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Keramik? Wenn von diesem Werkstoff in der Medizin die Rede ist, denken viel spontan an Zahnersatz, künstliche Gelenke oder Schrauben. Doch mit technischer Keramik lässt sich mehr anfangen. Sie ist hart, langlebig und leicht zu formen – und, was sie für die Medizintechnik besonders interessant macht, biologisch verträglich. Darüber hinaus ist sie flexibel genug, um sich an verschiedene anatomische Strukturen anzupassen.
Ein Experte für den Einsatz von Keramik im medizinischen Umfeld ist Stefan Zilm. Er leitet in der Sexauer Niederlassung der Schweizer Maxon AG das Business Development für den Bereich Ceramic und Metal Injection Molding, kurz CIM/MIM. Am Sexauer Unternehmensstandort hat sich in den vergangenen Jahren viel Know-how für keramischen und metallischen Pulverspritzguss entwickelt.
Potenzial der technischenKeramik ist oft nicht bekannt genug
Dass manche Konstrukteure dem Material Keramik immer noch mit Skepsis begegnen, könnte laut Zilm gegebenenfalls auf Missverständnisse zu den Eigenschaften des Werkstoffs zurückzuführen sein. Das sieht auch Zilms Kollegin Zeliha Yesilova so, Business Development Engineer im Geschäftsbereich Medical von Maxon: „Ein häufiger Einwand ist der vermeintlich hohe Preis für Material und Werkzeugkosten.“ Zwar sei die technische Keramik in der Regel teurer als Stahl oder Kunststoff, weil die Herstellung aufwendiger sei. „Dafür“, sagt Yesilova, „ist sie in der Regel widerstandsfähiger und erreicht eine längere Lebensdauer.“ Wer das Material richtig einsetze, könne sogar die Wartungs- und Reparaturkosten reduzieren.
Gewinde aus Zirkonoxid von Maxon schneiden bei hohen Drehzahlen besser ab als Stahl
Und wie ist es mit dem vermeintlich brüchigen Charakter? „Wir hören immer wieder, Keramik würde leicht brechen“, sagt die Medical-Fachfrau. Aber: „Technische Keramik hält heute extremen Belastungen stand“, betont sie. Der Werkstoff sei sehr biegefest und weise eine hohe Bruchzähigkeit auf.
Das gelte für Anwendungen im Körper, zum Beispiel bei künstlichen Hüftgelenkeinsätzen, die aus verschiedenen technischen Keramiken mit Anteilen von Zirkon- und Aluminiumoxid bestehen. Sie könnten hohe Belastungen tragen, vertrügen sich mit dem Körper und seien sehr haltbar. Höchsten Anforderungen werde der Werkstoff gerecht, wenn daraus Membranen und Filter für Dialysemaschinen oder die Biotechnologie hergestellt werden.
Technische Keramik ist für Medizinprodukte, aber auch für Diagnostik interessant
Keramik kann aber auch für Produkte oder Komponenten interessant sein, die nicht direkt mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen. „Ein wichtiger Bereich sind Geräte für die Diagnostik, beispielsweise Computer- oder Magnetresonanz-Tomographen“, weiß Zilm. Anwendungen gebe es darüber hinaus in Form von Schutzschichten oder in der Sensorik. Auch in Antrieben von Medikamenten- und Insulinpumpen spiele Keramik eine Rolle und sichere eine gleichmäßige und präzise Dosierung.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist laut Yesilova die Endoskopie-Technik. Da Keramik isoliert, hitzebeständig ist und sich gut sterilisieren lässt, sei sie ein gutes Material für Medizinprodukte wie chirurgische Instrumente, die für minimal-invasive Eingriffe konzipiert werden. In Herzunterstützungssystemen wiederum werden Komponenten in den Antrieben aus Keramik hergestellt.
Um die Vorteile des Materials zu nutzen, müssen auch Konstruktion und Verarbeitung passen. „Vermeintliche Nachteile wie längere Produktionszeiten und geringere Flexibilität lassen sich vermeiden, wenn Anwender und Hersteller frühzeitig zusammenarbeiten“, betont Yesilova. Keramik-Wissen helfe zum Beispiel, Funktionen zu integrieren und die Teileanzahl zu reduzieren. „Hier unterstützt auch spezielle CAD-Software“, sagt die Maxon-Mitarbeiterin. In puncto Prozessstabilität, die zu konstanter und reproduzierbarer Qualität führe, unterscheide sich Keramik nicht mehr von Metall.
Seriennahe Teile aus technischer Keramik in 14 Tagen additiv gefertigt
Auch Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck sind für Keramik einsetzbar. Es dauere nicht mehr mehrere Wochen und Monate, bis seriennahe Teile vorliegen. „Wir brauchen bis dahin maximal 14 Tage“, sagt Stefan Zilm. So lasse sich der Entwicklungsprozess günstiger gestalten, da zunächst keine teuren Spritzguss-Werkzeuge notwendig seien. „Je nach Bauteil und benötigten Stückzahlen ist es sogar möglich, Vor- und Kleinserien additiv zu fertigen.“ Diese Überlegung lohne sich, wenn nur geringe Stückzahlen gebraucht werden oder ein langsamer Hochlauf der Stückzahlen geplant sei.
Neue Möglichkeiten zur Herstellung keramischer Multi-Material-Bauteile im 3D-Druck
Auch die Nacharbeit an gedruckten Bauteilen ist Alltag – um Toleranzen einzuhalten oder eine Oberflächengüte zu erreichen. „Wir können Keramik mit einem Ultrakurzpulslaser bearbeiten und so kleine Federn oder Festkörpergelenke herstellen“, sagt Yesilova. Bauteile lassen sich damit auch beschriften, gravieren, strukturieren, schneiden und drehen.
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