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Schrittweise automatisiert bei unwirtlichen Bedingungen

Labor der Zukunft: Technik für teil- oder vollautomatisierte Lösungen verfügbar
Schrittweise automatisiert bei unwirtlichen Bedingungen

Im Alltag haben Geräte wie Smartphones, die immer intelligenter werden, ganz selbstverständlich ihren Platz gefunden. Auch die Arbeit im Labor wird zukünftig von solchen Techniken profitieren, die Schritt für Schritt neue Möglichkeiten eröffnen.

Um Automatisierung und Mobilität auch im Labor zu nutzen, muss das Rad nicht neu erfunden werden. Robotersysteme, intelligente Technik oder auch Softwaresysteme lassen sich aus anderen Branchen übertragen. „Oft geht es darum, vorhandene Technologien für unsere speziellen Ansprüche zu modifizieren: Wir arbeiten im Labor häufig mit hohen oder extrem niedrigen Temperaturen, hoher Luftfeuchtigkeit und unter Sterilbedingungen – allesamt Gegner hochpräziser mechanischer Systeme“, erläutert Daniel Schmitt von der Abteilung Labor- und Informationstechnologie des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik IBMT in St. Ingbert. Das IBMT ist Initiator und Mitglied des Vereins Labor der Zukunft, der das Entwickeln und Standardisieren innovativer Labortechnologien ideell und beratend unterstützt. Zu seinen interdisziplinären Mitgliedern zählen auch fachfremde Unternehmen.

Doch nicht die komplexe Mechanik sei laut Schmitt die große Herausforderung, sondern die Elektronik und Informationstechnologie. Schließlich gehe es darum, eine auf den ersten Blick einfache Handlung – wie das Pipettieren oder Sortieren – 1:1 in einen automatisierten Prozess umzusetzen.
Dr. Anke Schultz und Dr. Anja Germann von der Hauptabteilung für Zellbiologie und Angewandte Virologie des Fraunhofer IBMT haben diese Erfahrung schon gemacht. Sie realisierten gemeinsam mit internationalen Partnern ein vollautomatisches System zur Zellkultur und Produktion von HIV-Pseudoviren. Sie mussten äußerst komplexe manuelle, sich über mehrere Tage hinziehende Prozesse in sinnvolle Einheiten und Prozessschritte zerlegen. „Die Herausforderung bestand darin, diese Einzelschritte auf die Automatisierungshardware zu übertragen und die Abfolge über eine Software zu programmieren“, erklären die Wissenschaftlerinnen. „So benötigen wir einen Zeitplan, damit der Roboter die Zellkulturen vollautomatisch zum richtigen Zeitpunkt behandelt. Zudem muss der Roboter jederzeit und an allen Stationen erkennen, welche Probe er nehmen soll – dazu brauchten wir intelligente Etiketten und die dazu passende Sensorik.“
Lohn der jahrelangen Arbeit ist heute ein automatisches System, das 24 Stunden am Tag arbeitet und durch Überschneidung und Parallelisierung von Arbeitsgängen die Zeit effektiver nutzt. Die automatisierte Produktion von HIV-Pseudoviren mit ihrem System ist unter dem Qualitätsmanagementsystem GCLP (Good Clinical Laboratory Practice) komplett validiert. Schließlich macht so ein System nur Sinn, wenn es genauso gut oder sogar besser arbeitet als eine Fachkraft.
Die Automatisierung garantiert eine gleichbleibende Qualität der Pseudoviren und damit vergleichbares Ausgangsmaterial für Studien. „Fehler passieren mehrheitlich in der präanalytischen Phase“, betont Daniel Schmitt. „Hier für standardisierte Qualität zu sorgen, heißt ein solides Fundament für Forschungsarbeiten zu schaffen.“
Zur Qualitätssicherung tragen auch die „intelligenten Probenröhrchen“ bei. Informationen über Zellkulturen und Proben heften heute als Barcode an den Röhrchen. Technologisch sinnvoller wären hier nach Auskunft der Forscher RFID-Etiketten, analog denen aus der Warenlogistik, die automatisch und berührungslos erkannt werden. Der Vorteil: Sie können auch im Dunkeln, aus großer Entfernung und zu Tausenden gleichzeitig ausgelesen werden. Das garantiert bei jeder einzelnen Probe eine sichere Identifikation wie auch Qualitätskontrolle.
Einen Schritt weiter geht die Verwendung elektronischer Speicher direkt in oder an den Proben. Diese Mikrochips sind natürlich wesentlich teurer als einfache Etiketten. Ihr Einsatz lohnt sich vor allem bei wertvollen Proben, zum Beispiel in einer Biobank.
Es sind also viele Lösungsansätze, die zur Automatisierung führen. Dabei geht es nicht immer um eine Vollautomatisierung. Es kommt darauf an, in welchem Bereich die Labore tätig sind, merkt Schmitt an: „Diagnostiklabore stehen zum Beispiel unter hohem Wettbewerbs- und damit Kostendruck. Dementsprechend werden sie immer größer und haben einen immer höheren Durchsatz. Das funktioniert nur mit einem entsprechend hohen Automatisierungsgrad.“ Doch es gebe noch viele andere Anwendungsfelder mit ganz anderen Anforderungen. Unersetzbar ist menschliches Können zum Beispiel in der Produktion von Biopharmazeutika – Arzneistoffen, die mit Hilfe der Biotechnologie und gentechnisch veränderter Organismen hergestellt werden. „Hier starten wir mit einem wesentlich niedrigeren Automationsgrad“, sagt Schmitt und warnt vor falschen Vorstellungen. „Zum einen ist der Grad an Automatisierung abhängig vom Anwendungsszenario. Zum anderen befinden wir uns in einer Übergangsphase: Bestehende Prozesse sollen ja Schritt für Schritt automatisiert werden. Es ist daher unabdingbar, die Kombination von Mensch und Maschine zuzulassen und einzuplanen.“
Und solch flexible Systeme werden nicht nur gebraucht, sondern bereits angeboten. Ein gutes Beispiel dafür ist das System Samplify der Nevolab GmbH aus Maierhöfen im Allgäu. Das kleine, modular aufgebaute Multifunktionsgerät bewegt sich im Preissegment hochwertiger automatischer Analysewaagen. Damit wird es für kleine und mittlere Arbeitsgruppen wie Forschungslabore interessant. Für sie wären ganze Workstations zu groß, zu teuer und für die sich ständig ändernden Anforderungen zu unflexibel.
Der 4 kg leichte Samplify arbeitet mit allen gängigen Racks und beherrscht Laboraufgaben wie Liquid Handling, also das Dosieren, Pipettieren und Herstellen von Stammlösungen, und das „Cherry-Picking“: die Auswahl bestimmter Substanzen aus einem Rack und deren Neuzusammenstellung in einem oder zwei Racks.
Durch seine modulare Bauweise können weitere Geräte, wie Schüttler, integriert werden. Zudem lässt er sich mit Hilfe der mitgelieferten Software nach eigenen Wünschen programmieren, und eigene Aufgabenabläufe können – wie in einer App auf dem Tablet-PC – abgespeichert werden. Zum anderen kann das Gerät auf komplexere Systeme hochskaliert werden, bis hin zur Einbindung in Prozesse mit RFID-Etiketten und der Integration in Labor-Informations- und Management-Systeme. So gibt es eben viele Wege, Automation, Qualitätssicherung und Arbeitserleichterung in den Laboralltag zu bringen.
Anke Biester Fachjournalistin in Aichstetten
Flexible Systeme für Forscher und Kleinunternehmen

Labor der Zukunft
Der Verein Labor der Zukunft wurde am 3. Februar 2014 gegründet. Entwickelt hat er sich aus einer Technologieinitiative des Fraunhofer IBMT in St. Ingbert im Saarland mit gleichem Namen. Diese wurde 2010 gegründet, von der saarländischen Landesregierung gefördert und mündete in dem Verein. Stand zu Beginn die Zusammenarbeit mit saarländischen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaftim Fokus, sind inzwischen deutschlandweit Unternehmen aus Medizin- und Labortechnik hinzugekommen, und der Verein ist international bekannt. Er unterstützt ideell sowie beratend die nachhaltige und unabhängige Entwicklung und Standardisierung moderner Labortechnologien. Bisherige Schwerpunkte sind neben der Automatisierung auch die Mobilität und Logistik. So beweist sich quasi als Flaggschiff der Initiative das mobile epiLabor im Alltagseinsatz für die Umweltprobenbank des Bundes und als medizinisches Impfmobil.
Auf lange Sicht soll eine Art Prüflabel entstehen, das Gesamtsysteme bekommen, die auf die Einhaltung vorhandener Normen und für besondere Einsatzgebiete getestet werden. Mittelfristig soll aus dem Verein ein Industrieverband entstehen. http://labor-der-zukunft.org

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