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Kuschelfaktor im CT

CFK-Materialien: Beheizbare Matten für Formen oder die Patientenliege
Kuschelfaktor im CT

Beheizbare Formen für Kunststoffteile lassen sich mit einem neuen Verfahren günstig herstellen: Es basiert auf Kohlefasern in einer CFK-Matrix. Damit bleibt nicht nur die Form in Form. Das System könnte auch Liegeflächen erwärmen.

Eine ergonomische Vertiefung für das Gesäß, angenehme Wärme an den Schultern und garantiert keine kalten Füße: Das könnte der fast kuschelige Komfort sein, den eine Patientenliege während der Untersuchung im CT bietet. „Technisch wäre so eine Form und auch die integrierte Heizung mit unserem neuen Verfahren kein Problem“, sagt Prof. Herbert Funke von der FH Dortmund.

Zusammen mit Mitarbeitern und Industriepartnern hat Funke einen Weg gefunden, beheizbare Matten aus Kohlefaserverstärkten Kunststoffen herzustellen – mit dem primären Ziel, großflächige und maßhaltige Formen für Flugzeuginnenteile oder die Flügel von Windkraftanlagen günstig zu bauen. Das Verfahren ist seit Ende 2006 patentiert, für den Praxiseinsatz in der Luftfahrtindustrie erprobt und kann von interessierten Unternehmen über die Mühlheimer Agentur Provendis GmbH in Lizenz genutzt werden.
Die größten Vorteile gegenüber herkömmlichen Lösungen sind laut Funke
  • erheblich leichtere Formen, die sich mit geringem Energieverbrauch gleichmäßig beheizen lassen,
  • eine Maßhaltigkeit auch bei sehr großen Formen, die „bisher unerreicht ist“,
  • niedrige Herstellkosten, die bei einer Formfläche von 15 m² rund 15 000 Euro betragen statt rund 1 Mio. Euro, die man für eine aus Aluminium gefräste und mit Öl geheizte Form rechnen würde, sowie
  • eine große Flexibilität bei der Formgebung.
Natürlich gibt es auch Grenzen für den Einsatz der heizbaren CFK-Formen. „Unsere Lösung eignet sich für Seriengrößen von rund 1000 bis 10 000 Teilen“, erläutert der Dortmunder Wissenschaftler, wobei die maximale Stückzahl in gewissem Maß vom verwendeten Werkstoff und auch den übrigen Herstellparametern abhänge. Für das Tiefziehen beispielsweise von Gehäuseteilen aus thermoplastischen Kunststoffen seien auch Stückzahlen von über 10 000 Teilen denkbar. Schwierig zu realisieren sind hingegen scharfe Kanten und Stege, da die Form aus mehreren Schichten unterschiedlicher Materialien aufgebaut wird. „Die Form für einen Pkw-Unterboden mit unserem Verfahren herzustellen, wäre zum Beispiel grenzwertig – das müssten wir uns sehr genau anschauen.“ Fahrzeugdächer, Kotflügel, Motorhauben oder eben die Flügel für eine Windkraftanlage sind laut Funke sehr gut abzubilden, ebenso ergonomische Rundungen mit großen Radien und eher flachen Strukturen.
Die Idee zu einem solchen Lösungsansatz ist schon einige Jahre alt, und die aktuellen Forschungsarbeiten bauen auf Erfahrungen auf, die einer von Funkes Mitarbeitern in einer Studienarbeit zusammengetragen hatte. „Damals gab es Probleme, weil wir Kohlefasern und Glasfasern gemeinsam eingesetzt haben, die sich beim Erwärmen unterschiedlich verhielten, so dass sich die Form schon nach wenigen Aufwärm- und Abkühlzyklen verzog.“ Das Erfolgsrezept für den heutigen Ansatz ist laut Funke relativ einfach: „Wir haben alles weggelassen, was beim ersten Mal gestört hat, und anstelle von Sonderlösungen nur Gewebe verwendet, die am Markt verfügbar sind.“
Aus wenigen solcher Gewebelagen lassen sich nun Formen für Kleinteile ebenso bauen wie Formen für Innenverkleidungen von 2,5 m Breite und 7,5 m Länge. Wie genau die Gewebe zu verteilen sind, ermitteln die Dortmunder mit einem eigens erstellten Algorithmus.
Die Wärme führen sie über Kleinspannungen von unter 30 V zu. Die Verdrahtung der Kohlefasern, die als Widerstandsheizung arbeiten, kann in verschiedenen Zonen unterschiedlich sein. Diese Tatsache sowie die eingearbeiteten Temperatursensoren ermöglichen es, die Wärme in der Form nach Wunsch zu dosieren und genau zu kontrollieren. „Bei den großen Formen, die wir mit der Heizleistung eines Föns auf 100 Grad Celsius erhitzen können, halten wir die Temperatur auf 1,5 Grad genau“, betont Funke.
Optimiert haben die Dortmunder ihr Verfahren bisher für Prepregs, also Gewebe aus Glas-, Kohlenstoff- oder Aramidfasern, die mit duroplastischen Kunststoffen versehen sind. In der beheizten Form schmelzen sie auf und härten dann im vorgesehenen Zustand aus. Selbst Flügel für Windkraftanlagen mit einer Wanddicke von 10 cm sind so zu bewältigen. Eine Grenze bei der Verarbeitungstemperatur solch dicker Bauteile setzt bisher nur das für die Form verwendete Material: Während die Kohlefasern selbst auch bei Temperaturen von über 1000 °C nicht beeinträchtigt werden, schmelzen die bisher verwendten Matrix-Harze bei 230 °C. „Über 200 Grad würde ich die Formen daher nicht erhitzen“, sagt Funke. Mit anderen Matrixharzen ließe sich das jedoch ändern. Darüber hinaus seien die bisher verfügbaren Formen auch für das Tiefziehen thermoplastischer Kunststoffe einsetzbar.
Innovative Anwendungsmöglichkeiten für die beheizbaren Formen sieht der Forscher im Bereich der Medizintechnik „überall da, wo langlebige und belastbare Teile aus CFK gebraucht werden, die auch den hohen hygienischen Anforderungen ent-sprechen“.
Besonderen Charme hat aus seiner Sicht die Möglichkeit, anstelle der Formen die Patientenliegen selbst auf einfache Weise zu beheizen. „Da es hier nicht um hohe Temperaturen geht, könnten wir mit Spannungen von unter einem Volt arbeiten.“ Die üblicherweise verwendeten Materialien könnten auch weiterhin genutzt werden. Mit einem Ausdampfen schädlicher Stoffe sei nicht zu rechnen, da die Werkstoffe nur etwa auf Körpertemperatur gebracht werden müssten. „Und wie bei den Formen für die Fertigung könnten wir auch bei einer Liege Zonen mit unterschiedlicher Temperatur definieren.“ Anfragen aus der Medizintechnik-Branche sind ihm ausdrücklich willkommen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Günstige Heizung für die Form

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Nach dem Verfahren der Dortmunder wird die Form aus kohlefaserverstärktem Kunststoff schichtweise aufgebaut. Die innere Schicht, die mit dem zu verformenden Material in Kontakt kommt, besteht aus Kohlefasern in einer Matrix aus speziellen Harzen. Diese 1,2 bis 5 mm dicke Schicht wird elektrisch auf 80 bis 100 °C erwärmt, ohne sich zu verziehen. Auch höhere Temperaturen sind mit anderen als den bisher verwendeten Harzen erreichbar.
Die erforderliche Biegesteifigkeit auch bei großen Formen bringt eine Schicht aus Wabenkernen oder druckfesten Schaumstoffen, die zugleich wärmeisolierend wirkt. Den Rücken bildet eine weitere Schicht aus CFK. Um eine Form mit einer Fläche von 15 m² auf 100 °C zu erhitzen, sind nur 2 kW Heizleistung erforderlich. Da die Dortmunder mit weniger als 30 V arbeiten, sind Werker nicht gefährdet, obwohl die gesamte Form unter Spannung gesetzt wird.

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