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Profilwalztechnik: mit passenden Werkzeugen zum Chirurgieinstrument

Profilwalztechnik
Richtige Haptik für Griffzonen am Chirurgieinstrument

Hochpräzise gerändelte Griffbereiche für chirurgische Werkzeuge lassen sich spanlos per Profilwalztechnik herstellen. Das Verfahren ermöglicht eine gleichbleibende Haptik und sehr gute Optik. Rollwerkzeuge von Emuge-Franken tragen entscheidend dazu bei.

Jörg Teichgräber
Emuge-Franken, Lauf

Das Fingerspitzengefühl der Chirurgen ist legendär. Das gilt auch dann, wenn der Mediziner sein Werkzeug in die Hand nimmt. Kleinste Unterschiede bei den Griffdurchmessern würde der Chirurg sofort bemerken. Und: „Wenn die Griffe nicht ordentlich ausgeformt sind und die Sauberkeit nicht stimmt, ist die Haptik eine andere“, ergänzt Tobias
Kuolt, Geschäftsführer der Paul Kuolt Feinmechanik GmbH & Co. KG in Deilingen. Das Unternehmen, das sein Vater Paul Kuolt 1978 gründete, ist auf solche Anforderungen spezialisiert und bietet als Lohnfertiger zum Beispiel das Rändeln der Oberfläche im Griffbereich chirurgischer Werkzeuge an.

Werkzeuge für das Fertigen von Chirurgeinstrumenten

Rändeln? Das ist ein Verfahren, dass über die Medizintechnik hinaus wohl eher weniger bekannt ist. Beim Profilwalzen, wozu auch das Rändelwalzen zählt, entsteht eine Profilkontur dadurch, dass Material verdrängt wird – also durch Kaltmassivumformung und damit spanlos. Dabei wird das Negativprofil der Walzen als Positiv auf dem Werkstück abgebildet.

Für jede Gewindeart, Gewindegröße, Rändel oder Verzahnung, die so hergestellt wird, ist ein eigenes Werkzeugpaar erforderlich. Der Umfang des Rollwerkzeugs muss dabei ein Vielfaches des Werkstücks sein. „Da die Abwicklung wieder zueinander passen muss, benötige ich zum Beispiel bei verschiedenen Gewindedurchmessern trotz gleicher Gewindesteigung stets ein separates Rollenpaar.“ Damit lassen sich Kerb- und Schrägverzahnungen ebenso herstellen wie Schnecken und natürlich Gewinde – über die Kuolt sagt: „Das ist unser Hauptgeschäft.“

Rändeln: Verfahren mit Potenzial rund um Tuttlingen

Doch sein Unternehmen ist an der Südwest-Alb in Deilingen ansässig, das zum Landkreis Tuttlingen gehört. Diese Region erreicht die weltweit wohl höchste Dichte an Herstellern chirurgischer Instrumente. Und bei deren Herstellung gibt es Aufgaben, für die das Rändeln „einfach das perfekte Verfahren“ ist.

Während Hersteller wie Aesculap, der größte Arbeitgeber in Tuttlingen, meist im eigenen Haus rändeln, rentiere sich für die kleineren der rund 600 kleinen und mittleren Betriebe in der Region eine eigene Maschine oft nicht, erklärt Kuolt. „Hier kommen dann wir ins Spiel.“

Aber auch von Unternehmen mit eigenen Maschinen erhält er Aufträge: nämlich dann, wenn es um Losgrößen zwischen 20 und 500 Stück geht. „Diese Betriebe wechseln nicht gerne ihre Werkzeuge, die standardmäßig für große Serien verwendet werden.“

Rändelrollen_Einstechwalzen
Spanlos zur perfekten Oberfläche: Mit den beiden Rändelrollen wird beim Einstechwalzen der Griffbereich einer chirurgischen Pinzette gerändelt. Ausgangsprodukt ist stets ein Drehteil
(Bild: Emuge-Franken)

Viele verschiedene Produkte und über 1200 Werkzeugsätze

Kuolt, der vier Mitarbeiter beschäftigt, hält über 1200 Werkzeugsätze am Lager vor. Jeder davon hat einen Wert zwischen 800 und 2500 Euro. Die Vielzahl der Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, hat für die Auftraggeber Vorteile: „Wenn es brennt, können wir innerhalb von zwei Tagen einen Auftrag ausführen“, berichtet der Geschäftsführer. „Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass sich mit unseren Werkzeugsätzen sehr viele Sonderschrauben herstellen lassen.“ Darum sei der Kundenstamm mit über 500 recht groß.

Die Vorprodukte kommen immer als Drehteile, auch bei chirurgischen Instrumenten wie zum Beispiel Pinzetten, die einen gerändelten Griffbereich haben. „Die werden nachher vom Kunden durch Fräsen halbiert und hinten zusammengeschweißt.“

Jedes Werkzeugpaar für den Profilwalzprozess ist aufgabenspezifisch geschliffen. Es wird in der genormten Aufnahme der Walzmaschine befestigt und eingespurt. Sobald das Walzwerkzeug in der Maschine rotiert, wird der Walzschlitten hydraulisch zugestellt. Dabei werden die beiden rotierenden Werkzeuge mit hohem Druck gegen das Werkstück gepresst. So füllen sich nach dem Verdrängungsverhältnis die Profillücken der Walzen mit dem auffließenden Werkstoff.

Profilspitzen okay? Das wird regelmäßig geprüft

Dabei darf das zu verdrängende Material gerade so viel sein, dass die Profilspitzen vollständig ausgeformt werden. Deshalb findet nach dem Einrichten der Werkzeuge ein Probelauf statt, dessen Ergebnis optisch per Mikroskop kontrolliert wird.

Beim Rollen entstehen pressblanke Oberflächen, die sich mit keinem anderen Verfahren so herstellen lassen. Als weitere Vorteile nennt Kuolt die Oberflächenverfestigung im gerollten Profil und den nach dem Rollenwalzen optimalen Faserverlauf. „Und natürlich die beim Einstechwalzen unerreicht kurze Bearbeitungszeit pro Teil.“ Er erläutert: „Mit einer sehr steifen Maschine erreiche ich durch Profilwalzen eine äußerst hohe Form- und Maßhaltigkeit über die gesamte Charge hinweg. Alle unsere acht Maschinen erfüllen diese Voraussetzungen, wobei die größte über eine Walzkraft von bis zu 25 000 kN verfügt.“

Nur mit passenden Werkzeugen entsteht die perfekte Oberfläche

Doch die Kraft allein macht keine perfekte Oberfläche – nur mit passenden Werkzeugen ist diese zu erreichen. Die Werkzeugpaare, die Kuolt nutzt, stammen mehrheitlich von der Emuge-Franken-Gruppe aus Lauf und sind oft speziell für eine Aufgabe ausgelegt.

Zwei mögliche Methoden unterscheidet man beim Profiwalzen: das Einstech– und das Durchlaufverfahren. Beim Einstechverfahren wird in einem Prozessschritt über die gesamte Länge gewalzt. Die einzige Grenze setzt die Breite der Rollwerkzeuge – diese liegt bei Kuolt bei 140 mm. Dabei werden die Rollen mit gleicher Drehzahl in entgegengesetzter Drehrichtung angetrieben. Auf diese Weise dreht sich das Werkstück ohne axiale Verschiebung und erhält so sein Profil.

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Für Geschäftsführer Tobias Kuolt (rechts) zählt die gute Betreuung durch den Werkzeughersteller. Die übernimmt in der Region Tuttlingen Michael Sischka von Emuge-Franken
(Bild: Emuge-Franken)

Für Griffe an den Instrumenten ist das Einstechwalzen geeignet

Besonders gut geeignet ist das Einstechwalzen laut Kuolt einerseits für die Herstellung kurzer Rändel in den Griffbereichen chirurgischer Instrumente, andererseits auch, um Gewinde mit höchster Steigungsgenauigkeit herzustellen. „Hier gibt es keinen Verzug, und die Optik ist perfekt“, erläutert Michael Sischka, der für den Werkzeughersteller Emuge-Franken das südwestliche Baden-Württemberg und damit auch die Region Tuttlingen betreut. Für die Einstechrollen liegt die erzielbare Oberflächengüte bei Ra=0,2 am gewalzten Profil.

Beim zweiten Verfahren, dem Durchlaufwalzen, wird das Werkstück in Axialrichtung durch die Werkzeuge transportiert. So lassen sich zum Beispiel Gewindestangen herstellen. Das Rohmaterial wandert zwischen den Rollen bis zu einer Gewindesteigung pro Werkstückumdrehung. Dafür muss auch das Werkzeug anders gestaltet sein, wie Sischka erläutert: „Es besteht aus drei Umformbereichen: einem Einlaufkegel, einem zylindrischen Bereich zum Kalibrieren des Profils und einem Auslaufkegel.“ Das Durchlaufwalzen wird eingesetzt, wenn das Profil des Werkstücks länger als die Werkzeugbreite selbst ist. Bei Kuolt werden so Werkstücke bis zu einer Länge von 1000 mm gerollt.

Werkzeug muss auf das Material des Chirurgieinstrumentes abgestimmt sein

„Bei beiden Verfahren kommt es auch auf den Werkstoff an, der gerollt werden soll“, sagt Anwendungsingenieur Sischka. Bei den chirurgischen Werkzeugen zum Beispiel reicht das Werkstoffspektrum von Edelstahl bis hin zu Titan. Schwer zu rollende Werkstoffe mit einer niedrigeren Bruchdehnung erfordern Rollen aus hochfesten Stählen – für Werkstücke aus gut kaltumformbaren Materialien mit einer Bruchdehnung von über 12 % kommen ebenso Werkzeuge aus anderen Materialien in Frage. Auch Prozessparameter in der Härterei vor dem abschließenden Schliff spielen eine Rolle, so Sischka.

Vom Know-how und der Erfahrung bei Emuge-Franken profitieren Anwender wie Paul Kuolt Feinmechanik. Für Geschäftsführer Kuolt ist „die Betreuung durch den Werkzeughersteller beim kundenindividuellen Profilwalzen ein wichtiger Parameter“. Was er dabei besonders schätze, sei der persönliche Kontakt zu Michael Sischka. Der würde regelmäßig vorbeischauen, fragen, ob er irgendwo helfen könne und auch schon mal einen verschlissenen Werkzeugsatz zum Nachschleifen im Kofferraum mitnehmen.

www.emuge-franken.com

Auf der Messe AMB: Halle 1, Stand H40


Kontakt zum Werkzeughersteller:
Emuge-Werk Richard Glimpel GmbH & Co. KG
Nürnberger Straße 96-100
91207 Lauf
Tel.: +49 (0)9123 186-0
E-Mail: info@emuge.de
www.emuge-franken-group.com
Kontakt zum Lohnfertiger:
Paul Kuolt Feinmechanik GmbH & Co. KG
Industriestr. 3
78586 Deilingen
Tel: +49 (0)07426-8897
E-Mail: info@pk-feinmechanik.de
www.pk-feinmechanik.de

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