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Passende Hülle für Implantate, Instrumente und Sensoren

PVD-Beschichtungen: Mit der Oberfläche die Biokompatibilität beeinflussen
Passende Hülle für Implantate, Instrumente und Sensoren

Mit verschiedenen Beschichtungstechniken können die Oberflächen von Produkten aus Metall stark verändert werden. So sehr, dass molekulare Details der Zellreaktionen in die gewünschte Richtung gelenkt werden.

Implantate werden in erster Linie aus Titan und Titanlegierungen, Kobaltbasislegierungen und Keramiken gefertigt. Welches Material ausgewählt wird, hängt vor allem von den jeweils geforderten mechanischen Eigenschaften ab. Jedes Implantat bedeutet aber für den menschlichen Körper eine Situation, die grundsätzlich zu Fremdkörperreaktionen führt. Wie stark sie ausfallen, hängt sehr von der Oberfläche der Implantate und ihrer Wechselwirkung mit dem Körper ab – beide bestimmen die Biokompatibilität.

Obwohl also von der biologischen Akzeptanz der Oberfläche die Langzeitstabilität eines Implantates abhängt, findet die Möglichkeit der Beschichtung im Vergleich zu den Fragen der Materialauswahl oft wenig Beachtung.
Sowohl die mechanische als auch die chemisch bedingte Freisetzung von Partikeln aus Implantatoberflächen lässt sich aber mit moderner Beschichtungstechnik verringern. Ein Beispiel dafür sind die Physical Vapour Deposition (PVD) sowie die Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition (PECVD). Auf der Basis dieser Verfahren stellt die Lübecker O.M.T. GmbH ihre Cerid-Beschichtungen her, die sich seit mehr als 15 Jahren bei über 1 Mio. Implantaten im klinischen Alltag bereits bewährt haben. Unter dem Begriff „Cerid“ werden keramische Oxide, Nitride und Carbide zusammengefasst.
Diese Beschichtungen werden mittels eines hochionisierten Plasmas in einem Vakuumprozess auf den fertigen Bauteilen abgeschieden – in großen getakteten Durchlaufanlagen. Die Zusammensetzung und der Aufbau der Beschichtung sind hierbei durch die verwendeten Metalle und die zugesetzten Prozessgase einstellbar. Es können von metallischen Schichten, bis hin zu keramischen Nitriden, Carbiden oder Oxiden eine Vielzahl von Verbindungen erzeugt werden. Somit lassen sich die Eigenschaften der Beschichtung sehr genau auf die Anforderungen der Bauteile und ihrer Anwendung einstellen.
Bei Endoprothesen kommen hier in erster Linie die Titan-Niob-basierten Beschichtungen Cerid 45 und Cerid 45ON zum Einsatz. Diese Beschichtungen sind chemisch stabiler als herkömmliche TiN-Beschichtungen und zeigen ein besseres Reib-Gleitverhalten. Sie verringern somit den Eintrag von Partikeln durch Verschleiß und senken den Ioneneintrag auf ein Niveau, das auch bei metallsensitiven Patienten die biologische Akzeptanz nicht beeinträchtigt.
Ein weiteres Beispiel ist die Cerid-44O-Beschichtung auf Basis von Titan-Zirkon, die bei Fußchirurgieschrauben oder auch dem Biocer-Dentalimplantatsystem angewendet wird. Sie blockiert nicht nur den Ioneneintrag, sondern unterbindet auch den Partikeleintrag durch Reibkorrosion. Da die Beschichtung nur eine geringe Leitfähigkeit aufweist und zur Repassivierung neigt, blockiert sie Korrosionsprozesse und den Elektronenfluss. Das verbessert die Osseointegration, was sich auch in der deutlich reduzierten Ausschüttung inflamatorischer Zytokine wie Interleukin 6 und TNF a zeigt. Sogar die Osseointegration von Zirkonoxid-Implantaten wird durch die Cerid-44O-Beschichtung verbessert.
Die Cerid-Beschichtungen adsorbieren auch biologische Makromoleküle: Je nachdem, wie die biophysikalischen und biochemischen Oberflächeneigenschaften eingestellt sind, beeinflussen sie die Hierarchie von der Primäradsorption der Glykoproteine über die Adhäsion der Zellen an der Oberfläche bis hin zur knöchernen Integration. Damit bestimmen sie auch das Langzeitverhalten des Implantats nach dem chirurgischen Eingriff. Die Denaturierung von Eiweißen wird nahezu unterbunden. Gleiches gilt für die Signalstoffe oder Mediatoren auf der Oberfläche. Auch der Ladungstransport zwischen Proteinen und Oberfläche sowie Veränderungen der Proteine im elektrischen Feld der Oberfläche entfallen beinahe komplett.
An den Einsatzfall anpassen kann man aber nicht nur Beschichtungen für Implantate. Gleiches gilt für chirurgische Instrumente, Sensoren für die Dialyse oder Bauteile von Computertomographen.
Dr. Torsten Will O.M.T Oberflächen- und Materialtechnologie, Lübeck

Partikel im Gewebe
Ist die Oberfläche eines Implantates nicht stabil genug, gibt sie unter mechanischem oder chemischem Einfluss Partikel in das umliegende Gewebe ab.
Mechanische Ursachen sind zum Beispiel Reibkorrosion durch Mikrobewegung zum Knochen, was insbesondere bei Titan auftritt. Einen ähnlichen Effekt hat man aber auch durch den Abrieb, wie er bei Gleitflächen von Endoprothesen auftritt, beobachtet. Dieser Abrieb kann unterschiedliche Formen von Erkrankungen auslösen, die zu lokaler Osteolyse mit resultierender aseptischer Implantatlockerung führen können.
Ist das Implantatmaterial in chemischer Hinsicht nicht stabil, kommt es zur Korrosion und damit zur Abgabe von Ionen in das umliegende Gewebe. Dies betrifft nicht nur die Hauptkomponenten der Implantatmaterialien, sondern auch Elemente, die nur in kleinen Konzentrationen vorhanden sind. Nickel zum Beispiel wird auch in Kobalt-Chrom-Molybdän- oder in Titan-Legierungen in Konzentrationen bis zu 0,03 Gewichtsprozent gefunden und kann bei metallsensitiven Patienten Körperreaktionen hervorrufen.
Titan wird im Allgemeinen als korrosionsstabiles Implantatmaterial angesehen. Insbesondere bei bakteriell entzündlichen Reaktionen ist dies jedoch nicht zutreffend. Hier sinkt der pH-Wert bis in einen Bereich, der im Porbaix-Diagramm – das die Stabilität von Metallen angibt – nicht mehr als stabil bewertet wird. Die zahlreich vorhandenen komplexbildenden Biomoleküle forcieren diesen Vorgang. Äußerlich ist er anhand schwarzer, gut leitfähiger Suboxide an Titanimplantaten und Osteosyntheseschrauben im klinischen Alltag zu sehen. Auch die Korrosionsprozesse können Entzündungsreaktionen auslösen, wodurch die Wundheilung und der Langzeiterfolg der chirurgischen Maßnahme negativ beeinflusst werden.

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