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Schichtkombination für gut einwachsende Implantate

Thermisches Spritzen: Implantate werden direkt und stabil im Knochengewebe verankert
Schichtkombination für gut einwachsende Implantate

Damit ein Implantat vom umgebenden Knochen akzeptiert wird, hilft eine Schichtkombination aus Titan und Kalziumphosphat. Morphologie und Kornverteilung der Spritzpulver in Abstimmung mit der Beschichtungstechnik sichern die Qualität und Reproduzierbarkeit dieser thermisch gespritzten Schichten.

Implantate für den Gelenkersatz werden seit über 100 Jahren eingesetzt. Permanent ist die Forschung seither auf der Suche nach der optimalen Prothesenvariante. Die Implantate müssen biokompatibel, korrosionsbeständig und lasttragend sein. Waren die ersten Hüftprothesen aus Elfenbein gefertigt, ging man in den fünfziger Jahren zum Stahl über.

Zum Verankern der Prothese im Knochen wurde und wird auch heute noch Knochenzement verwendet. Versuche mit Implantaten aus künstlich hergestelltem Knochenmaterial scheiterten an der geringen mechanischen Stabilität der verwendbaren Kalziumphosphate. Die thermische Spritztechnik ermöglichte Mitte der 80er Jahre metallische Gelenke mit einer Beschichtung aus Kalziumphosphat in der Variante Hydroxylapatit (HA) zementlos zu implantieren. Der Fremdkörper im Knochengewebe wurde praktisch unter einer Tarnkappe versteckt.
Das war zweifelslos ein Meilenstein, da diese Beschichtung den stoffschlüssigen Verbund zwischen Implantat und Knochen ermöglicht und ein direktes Verwachsen der Knochenzellen mit der Implantatoberfläche erzwingt. Dies erzeugt eine langzeitstabile Verankerung, denn im Vergleich zur zementierten Fixation reduzieren die beschichteten Prothesen signifikant die Gefahr einer späteren Lockerung im Knochenbett – eine Ursache für unerwünschte Revisionsoperationen. Knochenzellen verankern sich in diesen so strukturierten Oberflächen, deren Rauheit und Offenporigkeit im Bereich von 80 bis 400 µm liegt. Die Kerbempfindlichkeit der Titan-Legierungen, aus denen die meisten Implantate hergestellt werden, verbietet jedoch ein so starkes Aufrauen des Prothesenkörpers selbst, beispielsweise durch Sandstrahlen.
Titan, als besonders biokompatibler Schichtwerkstoff unter Vakuum auf die Prothesen abgeschieden, erzeugt aus diesem oxidationsempfindlichen Metall die haftfeste, duktile, chemisch reine und in der Struktur den Knochenzellen angepassten Oberfläche, wobei sich ihre Morphologie aus der Feinabstimmung des Spritzpulvers und der Plasmastrahl-Energie ergibt. Mit geeigneten Pulverkörnungen wird auf die nur leicht sandgestrahlte Prothesenoberfläche zunächst eine dichte Titan-Haftschicht gespritzt, gefolgt von einer sehr rauen Titan-Struktur mit einer dünnen HA-Deckschicht. Diese Schichtkombination bietet den Knochenzellen den idealen Freiraum zum Einwachsen, ohne dass die Dauerstabilität des Implantates beeinträchtigt wird. Die optimale Oberflächenstruktur der Beschichtung wird dabei für jeden Implantattyp und -werkstoff der Beschaffenheit des jeweils umgebenden Knochens angepasst.
Im breiten Anwendungsspektrum des thermischen Spritzens ist die Medizintechnik ein eher exotischer Vertreter. Kaum vorstellbar, dass für die Beschichtung riesiger Walzen der Papierindustrie, wertvoller Turbinenbauteile und winziger Fingerimplantate das gleiche Verfahren eingesetzt wird. Für den Menschen im Alltag sind beschichtete Prothesen aber ein wichtiges Thema. Weltweit leiden etwa 10 bis 20 % aller Menschen, die älter sind als 65 Jahre, an Gelenkarthrose und benötigen einen Gelenkersatz, vor allem Hüft- oder Knieimplantate, um eine schmerzfreie Beweglichkeit wieder herzustellen.
Das vor 25 Jahren von Dr. Heiko Gruner gegründete Unternehmen Medicoat AG mit Sitz im schweizerischen Mägenwil beschäftigte sich von Anfang an mit der Beschichtung von Prothesen und der dafür benötigten Anlagentechnik. Heute werden jährlich über 120 000 Teile für die Unternehmen der Medizintechnik veredelt, welche weltweit die Kliniken mit den verschiedensten Prothesentypen beliefern. Auch Implantate aus Kunststoff (PEEK) werden heute beschichtet und erfolgreich verwendet. In diesem sensiblen Tätigkeitsfeld kommt es auf absolute Qualität, Sauberkeit und Wirksamkeit an. Dabei ist die Beschaffenheit des Spritzpulvers entscheidend für reproduzierbare Eigenschaften der thermisch gespritzten Schichten.
Das verwendete Pulver wird von der Tochtergesellschaft Medicoat France hergestellt und gehört zum Know-how-Paket dieser anspruchsvollen Anwendung der thermischen Spritztechnik. Darauf bauen auch die Beschichtungsanlagen, welche Medicoat ebenfalls selber fertigt und vertreibt, jeweils abgestimmt auf die technischen Anforderungen der Anwender.
Philipp Gruner Medicoat, Mägenwil/Schweiz
Weitere Informationen Zum Beschichtungsverfahren, zum Spritzpulver und zu den Maschinen: www.medicoat.ch

Auszeichnung für die Beschichtung keramischer Implantate

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Im klinischen Stand der Technik werden keramische Gleitflächen für Hüftgelenke nur in Kombination mit metallischen Schalen verwendet, welche knochenseitig die „osseointegrative“ Beschichtung für das Einwachsen der Zellen tragen. Der Keramikeinsatz ist für den geringen Verschleiß der Gleitpaarung verantwortlich. Ein Nachteil dieser modularen Systeme aus Metall und Keramik ist die relativ große Wanddicke der kompletten Hüftpfanne. Eine Alternative sind die direkt implantierbaren keramischen Hüftpfannen und Kniegelenkteile, die von der Ceramtec GmbH, Plochingen, hergestellt und von Medicoat knochenseitig mit einer fest haftenden Titanbeschichtung versehen werden, auf Wunsch auch mit der zusätzlichen HA-Schicht.
Der verwendete Beschichtungsprozess konnte ohne kritische Änderungen im Gesamtablauf für Keramiken angepasst werden, was die Umsetzung in der Serienproduktion vereinfacht. Im vergangenen Jahr erhielt die Beschichtung auf keramischen
Implantaten vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) die Auszeichnung „Die Oberfläche 2014“. Mit diesem Preis werden jährlich die innovativsten Anwendungen und Technologien der Oberflächentechnik geehrt.

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  • Vakuum-Plasma-Spritzverfahren
  • Schichtkombination aus Titan und Kalziumphosphat
  • Beschichtung von Prothesen aus PEEK und Keramik
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