Herr Bracklo, die Vanguard AG bereitet medizinische Instrumente bereits seit rund 20 Jahren auf. Inwieweit hat sich das Remanufacturing verändert?
Zum einen sind medizinische Instrumente komplexer geworden, was die Wiederherstellung anspruchsvoller macht. Moderne Ablationskatheter zum Beispiel, mit denen man Muskelgewebe bei Herzrhythmusstörungen verödet, haben enge Lumen, durch die Kühlmittel geleitet wird. Für das Remanufacturing brauchen wir zur zuverlässigen Reinigung und Desinfektion solcher Instrumente Spezialmaschinen, die wir selbst entwickelt haben, weil eine Reinigung mit handelsüblichen Anlagen nicht funktioniert. Aktuell gibt es aber noch eine ganz andere Entwicklung. Der Aspekt Nachhaltigkeit wird für unsere Kunden, die Krankenhäuser, immer wichtiger. Wiederhergestellte Produkte sind nicht nur deutlich günstiger als das Neuprodukt, der CO2-Fußabdruck ist auch dramatisch niedriger. Spielte bislang für die Kliniken vor allem das Thema Wirtschaftlichkeit die entscheidende Rolle, so hören wir inzwischen immer öfter, dass Kunden Wert darauf legen, Ressourcen zu schonen.
Und gibt es einen nennenswerten Effekt?
Wir haben von der Fraunhofer-Gesellschaft untersuchen lassen, wie groß die CO2-Einsparungen sind. Die Emissionen sind bei wiederhergestellten Produkten etwa 50 Prozent geringer. Das ist erheblich. Dieser Nachhaltigkeitsaspekt verbunden mit den deutlichen Einsparungen von bis zu 50 Prozent hat jetzt auch die staatlichen National Health Services in Großbritannien dazu bewogen, künftig verstärkt auf wiederhergestellte Produkte zu setzen. Wir bauen aktuell das Medical-Remanufacturing-Programm der National Health Services stark aus.
Steht denn nicht die neue Europäische Verordnung für Medizinprodukte, die MDR, dieser Zusammenarbeit entgegen?
Im Gegenteil, die MDR schafft zum ersten Mal ein einheitliches Regelwerk für das Medical Remanufacturing von Einwegprodukten. Das Regelwerk der MDR ermöglicht EU-weit die Kreislaufwirtschaft für Einwegmedizinprodukte nach einer einheitlichen CE-Zertifizierung. Damit haben wir dann quasi eine europäische Zulassung.
Andererseits haben Sie damit dieselben Gewährleistungspflichten wie der Hersteller des Produktes. Viele halten das für eine Überregulierung.
Ich halte es für richtig, dass das Remanufacturing-Unternehmen die Produkthaftung übernimmt. Einige der Anforderungen für eine CE-Kennzeichnung sind aber übertrieben. Wir müssen zum Beispiel durch Reverse Engineering Bauteilepläne und technische Zeichnungen erstellen – für ein Produkt, das es ja schon gibt. Das verursacht vermeidbare Zusatzkosten. Nach den Artikeln 17 III und IV der MDR können die Nationalstaaten es aber auch erlauben, Artikel in Verkehr zu bringen, die die so genannten gemeinsamen Spezifikationen der EU erfüllen – wesentliche medizinische und technische Anforderungen. Diese Vorschriften sind eher auf die besondere Situation des Medical Remanufacturing ausgerichtet.
Die MDR ist also kein Hemmschuh?
Nein, sie eröffnet uns neue Märkte. In den vergangenen zehn Jahren waren die USA und Deutschland die einzigen Länder weltweit mit Regelungen zur Aufbereitung von Einmalprodukten. Andere Länder konnten von den Vorteilen der Kreislaufwirtschaft nicht profitieren. Durch die EU-weite Regulierung ergeben sich für uns jetzt Märkte in anderen Ländern.
Dennoch erhöht die MDR den Aufwand für die Zulassung von wiederhergestellten Artikeln.
Natürlich. Wir haben uns aber schon in den vergangenen Jahren darauf vorbereitet. Etwa die Hälfte unseres Portfolios trägt inzwischen ein CE-Kennzeichen. Den anderen Teil werden wir in Deutschland, unserem größten Markt, nach den neuen gemeinsamen Spezifikationen zertifizieren. Für ältere Artikel, die wir mittelfristig ohnehin aus dem Programm genommen hätten, lohnt es sich nicht, die Kosten einer CE- oder CS-Zulassung aufzuwenden. Alles in allem sehen wir in der MDR mehr Vorteile als Nachteile.
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