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Feste Faser für viele Bauteile

Faserverstärkte Kunststoffe: Fertigungsverfahren für Medizinprodukte
Feste Faser für viele Bauteile

Faserverbundwerkstoffe bergen ein hohes Potenzial für die Medizintechnik. Durch verschiedene Fertigungsverfahren lassen sich mit den unterschiedlichen Materialien sowohl Mikroimplantate als auch komplexe Prothesen herstellen.

Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffe sind bereits in vielen industriellen Anwendungen Stand der Technik. Im Vergleich zu Metall oder Keramik sind sie bis zu 70 % leichter – aber gleichzeitig mechanisch hochbelastbar und beständig gegenüber chemischen Einflüssen. Das macht sie auch für die Medizintechnik interessant. Erfolgreich ist bereits seit Jahren ein Verfahren, das Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie (IPT) entwickelt haben. Damit lassen sich Instrumente für die minimal-invasive Chirurgie serienmäßig herstellen.

Die Aachener Wissenschaftler fertigen mit dem Mikro-Pullwinding-Verfahren dreilagige Mikro-Profile mit Durchmessern deutlich unter 1 mm, die in Führungsdrähten, Kanülen und Kathetern zum Einsatz kommen können. Das gewünschte Biege- und Torsionsverhalten der Instrumente lässt sich dabei je nach Einsatzgebiet anhand gezielt ausgerichteter Verstärkungsfasern kontinuierlich variabel einstellen, ohne die Serienproduktion zu unterbrechen. Ein weiterer Vorteil dieser Instrumente ist ihre Tauglichkeit für die Anwendung im Magnetresonanztomographen (MRT): Im Gegensatz zu metallischen Komponenten treten bei der Bildgebung keine störenden Artefakte auf.
Für die Herstellung individuell anpassungsfähiger Medizinprodukte wie Prothesen, Implantate oder auch Rollstühle entwickeln die Aachener inzwischen auch Verfahren und Produktionssysteme zur Verarbeitung thermoplastischer Faserverbundkunststoffe. Komponenten, die auf diese Weise gefertigt werden, lassen sich im Gegensatz zu solchen aus duroplastischen Materialien nach dem ersten Aushärten erneut wieder verformen und so an individuelle Bedürfnisse anpassen. Viele der thermoplastischen Matrixmaterialien sind bereits für den Einsatz in der Medizintechnik zugelassen und müssen deshalb keine langwierigen Zulassungsverfahren mehr durchlaufen.
Mit der steigenden Nachfrage für faserverstärkte Kunststoffbauteile steigt auch der Bedarf an Werkstoffen. In Dresden beschäftigen sich die Wissenschaftler am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) mit kohlenstoffverstärktem PEEK. Gemeinsam mit der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Uniklinikums der TU Dresden entwickelten sie ein Implantat für die individuelle Überbrückung von Unterkieferdefekten. Ergebnis dieser Arbeit ist eine innovative Tragbandage aus CF/PEEK. Sie soll in der Anwendung schwer kontrollierbare Komplikationen wie Plattenbruch, Schraubenlockerung sowie orale oder extraorale Freilage der Platten verhindern, die zu einem vorzeitigen Funktionsverlust der Rekonstruktionsplatte führen können. Diese Komplikationen lassen sich durch eine dem Knochen angepasste Kontur sowie durch den Einsatz biokompatibler Implantatwerkstoffe wie CF/PEEK verringern.
Auch im Spritzguss sind die faserverstärkten Kunststoffe angekommen: Für diese Anwendung stellt die Click Plastics AG das neue TPE von Shandong Dawn Polymer Co. Ltd. vor, das vom Hersteller für eine neue Generation von TPE basierten Dichtungen im Medizinbereich entwickelt wurde. Das Material besteht aus TPIIR (thermoplastischem Butyl-Gummi) und soll gute Barriere-Eigenschaften sowie Dichtungseigenschaften nach Durchstechen und Herausziehen von Injektionssystemen zeigen. Als Hauptanwendungen sieht der Anbieter deshalb den Einsatz bei medizinischen Stopfen, Dichtungen und Kappen für pharmazeutische und IV-Verpackungen. Das Material ist seit Februar zugelassen nach USP Class VI sowie seit Ende 2014 zertifiziert nach DMF III durch US FDA.
Weil aus den neuen Werkstoffen mehr Teile gefertigt werden, sind zunehmend auch akkurate Materialmodelle gefragt, um ihre mechanische Leistung vorherzusagen. Diese Modelle hängen von der Genauigkeit der vorhergesagten Faserorientierung aus der Spritzgießsimulation ab. Die Sigma Engineering GmbH, Aachen, hat mit ihrer Software Sigmasoft eine Lösung dafür entwickelt. Mit dem Gewicht als kritische Größe liegt der Fokus beim Auslegen faserverstärkter Bauteile darauf, eine Überdimensionierung zu vermeiden. Materialmodelle für die Struktursimulation, die das Verhalten eines Bauteils unter statischer und dynamischer Belastung exakt vorhersagen, sind dafür entscheidend.
Die faserverstärkten Kunststoffe werden ihren Weg in die Medizintechnik finden. Noch dominiert bei der Herstellung der Bauteile der Anteil händischer Arbeiten. Doch an den automatisierten Prozessen arbeiten die Kunststoffmaschinenhersteller.
  • Susanne Schwab susanne.schwab@konradin.de
  • Weitere Informationen Zum Mikro-Pullwinding-Verfahren: www.ipt.fraunhofer.de Zu den Implantaten aus CF/PEEK: www.ilt.fraunhofer.de Zum Simulationsanbieter: www.sigmasoft.de

  • Ihr Stichwort
    • Faserverbundwerkstoffe
    • Fertigungsverfahren
    • An individuelle Bedürfnisse anpassbar
    • Mit dem Laser verbinden
    • Spritzgießtechnik

    • Miniaturisierte Verfahren
      Faserverbundwerkstoffe (FVK) verfügen über sehr gute Materialeigenschaften. Sie haben eine geringe Dichte, eine hohe Steifigkeit und Festigkeit und weisen zudem eine gute Medienbeständigkeit auf. Durch die starke Miniaturisierung von Herstellungsverfahren wie der faserverbundtechnischen Pultrusion, dem Wickeln und der Kombination dieser beiden Verfahren, dem Pullwinding, lassen sich diese Eigenschaften auch auf Profile mit einem Durchmesser unter 500 µm übertragen. Typische Einsatzgebiete solcher kontinuierlich hergestellten Profile sind laut Fraunhofer IPT die Medizintechnik und die Messtechnik.
      In der Medizintechnik lassen sich diese Werkstoffe überall dort einsetzen, wo Metalle aufgrund ihrer elektrischen Eigenschaften ausscheiden und dennoch höchste Ansprüche an mechanische Eigenschaften oder erhöhte Funktionsintegration gestellt werden. Dies gilt beispielsweise für miniaturisierte Applikatoren fürs MRT. Auch in der Messtechnik werden die faserverbundtechnischen Mikroprofile eingesetzt und in vor allem wegen ihrer geringen Temperaturdehnung geschätzt.
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