Wenn Anforderungen für Medizinprodukte zu erfüllen sind, werden Heißkanalsysteme besonders komplex. Stephan Urban vom Kunststoff-Institut in Lüdenscheid rät dringend zu einer Analyse möglicher Fehlerquellen, bevor die Produktion startet.
Herr Urban, welche Rolle spielt die Heißkanaltechnik heute für die Produktion von Medizinprodukten?
In der Medizin werden viele Einwegprodukte verwendet, die in hohen Stückzahlen hergestellt werden. Dafür sind Werkzeuge mit vielen Kavitäten erforderlich, und gerade hierfür bietet die Heißkanaltechnik eine Reihe von Vorteilen. Daher ist sie in den Anwendungen für die Medizintechnik besonders häufig vertreten.
Die Technik an sich ist seit langem im Einsatz. Wieso bieten Sie dennoch Seminare zu diesem Thema an?
Wenn wir von Heißkanaltechnik sprechen, steckt mehr dahinter als nur ein beheizter Kanal. Das System ist sehr komplex, und der Erfolg in der Produktion hängt von vielen Faktoren ab. Das gilt insbesondere für die Medizintechnik, wo die Produkte besonderen Anforderungen genügen müssen. In unsere Seminare kommen daher beispielsweise Anwender, die den Einstieg in die Medizintechnik planen.
Welche speziellen Anforderungen müssen für die Medizintechnik beachtet werden?
Produkte, die in Kontakt mit dem menschlichen Körper kommen, müssen sauber sein. In biologischer Hinsicht ist das für das Spritzgießen kein Problem, da bei einer Schmelzetemperatur von über 200 Grad alle Keime absterben. Sauber müssen die Produkte aber auch im physikalischen Sinne sein: So dürfen für die Heißkanalsysteme bestimmte Stahlsorten nicht verwendet werden, die Schwermetalle enthalten. Diese könnten in geringsten Mengen ins Produkt gelangen und Allergien auslösen. Dennoch muss das Werkzeug thermisch und mechanisch stabil sein. Daher entwickeln die Anbieter ihre Werkstoffe ständig weiter. Darüber hinaus werden Medizinprodukte oft unter Reinraumbedingungen gefertigt. Dort ist es nicht möglich, Angussreste einfach abzublasen, ja sogar ihr Handling möchte man vermeiden, um wenig Verwirbelungen zu erzeugen. Neue Nadelverschlussdüsen, die elektrisch oder elektromagnetisch betätigt werden, sind für den Reinraum besser geeignet als Hydraulik oder Pneumatik. Und generell muss sicher sein, dass der Kunststoff thermisch nicht zu stark belastet wird – sonst könnten aggressive Abbauprodukte ins Medizinprodukt gelangen.
Wie lässt sich so ein komplexes System erfolgreich betreiben?
Diese Frage stellen uns häufig Anwender, die mit ihrem System Probleme in der Produktion haben. Leider lässt sich das nicht so einfach beantworten, sondern man muss alle Faktoren berücksichtigen. Unserer Erfahrung nach empfiehlt es sich daher dringend, mit einer FMEA-Analyse schon im Vorfeld die möglichen Fehlerquellen zu betrachten und ihre Auswirkungen zu bewerten. Nur dann lässt sich ein Produktionssystem so an die Anwendung anpassen, dass alle Vorteile der Heißkanaltechnik genutzt werden. Wir bieten diesen Service an und arbeiten eng mit Herstellern von Heißkanalsystemen und Werkzeugen sowie mit Anwendern zusammen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Das Kunststoff-Institut Lüdenscheid bietet Seminare zu Heißkanaltechnik und zum Einstieg in die Medizintechnik-Branche (20.11.). www.kunststoff-institut.de
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