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Glasfräsen bringt sprödharte Werkstoffe in Form

Glasfräsen
Glasfräsen: Hochpräzise Bearbeitung sprödharter Werkstoffe

Bei der Bearbeitung von Linsen und anderen Strukturen aus Glas oder Keramik für Bereiche wie Labor- und Medizintechnik dominiert die „klassisch“ dreigeteilte Technologiekette aus Schleifen, Läppen und Polieren in drei unterschiedlichen Anlagen. Ein Start-up in Jena führt dagegen die gesamte Bearbeitung in einer hochpräzisen CNC-Maschine durch – mit Vorteilen für bestimmte Geometrien.

Klaus Vollrath
Fachjournalist in Aarwangen, Schweiz

Oliver Seidel, Geschäftsführer der Shapefab GmbH & Co. KG in Jena, kennt sich mit den Eigenschaften und Bearbeitungsverfahren von Glas- und Keramikwerkstoffen bestens aus. Auf Anregung von Anett Jahn, ebenfalls Shapefab-Geschäftsführerin, überlegten beide, wie sich die Bearbeitung spröder Werkstoffe durch den Einsatz moderner Werkzeugmaschinen rationeller und effizienter durchführen ließe als mit der herkömmlichen Technologiekette.

Diese besteht aus den Arbeitsgängen Schleifen, Läppen und Polieren, die auf jeweils unterschiedlichen Anlagen durchgeführt werden. Die Idee der beiden Tüftler: Alle drei Arbeitsgänge in nur einer Aufspannung auf ein und derselben Werkzeugmaschine durchzuführen. „Im Unterschied zur üblichen Vorgehensweise bei der Glasbearbeitung arbeiten wir in allen drei Prozessabschnitten mit Werkzeugen, die eine definierte Geometrie aufweisen“, erklärt Anett Jahn. Bei der konventionellen Glasbearbeitung erfolgt nur der erste Arbeitsgang mit diamantkornbesetzten Schleifstiften, die eine definierte Geometrie aufweisen. Für die beiden folgenden Arbeitsgänge Läppen und Polieren wird dagegen loses Korn genutzt. Das Läppen erfolgt mit ungebundenen Schleifkörnern einheitlicher Größe, die sich in einer Suspension in einem engen Spalt zwischen dem Werkstück und einem Gegenwerkzeug befinden. Das Ergebnis sind sehr matte Oberflächen mit einer Formgenauigkeit bis zu 0,5 µm und Rautiefen Rz bis unter 0,05 µm.

Beim anschließenden Polieren werden dagegen Suspensionen, die sehr feine Poliermittelkörner enthalten, unter leichtem Druck an der Oberfläche entlanggeführt. Damit soll die Oberfläche mit möglichst wenig Materialabtrag geglättet werden. Die Oberflächen sind danach hochglatt, transparent und glänzend. Bei komplexen Geometrien oder gar bei Freiformflächen können diese beiden Verfahren jedoch nicht ohne weiteres eingesetzt werden.

Anspruchsvoelle Geometrien profitieren vom Verfahren

Im Unterschied hierzu werden bei Shapefab alle Arbeitsgänge mit Schleifkörpern durchgeführt, deren Schleifmittelkörner fest gebunden sind. Dies hat den Vorteil, dass die gewünschte Geometrie ebenso exakt der CAD-Vorgabe entspricht, wie dies bei der CNC-Bearbeitung von Metallen möglich ist. Mit speziell ausgewählten Schleifwerkzeugen seien hierbei Oberflächengüten bis 8 nm Ra erreichbar, so die beiden Geschäftsführer.

„Die besondere Stärke unseres Verfahrens liegt darin, dass wir Strukturen erzeugen können, die geometrisch oft wesentlich anspruchsvoller sind als jene, die mit den herkömmlichen Verfahren bisher möglich waren“, verdeutlicht Adrian Helming, Prokurist bei Shapefab. Im Prinzip könne man damit Strukturen darstellen, die andere bisher nur mit Metall erreichen. Beispiele sind Bauteile mit 3D-Freiformflächen, Linsenarrays, fassungsfreie Bauteile mit integrierten Befestigungspunkten oder -bohrungen, Mikrofluidik-Komponenten für die Labortechnik, Sensoroptiken oder Teile mit selektiv polierten Flächen auch an schwer erreichbaren Positionen.

Da die Fertigung hoch automatisiert abläuft und die Teile unter CNC-Kontrolle und zumeist mithilfe von Standardwerkzeugen gefertigt werden, können Sonderanfertigungen bis herab zum Einzelstück wirtschaftlich hergestellt werden. Dank des Einsatzes moderner, hoch präziser fünfachsiger Fräsmaschinen mit Ausstattung zum Schleifen der Röders GmbH, Soltau, verfüge man über interessante Freiheitsgrade bei der konstruktiven Auslegung komplexer dreidimensionaler Geometrien. Und der Kunde zu Bauteilen, die bisher in dieser Form als nicht wirtschaftlich herstellbar galten.

Alle Schritte der Prozesskette sind vollständig digitalisiert

„Wir beschäftigen uns mit einer Fertigungstechnologie, die für die meisten Konstrukteure noch Neuland ist. Deshalb unterstützen wir unsere Kunden mit unserem speziellen Knowhow“, sagt Oliver Seidel. Ermöglicht werde dies ungeachtet des noch kleinen Teams dank der Tatsache, dass die ganze Prozesskette weitgehend automatisiert wurde. Alle Abläufe von der CAD-Konstruktion über die CAM-Umsetzung und Bearbeitung bis zur Qualitätssicherung seien vollständig digitalisiert.

Durch die langjährige Beschäftigung mit der Bearbeitung von Gläsern und spröden Werkstoffen auf 5-Achs-Bearbeitungszentren, die schon lange vor der Firmengründung begonnen wurde, verfügt man über ein umfangreiches Know-how bezüglich Anlagen, Software und Anwendungsmöglichkeiten. Beispiele hierfür sind Fixiergeometrien, die direkt in optische Funktions- und Freiformflächen integriert werden. Damit lassen sich die Bauteile auch ohne Justageelemente mikrometergenau in die Endanwendung integrieren. Zudem könnten nicht nur Bohrungen, sondern auch Gewinde durch fünfachsiges Schleifen in Glas eingebracht werden. Ein weiterer Vorteil für die Kunden sei die Möglichkeit, Schleifwerkzeuge nach eigenem Design einzusetzen. So seien auch Hinterschnitte oder Bohrungen mit komplexeren Geometrien kein Problem. Ebenso beherrsche man die oft problematische Herstellung von scharfkantigen Übergängen, ohne dass es zu Kantenaussprüngen komme.

„Mit dem Hersteller Röders als Partner auf der Maschinenseite haben wir seit Jahren gute Erfahrungen gemacht“, betont Shapefab-Geschäftsführerin Anett Jahn. Die Programmierung der von Röders selbst entwickelten Steuerung RMS6 auf Windowsbasis sei intuitiv und deshalb einfach zu erlernen gewesen. Auch eigene Bearbeitungszyklen ließen sich mit der RMS6 einfach umsetzen.


Weitere Informationen

Zum Start-up:

www.shapefab.de

Zum Fräs- und Schleifmaschinenhersteller:

www.roeders.de

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