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Neue Möglichkeiten zur Herstellung keramischer Multi-Material-Bauteile im 3D-Druck

Direct Inkjet Printing
Neue Möglichkeiten zur Herstellung keramischer Multi-Material-Bauteile im 3D-Druck

Immer mehr additive Fertigungsverfahren für keramische Werkstoffe erlangen durch das stetige Weiterentwickeln der Materialien und Prozesse ihre industrielle Reife. Neu ist, dass nun auch Inkjet-basierte Verfahren zur Herstellung dichter keramischer Bauteile kommerziell zur Verfügung stehen.

Alexander Kremer und Anna Schardt
Rauschert Heinersdorf-Pressig

Sven Kriegseis
Institut für Gesteinshüttenkunde,
RWTH Aachen

Das Inkjet-Verfahren Direct Inkjet Printing (deutsch: direktes Tintenstrahldrucken) ermöglicht es, eine wasserbasierte, keramische Tinte mittels Druckköpfen auf ein Substrat aufzutragen. Anschließend lässt sich die gedruckte Schicht kontrolliert trocknen, sodass der flüssige Bestandteil der Tinte verdampft und das keramische Material zurückbleibt. Durch das Drucken vieler Schichten aufeinander entstehen dreidimensionale Objekte, die anschließend gebrannt werden. Für die Herstellung geometrisch komplexer Bauteile werden Stützstrukturen aus einem Material gedruckt, welches beim Sintern rückstandsfrei „ausbrennt“. Das tropfenweise Auftragen des Materials ermöglicht eine Auflösung von 45 µm in der Druckebene bei Schichtdicken von 5 µm.

Direct Inkjet Printing: Weniger organische Bestandteile im Bauteil

Bei den bereits seit Jahren etablierten Photopolymerisationsverfahren (Stereolithographie, VPP) weisen die Bauteile nach dem Drucken einen hohen Gehalt an Polymeren von bis zu 25 Gew.-% auf. Um voll-keramische Bauteile herzustellen, muss die Organik zunächst in einem separaten Prozessschritt, der so genannten Entbinderung, aus dem gedruckten Grünkörper entfernt werden. Bei der Entbinderung werden die organischen Bestandteile analog zum keramischen Spritzgussverfahren thermisch zersetzt. Dieser Prozessschritt ist sowohl zeit- als auch energieintensiv und erfordert aufgrund der Freisetzung umweltschädlicher Verbrennungsprodukte eine thermische Nachverbrennung der Abgase.

Im Gegensatz dazu sind beim Direct Inkjet Printing nur maximal 5 Gew.-% an organischen Bestandteilen enthalten. Somit ist ein Vergleich mit schlickergegossenen oder gepressten Grünkörpern gegeben. Durch die Verwendung von Wasser als Dispergiermittel entstehen bei der Trocknung keinerlei schädliche Emissionen. Der geringe Anteil an Organik macht eine Integration des Entbinderungsschrittes in den Ofenbrand möglich, wodurch Zeit gespart und Kosten gesenkt werden können.

Verschiedene Drucktinten sind miteinander kombinierbar

Im Rahmen medizinischer Einsatzmöglichkeiten spielen ferner die verwendeten Werkstoffe eine entscheidende Rolle. So setzt die Medizintechnik bevorzugt Zirkonoxid (ZrO2) oder Aluminiumoxid (Al2O3) ein. Von Vorteil ist hier vor allem ZrO2, welches im Rahmen vieler klinischer Studien in positiver Weise mit körpereigenem Gewebe reagiert hat. Eben jene keramischen Materialien (ZrO2 und Al2O3) ließen sich im Verlauf der letzten Jahre erfolgreich in verdruckbare Suspensionen überführen und bieten somit eine Grundlage für Produktentwicklungen im Bereich der Medizintechnik.

Hierbei liegt der entscheidende technische Vorteil des Direct Inkjet Printing darin, dass die Chance besteht, Multi-Material-Bauteile mit einer höheren Präzision im Vergleich zu anderen additiven Fertigungsverfahren herzustellen – insbesondere innerhalb der Druckebene. Wenn mehrere Druckköpfe zum Einsatz kommen, lassen sich, wie beim Mehrfarben-Tintenstrahldruck auf Papier, verschiedene Drucktinten mit scharfen und/oder fließenden Übergängen miteinander kombinieren.

Um die technischen Möglichkeiten des Direct Inkjet Printing zu demonstrieren, wurden komplexe fließende Übergänge zwischen einer weißen Zirkonoxid- und einer schwarzen Aluminiumoxidkeramik entworfen und gedruckt. Ein Vergleich zwischen Vorlage und gedrucktem Objekt zeigt für die Herstellung von Multi-Material-Bauteilen eine hohe Gestaltungsfreiheit sowie Präzision des Direct Inkjet Printing. Dadurch sind Kombinationen aus einer elektrisch isolierenden Keramik und einem funktionalen, elektrisch leitfähigen Material möglich. Somit lassen sich auch Bauteile mit einer integrierten elektrischen Funktionalität produzieren.

Mögliche Anwendungen hierfür sind endoskopische Instrumente – beispielsweise für die Hochfrequenz-Chirurgie –, bei denen elektrisch leitende und isolierende Materialien auf engstem Raum kombiniert werden müssen. Zudem ermöglicht das Direct Inkjet Printing künftig geometrisch komplexe Durchführungen, beispielsweise für Herzschrittmacher.

Farbliche Gestaltungsfreiheit für die Dentaltechnik

Des Weiteren erlaubt das Direct Inkjet Printing unter Verwendung entsprechender Werkstoffe optische Effekte wie verschiedene Farben oder Farbverläufe. So können Zirkonoxide in den Farben weiß, gelb, pink und grau sowohl mit scharfen als auch fließenden Materialübergängen auf eine Weise vereint werden, die sich mit keinem anderen Fertigungsverfahren weltweit realisieren lässt. Diese farbliche Gestaltungsfreiheit bietet interessante Einsatzmöglichkeiten in der Dentaltechnik. So kann eine patientenspezifische Farbgebung von Dentalrestaurationen in hoher Qualität verwirklicht werden.

Das patentierte Direct Inkjet Printing wurde am Institut für Gesteinshüttenkunde der RWTH Aachen entwickelt. Im Jahre 2020 hat die Rauschert Heinersdorf-Pressig GmbH eine exklusive Lizenz des Verfahrens übernommen. Mit Rauschert steht nun ein etabliertes Industrieunternehmen hinter dem Verfahren, welches Kompetenzen entlang der gesamten keramischen Prozesskette aufweist, von der Material- und Prozessentwicklung bis hin zum Sintern und der Nachbearbeitung. Ziel ist es, in Kooperation mit strategischen Partnern zum einen die Materialpalette zu erweitern und zum anderen die nächste Druckergeneration zu entwickeln. Damit ist es in Zukunft möglich, das Direct Inkjet Printing als ein industriell einsetzbares 3D-Druckverfahren für dichte Keramiken zu etablieren.

www.rauschert.com

Auf der Messe Formnext: Halle 12.1, Stand B01


Weitere Informationen

Am Standort Pressig produziert Rauschert seit 1909 technische Keramik unter anderem für die Medizin-, Analysen- und Labortechnik. Daneben gehören Kunststoffe und Engineering zu den Kompetenzbereichen. Des Weiteren ist Rauschert in den zukunftsweisenden Märkten Erneuerbare Energien, Filtrationstechnik, Werkzeug- und Sondermaschinenbau, Automatisierungstechnik und Robotik aktiv.


Kontakt zum Unternehmen:

Rauschert Heinersdorf-Pressig GmbH
Bahnhofstr. 1
96332 Pressig
www.rauschert.com

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