammen aus den Stammzellen der Patientinnen und Patienten und ermöglichen, personalisierte Krankheitsmodelle zu erstellen. In Kombination mit der „Gen-Schere“ Crispr und modernen bildgebenden Verfahren wollen die Wissenschaftler mit diesen Modellen erforschen, wie Zellen gesund bleiben oder krank werden und wie sie auf Arzneimittel reagieren.

Die Experimente – in Hochdurchsatzverfahren durchgeführt – erzeugen riesige Datenmengen. Zur Analyse sind Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz erforderlich. Die rechnergestützten Strategien erkennen Muster im Wandel der Zellen und sagen voraus, ob sich zum Beispiel eine Krankheit abzeichnet oder wie die Krankheit verlaufen wird.

Gemeinsam mit mathematischen Modellen, die erlauben, die Vergangenheit der Zellen zu konstruieren, kann so der Weg von gesunder zu kranker Zelle sichtbar gemacht werden. Die Forscher fahnden zudem nach geeigneten Schaltstellen, um krankmachende Veränderungen rückgängig zu machen oder sogar zu verhindern.

Die Initiative vereinigt nicht nur Forscher aus Biologie, Physik, Informatik, Mathematik und Medizin, sondern bindet auch Experten aus Disziplinen wie Sozialwissenschaft, Ethik und Ökonomie ein. Eine öffentliche Befragung soll die Anliegen der Bevölkerung bereits zu Beginn der Initiative erheben und ausloten, wie Life Time den Bedürfnissen der Gesellschaft Europas gerecht werden kann.

Fachleute erwarten
Auswirkungen auf die Industrie

Es wird erwartet, dass die Ergebnisse bedeutende Auswirkungen auf die Pharmaindustrie, Biotechnologie, die datenverarbeitende Industrie und weitere Sektoren haben. Um welche Krankheiten es bei der Life-Time-Initiative gehen wird, steht noch nicht fest. „Das Schicksal
der Bevölkerung Europas wird durch viele verschiedene Krankheiten bestimmt. Im ersten Jahr wollen wir unter anderem prüfen, für welche Krankheiten sich unsere Herangehensweise am besten eignet“, sagt Geneviève Almouzni, die Ko-Koordinatorin der Initiative, Forschungsdirektorin am CNRS und von 2013 bis 2018 Direktorin am Institut Curie in Paris. „Wir gehen davon aus, dass Krebserkrankungen dazu gehören könnten, aber auch Herzerkrankungen, Leiden
des Nervensystems, oder andere Krankheiten.“ (op)

Als Auftakt findet am 6. und 7. Mai 2019 eine Konferenz in Berlin statt.


Über die Fördermaßnahme

Das Life-Time-Konsortium wird von der EU zunächst für ein Jahr gefördert. In dieser Zeit entsteht ein detaillierter Plan für eine zehnjährige Forschungsinitiative.

Maßgeblich beteiligt sind die beiden größten europäischen Forschungsorganisationen, die deutsche Helmholtz-Gemeinschaft und das französische Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS). Mehr als 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an 53 Forschungsinstituten aus insgesamt 18 europäischen Ländern sowie 60 Unternehmen unterstützen Life Time.

Die Europäische Union wird parallel die Vorbereitung fünf weiterer potenzieller Forschungsinitiativen unterstützen. Nach einem Jahr Förderung wird die EU entscheiden, ob und welche als großangelegte Forschungsinitiativen weitergeführt werden können.

https://lifetime-fetflagship.eu

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