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Feiner Sprühnebel legt sich hauchdünn auf den Ballon

Oberflächentechnik: Ultraschallvernebelung trägt Wirkstoff und Polymer besonders effizient auf
Feiner Sprühnebel legt sich hauchdünn auf den Ballon

Es geht um Quadratmillimeter- und Nanometer-dünne Schichten, wenn Drug Eluting Balloons mit Wirkstoffen beschichtet werden. Die Ultraschallvernebelung hat sich dafür bewährt, lässt sich aber auch bei Implantaten oder Textilien einsetzen.

Bei der Behandlung von Arterienerkrankungen durch die Ballon-Angioplastie kam es immer wieder zur elastischen Wiederverengung von Gefäßen oder zur Verengung durch Zell-Wucherungen. Medikamentenfreisetzende Stents (Drug Eluting Stents, DES) sollen diese Neubildung und Verdickung der Gefäßinnenwand deutlich reduzieren.

Wo das erkrankte Gefäß zu schmal oder zu gewunden für einen Stent ist oder dieser wegen einer Sklerose nicht eingesetzt werden kann, kommen medikamentenfreisetzende Ballons (Drug-Eluting Balloons, DEB) als Behandlungsalternative in Betracht. Sie sollen wachstumshemmende Medikamente an die Zellwände abgeben – was Hersteller im Detail unterschiedlich gelöst haben. Bis zum Erreichen der Abgabestelle im Körper müssen aber alle DEB-Katheter innerhalb der Blutgefäße eine erhebliche Strecke zurücklegen. In aller Regel muss der Wirkstoff – meist Paclitaxel – daher durch eine Art Bindesubstanz auf dem Weg durch den Körper geschützt werden.
Bei vielen DEB, die in klinischen Studien untersucht werden, wird das Paclitaxel in eine hydrophile Matrix eingestreut. Sie schwillt auf ihrem Weg durch den Körper an und setzt beim Aufblasen den Wirkstoff frei. Die Eigenschaften dieser Beschichtung sind wichtig für den Erfolg einer DEB-Behandlung: Das Medikament muss homogen und schnellstmöglich an die Gefäßwände abgegeben werden, im Idealfall in weniger als einer Minute.
Für das Auftragen dieser Kombination aus Arznei und Bindemittel sind unterschiedliche Beschichtungstechnologien möglich. Idealerweise sollten folgende Kriterien erfüllt sein:
  • Gleichmäßige Beschichtung mit minimaler Varianz über die gesamte Länge und den Durchmesser des Ballons.
  • Die Methode muss eine einheitliche, wiederholbare Auftragung ermöglichen.
  • Medikament und Polymer dürfen beim Auftragen der Schicht nicht geschädigt werden.
  • Die Prozessvariablen müssen sich einfach kontrollieren lassen und auch Änderungen der Dicke oder Morphologie der Beschichtung ermöglichen.
  • Das Personal sollte für die Wartung oder Reinigung der Beschichtungsanlage möglichst wenig eingreifen müssen, um Verunreinigungen zu verhindern.
Eine der möglichen Beschichtungstechnologien, bei der alle diese Kriterien erfüllt sind, ist die Ultraschallvernebelung. Hierfür wird die Flüssigkeit durch den Mittelkanal von Düsen geleitet und hinterlässt an der Oberfläche der Düse einen dünnen Flüssigkeitsfilm. Wenn Schwingungen einer bestimmten Frequenz senkrecht auf diesen Flüssigkeitsfilm übertragen werden, nimmt die Flüssigkeit die Vibrationsenergie auf, und es entstehen im Flüssigkeitsfilm stehende Wellen. Deren Form kann durch den Prozess, zum Beispiel die gewählte Frequenz, beeinflusst werden. Für das Auftragen des Medikaments und des Polymers hat sich gezeigt, dass Frequenzen von 120 kHz und höher zu sehr guten Beschichtungseigenschaften führen. Daher wird diese hochfrequente Vernebelungstechnik heute bei der medizinischen Fertigung im industriellen Maßstab häufig angewandt.
Da die Vernebelung ausschließlich an der vibrierenden Oberfläche stattfindet, hängt die Menge der vernebelten Flüssigkeit einzig und allein von der Flussrate ab, mit der die Flüssigkeit zur Oberfläche transportiert wird. Daher lassen sich Ultraschallvernebler an die extrem niedrigen Flussraten anpassen, die bei der Beschichtung von DEB benötigt werden.
Die Tröpfchen in der Sprühwolke werden mit sehr niedriger Geschwindigkeit von der Vernebleroberfläche abgegeben, üblicherweise mit 0,25 bis 0,4 m/s. Ein typischer Druckvernebler hingegen erzeugt Tröpfchen mit Geschwindigkeiten von 10 bis 20 m/s. Ein feiner Nebel, dessen Tröpfchen viel weniger kinetische Energie aufweisen, überträgt die Wirksubstanz sehr effizient auf die medizinischen Geräte. Je teurer die Kombination aus Wirkstoff und Bindemittel ist, desto größer sind daher die möglichen Kosteneinsparungen.
Mit einem unter Niederdruck stehenden, luftformenden Gas (üblicherweise Stickstoff) lassen sich die Tröpfchen präzise in Richtung des Haftgrunds leiten. Die Fokusregion kann dann eine Breite von 0,25 mm bis 6 mm haben. Bei niedrigen Konzentrationen von Arznei und Bindemittel im Lösungsmittel ist es sehr einfach, die Schichtdicke bis in den Nanometerbereich herunter zu skalieren.
Solche Ultraschallverneblerdüsen werden in mehrachsige Handhabungssysteme integriert, welche die Bewegungen der Düse und des Haftgrunds kontrollieren. Um möglichst gleichförmige Beschichtungen zu erhalten, wird der Ballon mit konstanter Drehzahl in Rotation versetzt, während die Düse darüber hin- und herfährt. So überlappt sich das kreisförmige Sprühbild, und es entsteht die seit vielen Jahren bei DES-Anwendungen dokumentierte Gleichförmigkeit mit einer Toleranz von ± 2 %.
Die Technologie der Ultraschallvernebelung ist also eine präzise Sprühtechnik, die sich vom Prinzip her gut an die hier beschriebene, spezielle Aufgabenstellung anpassen lässt. Da sich unabhängige Variablen beinahe vollständig voneinander trennen lassen, ist die Technologie sehr gut für verschiedene Fertigungszwecke geeignet, von der Prozessentwicklung bis hin zur Massenproduktion. Für Drug Eluting Stents wird sie seit vielen Jahren verwendet, und manches deutet darauf hin, dass ihr auch in diesem neuen medizinischen Behandlungsgebiet der Drug Eluting Balloons ein großer Erfolg zuteilwerden könnte.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind das Beschichten von Stents, orthopädischen Implantaten, Blutprobengefäßen, Sensoren und Textilien mit biokompatiblen Polymeren, antimikrobiellen Stoffen und vielen anderen speziellen Beschichtungsmaterialien.
Brandon Gerhardt Sono-Tek, Milton/USA
Weitere Informationen Der amerikanische Anbieter Sono-Tek stellt die Ultraschallvernebelungsanlagen her. Distributor in Europa ist die Rubröder GmbH Factory Automation aus Bendorf. www.sono-tek.com Auf der Compamed: Halle 8b, Stand E31 www.rubroeder.de

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