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Sounddesign für die Medizintechnik

Akustik von Medizingeräten
Sounddesign für die Medizintechnik

Auch Medizinprodukte machen Geräusche. Damit diese für Anwender und Patienten nicht nur nicht stören, sondern sogar möglichst gut klingen, lassen sich Sounddesign-Technologien für die Medizintechnik nutzen. Erfahrungen aus der Automobilindustrie helfen dabei – mit Blick auf neue Produkte, aber auch mit Blick auf gebrauchte Geräte, die durch Geräuschentwicklung auffallen.

Kirsten Schild
Bertrandt Medical, Ehningen

Der Zahnarztbohrer. Für viele ist er der Grund für die Angst vor dem Zahnarztbesuch. Oft schmerzt das Bohren gar nicht – aber dieses Geräusch! Schrille Geräusche waren in der Entwicklung der menschlichen Vorfahren häufig ein Zeichen von Gefahr. Das Gehirn hat sich das offenbar gemerkt. Denn misst man die Lautstärken von modernen Zahnarztbohrern, stellt man fest, dass diese oft gar nicht besonders laut sind. Ist es also nicht nur die Lautstärke, die uns zusammenzucken lässt?

In der Automobilindustrie hat diese Vorstellung zur Wirkung von Klängen bereits dazu geführt, auch Geräusche in der Entwicklung zu berücksichtigen, ihnen ein Design zu geben. Das Ziel ist also, die akustischen Eigenschaften von Bauteilen zu optimieren – was heute bereits als unverzichtbar gilt. Insbesondere im Premiumsegment ist es wichtig, dass sich Marken akustisch voneinander unterscheiden.

Sounddesign für die Medizintechnik: Wie könnte ein Zahnarztbohrer klingen?

Im Vergleich dazu hat ein Zahnarztbohrer noch viel Potenzial. Stellen Sie sich vor, Sie säßen auf dem Zahnarztstuhl, Stille im Raum, der Arzt beugt sich mit dem Bohrer über Sie – und dann baut sich ein angenehmer Sound mit leisen Bassklängen auf. Wäre das machbar? Auf jeden Fall bieten die Erfahrungen aus der Automobilentwicklung einige wertvolle Ansätze, wo und wie man den Klang von Geräten für die Medizin verbessern kann.

Dass störende Geräusche bei Menschen sogar zu psychischem und körperlichem Stress führen können, haben Studien gezeigt. Der erste Schritt, solche Geräusche zu eliminieren, ist immer, ihre Ursache zu finden. Ingenieure der Bertrandt Medical GmbH, Ehningen, gehen diesen mit akustikspezifischen Methoden wie MKS, FEM und SEA auf den Grund – und zwar bereits in der frühen Konzeptphase der Produktentwicklung. Denn zu diesem Zeitpunkt können die akustischen Eigenschaften des Systems schon bewertet werden, indem Konzepte erstellt und erste Simulationen durchgeführt werden.

Vibroakustische und aeroakustische Simulationen eignen sich, um zu bestimmen, wie sich Schallfelder ausbreiten und Schalldruckpegel verteilen. Die Visualisierung dieser Ergebnisse ist eine gute Grundlage für die weitere Optimierung eines Bauteils.

Auf der Suche nach der Ursache für unerwünschte Geräusche an Medizingeräten

Die zu erwartenden Geräusche hängen zum Beispiel davon ab, wie bewegliche Teile aussehen und welche Antriebe und Materialien verwendet werden. Sind Probleme erkennbar, lassen sich die Schallquellen reduzieren oder ausschalten. Dazu können beispielsweise die Steuerung von Motoren, die Gestaltung von Führungen oder die Wahl des Materials verbessert werden.

Lässt sich das störende Geräusch nicht vollständig beseitigen, gibt es vielleicht die Möglichkeit, es zumindest zu reduzieren. Dämmmaterialien oder die Lagerung von Komponenten mit schalldämmenden Substanzen kommen dafür in Frage. Dämmmaterial kann durch die Integration von Luftkanälen auch noch einen zweiten Vorteil bieten, nämlich die Temperatur effektiver zu kontrollieren. Dieser Ansatz wird beispielsweise bei diagnostischen Systemen verfolgt.

Auch Veränderungen der Bauteilgeometrie können die Geräuschentwicklung minimieren – wenn zum Beispiel Turbulenzen von Luftströmungen ungewollte Geräusche verursachen. In einem konkreten Fall ergaben Untersuchungen, die Bertrandt mit eigenen Akustikprüfständen und Messeinrichtungen für Auftraggeber ausführte, dass Resonanzen auftraten. Diese zeigten sich bei Schwingungs-/Modal-, Frequenzgang- und Betriebsschwingungsanalysen. Die Akustik des Bauteils wurde auf Basis des aktuellen Konstruktionsstands simuliert. Im realen Modell wurden dann diese Abschnitte versteift, um das Geräusch, das bei Benutzung des Geräts entsteht, zu mindern.

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Im Akustiklabor lassen sich Details von Geräten und Bauteilen analysieren, um herauszufinden, woher Geräusche kommen – oder, wie sich die Geräusche verändern lassen
(Bild: Bertrandt)

Simulation fürs Sounddesign: So lässt sich ein Bauteil – auch für Medizinprodukte – akustisch verbessern

Wie genau so eine Versteifung erfolgen muss, lässt sich durch das exakte Vermessen der Bauteilgeometrie berechnen – auf einige Millimeter genau. So kann bereits vor dem Bau eines Prototyps die Konstruktion gemäß der Simulation angepasst werden. Die Simulationsphase dauert so lange an, bis sichergestellt ist, dass die Maßnahmen in der Bauteilgeometrie die gewünschte Wirkung zeigen. Der entsprechende physische Prototyp muss sich dann unter realen Bedingungen in der Messkammer beweisen. Diese Messungen erfolgen parallel zu den Iterationsstufen der Prototypenentwicklung und sind Bestandteil des Produktentstehungsprozesses.

Virtuelle 3D-Modelle hörbar machen

Mit der Messtechnik bei Bertrandt lassen sich über Sensoren auch Luft- und Körperschall von medizinischen Geräten messen und analysieren. Diese Möglichkeit wird bereits für einzelne Komponenten, Bauteile oder Werkzeuge, aber auch komplette Geräte genutzt. Per Modal- und Transferpfadanalyse untersuchen die Ingenieure die Strukturdynamik oder Schwingungen während des Betriebs.

Sounddesign in der Medizintechnik: Wie Menschen die Geräusche eines Gerätes erleben

Doch wichtig ist ebenso, wie Menschen die Geräusche eines Gerätes erleben. Neben der Prüfung in der Messkammer laufen daher die bisherigen Analysen im Probandenlabor weiter. Das Psychoakustiklabor untersucht subjektive Reaktionen der Probanden – mit Kopfhörern, Lautsprecher- und Körperschallwiedergabe.

Darüber hinaus steht ein Kunstkopf zur Verfügung, der anatomisch dem menschlichen Ohr gleicht. Er eignet sich, um binaurale Aufnahmen durchzuführen. Filter sorgen während der Aufnahmen für einen nahezu gleichen Eindruck. An der Stelle der menschlichen Gehörmuschel sitzt hier aber ein Sensor. Mit so einem Kunstkopf lassen sich Messungen beliebig oft reproduzieren, um Untersuchungen wie Benchmark-Analysen oder Maßnahmen der Geräuschoptimierung durchzuführen.

Untersucht auf störende Geräusche werden aber nicht nur zu entwickelnde Medizingeräte, sondern auch bestehende Systeme – zum Beispiel dann, wenn Störgeräusche im Laufe der praktischen Anwendung auftreten. Selbst, wenn das Produkt bereits auf dem Markt eingeführt ist, lassen sich die Analysen wiederholen, um Produkte weiterzuentwickeln oder deren Lebenszyklus zu verlängern.

Der Ton macht die Musik – auch in der Medizintechnik


Weitere Informationen

Die Bertrandt Medical GmbH mit Hauptsitz in Ehningen ist Teil des Bertrandt-Konzerns, als Entwicklungspartner in der Medizintechnik bundesweit tätig und nach ISO 13485 zertifiziert.

www.bertrandt.com/branchen/medizintechnik

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