Um bei einer Operation in der Präzisionschirurgie entscheiden zu können, wie der OP-Roboter die Schnitte setzten soll, muss der Chirurg die Grenzen der Tumore auch mit vergleichbarer Präzision erkennen können. Operationsroboter wie das in Ilmenau von der Industrie entwickelte Avatera-System erreichen beim Schneiden von Körpergewebe eine Genauigkeit von bis zu 0,1 Millimeter. In der Krebschirurgie jedoch nur theoretisch: Die derzeit zum Erkennen der Tumorgrenze verwendete weißlichtbild-gestützte Videoendoskopie ist so ungenau, dass in bis zu 30 % der Fälle der Tumor nicht vollständig entfernt wird. Die Folge: Schlechtere Heilungs- und Überlebenschancen der Patienten.
Das Forschungsprojekt „Sensorisierte Chirurgie“ unter der Führung des Universitätsklinikums Jena strebt mit einer Kombination von biophotonisch messender und haptisch „ertastender“ Sensorik, moderner Bildgebung und Künstlicher Intelligenz eine Krebschirurgie an, die Patienten verbesserte Genesungschancen verspricht und gleichzeitig die Arbeit der Ärzte vereinfacht.
OP-Roboter beweist sich in der Klinik – mögliche Alternative zu Davinci
Chirurg erhält optisches und tastbares Feedback
Während der Operation wird das Körpergewebe mit neuen physikalischen Methoden optisch und mechanisch „ausgemessen“. Hochsensible Sensoren analysieren das Gewebe in Echtzeit nicht nur bildlich, sondern auch haptisch. Der Chirurg erhält also neben dem optischen auch ein direktes tastbares Feedback über die Beschaffenheit des Tumors.
Ergeben die optische und die mechanische Analyse voneinander abweichende Daten, werden die entsprechenden Zonen dem Chirurgen auf einem Bildschirm dargestellt. So kann er die verschiedenen Risikoszenarien miteinander vergleichen. Das hilft ihm, eine Entscheidung über sein weiteres Vorgehen bei der Operation zu treffen.
Zusätzliche Informationen, die für den jeweiligen Operationsschritt notwendig sind, können zudem mithilfe von Augmented Reality auf dem Bildschirm eingeblendet werden. So kann der Chirurg zum Beispiel den betrachteten Tumorbereich mit den Ampelfarben rot, gelb, grün versehen, die diesen unmittelbar als bösartig, unsicher oder gutartig einstufen.
Chirurg kann mit einem OP-Roboter der neuen Art exakter arbeiten
Im Teilprojekt der TU Ilmenau entwickelt Hartmut Witte, Professor für Biomechatronik, die mechanische Analyse zur haptischen Darstellung von Tumorgewebe. Er ist sich sicher, dass die Kombination verschiedener Technologien die Behandlung von Krebstumoren wesentlich verbessern wird.
„Chirurgie ist auch ein Handwerk“, sagt er. Um das Operationsgebiet beurteilen zu können, sei es für den Arzt wichtig, gleichzeitig zu sehen und zu tasten. „Aber bei der Roboterchirurgie gibt es Stellen, die für ihn mit den Fingern nicht zu erfühlen sind. Wir geben dem Chirurgen jetzt die Möglichkeit, die Objekte mit beiden Sinnesorganen, den Augen und den Händen, zu erfassen, und das sogar mit größter technischer Schärfe.“ Auf diese Weise könne er, so wie er es von der klassischen Chirurgie gewohnt sei, anhand dessen, was er sieht und tastet, seine ganze Erfahrung einsetzen. „Und das ist für den Erfolg einer Operation immer das Wichtigste. Denn trotz aller Technik – die letzte Entscheidung trifft immer der Mensch.“
Das Forschungsverbundprojekt „Sensorisierte Chirurgie“ bekommt von der Carl-Zeiss-Stiftung für die nächsten sechs Jahre 5 Mio. Euro Euro an Fördermitteln, von denen die TU Ilmenau 800 000 Euro erhält.
Kontakt:
TU Ilmenau
Prof. Hartmut Witte
Leiter Fachgebiet Biomechatronik
E-Mail: hartmut.witte@tu-ilmenau.de