Ohne Glasfaser kein Internet und keine störsichere Datenübertragung über lange Distanzen. Auch in der Medizintechnik haben Glasfasern längst Einzug gehalten: Mit dem Licht, dass sie weiterleiten, lassen sich Nierensteine zertrümmern und über die optische Kohärenztomographie (OCT) Bilder erzeugen. Auch beim Navigieren von Instrumenten in der minimal-invasiven Chirurgie sind die Fasern nützlich.
Zumeist sind diese Funktionen in verschiedenen Geräten verfügbar. Aber was wäre, wenn sich das Navigieren, das Analysieren und das Erzeugen von Bildern nicht nur in einem Gerät, sondern sogar in einer einzigen Glasfaser vereinen ließen? Einer Faser, die dann nicht nur die Diagnose unterstützt, sondern gleich die Therapie übernimmt, indem sie mittels Laserlicht auch noch als bösartig erkannte Gewebebereiche zerstören kann?
Diesen Ansatz verfolgen die Forscher und Entwickler von OFS, einem US-amerikanischen Hersteller von Spezialglasfasern. Ihr Ausgangspunkt sind verschiedene Glasfasern, die schon jetzt in der Medizintechnik im Einsatz sind. Sensorfasern mit mehreren Faserkernen beispielsweise ermöglichen es den Ärzten, im OP bei minimal-invasiven Eingriffen zu navigieren.
Diese Fasern besitzen mehrere Kerne in einem gemeinsamen Fasermantel. Sie können in einen Katheter oder ein Endoskop integriert sein. Beim Einführen der Medizinprodukte in den Körper werden diese in verschiedene Richtungen gebogen und bewegt – und mit ihnen die Sensorfasern. Dabei werden die über den Querschnitt der Faser verteilten Kerne unterschiedlich stark gestreckt oder gestaucht. Diese Veränderungen lassen sich optisch messen und auswerten. So kann der Weg berechnet werden, auf dem sich Katheter oder Endoskop samt Faser durch den menschlichen Körper bewegen – und aus dem Weg wiederum lässt der Ort ableiten, an dem sich die Spitze des Medizinproduktes gerade befindet.
Anforderungen für MDR und FDA erfüllen die Fasern schon
So eine Faser bringt bereits alle Eigenschaften mit, die sie braucht, um in einem Medizinprodukt eingesetzt zu werden. Das Material ist biokompatibel, es lässt sich mit Ethylenoxid sterilisieren und erfüllt auch alle weiteren Anforderungen, die MDR und FDA an Medizinprodukte und deren Komponenten stellen.
Nun geht es darum, zusätzlich zur Navigation, Laserlicht geringer Leistung für die Diagnostik sowie leistungsstarkes Laserlicht zur Therapie über die gleiche Faser zu übertragen. Damit könnte der Arzt nicht nur auf dem Monitor sehen, wo sich das Instrument befindet, sondern auch erkennen, wie das Gewebe dort geartet ist. Sollte ein Tumor erkennbar sein, kann der mit dem Instrument, das er in den Händen hält, die Therapie starten und Gewebebereiche mittels Laser zerstören.
Die hierfür erforderliche optische Diagnose – auch als optische Biopsie bezeichnet – ist beispielsweise mit der Fluoroskopie möglich. In diesem Fall bekommt der Patient vor dem Eingriff eine Chemikalie, die mit einer bestimmten Wellenlänge dazu angeregt wird, Strahlung auszusenden. Die Wellenlänge des abgestrahlten Lichts ist bei gutartigen und bösartigen Gewebestrukturen unterschiedlich und ermöglicht die Differenzierung der Gewebebereiche.
Um das Bild des fluoreszierenden Gewebes wiederzugeben, sind verschiedene bildgebende faseroptische Verfahren denkbar. Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist eine davon. Bei den meisten bisher verfügbaren Lösungen für die Bildgebung muss die verwendete Faser rotieren, um zu einem dreidimensionalen Bild zu kommen, braucht also einen Antrieb. Dieser kann bei dem Ansatz, den OFS wählt, entfallen, da die Entwickler über eine Mehrmodenfaser und spezielle Berechnungsverfahren zu einem Bild kommen.
Heutige Endoskope verwenden meist Faserbündel mit Durchmessern von insgesamt mehreren 100 µm. Jede einzelne dieser Fasern im Bündel überträgt ein Pixel des Bildes. Die einzelnen Pixel lassen sich aber in einer einzigen Faser übertragen, wenn man eine Mehrmodenfaser verwendet. Sie überträgt die einzelnen Pixel in ihren verschiedenen Moden. Um Dispersionseffekte zu entfernen, wird dabei eine Transmissionsmatrix verwendet.
Wenn sich die Faser während der Übertragung bewegt, verändert sich auch die Transmissionsmatrix. Da Bewegung in medizinischen Anwendungen unvermeidlich ist, muss daher kontinuierlich rekalibriert werden. Dafür lassen sich die durch die Faser-Sensorik für die Navigation gewonnenen Informationen verwenden.
Mehrmodenfaser hat sich im Labor bereits bewährt
Kohärentes Laserlicht wird also über die Mehrmoden-Faser zum Gewebe übertragen. Dabei findet eine Modenüberlagerung statt. Ein angesteuertes LCD-Filter erlaubt den Zugriff auf die reflektierten Moden. So lässt sich das Bild des Gewebes über die Transmissionsmatrix berechnen.
In den Labors von OFS wurden bereits Versuchsaufbauten zur Sensorik, Diagnose und Leistungsübertragung über eine Faser umgesetzt. Damit sind beispielsweise extrem dünne Endoskope oder intelligente Katheter herstellbar.
Lasertechnik Lithotripsie: Steinfangkörbchen bringt die Laserfaser gleich mit
Bis die Technologie in einem Medizinprodukt am Patienten eingesetzt werden kann, ist zwar noch einiges zu tun. Die verschiedenen Laser und andere optische Komponenten müssen zusammen mit den elektrischen und elektronischen Bauteilen in ein krankenhaustaugliches Gehäuse eingebaut werden. Außerdem muss die Software zum Bedienen, Visualisieren und Steuern in eine „medizingerätetaugliche“ Form gebracht werden.
Derzeit suchen die Faserexperten Partner aus der Medizintechnik-Industrie. Mit diesen wollen sie gemeinsam die Möglichkeiten ausloten, wie sich die im Labor nachgewiesenen Eigenschaften der Fasern in medizinischen Geräten zum Nutzen der Patienten anwenden lassen.
www.ofsoptics.com
Auf der Compamed: Halle 8a, Stand N35
(Bild: volff/stock.adobe.com)
Wie Glasfasern Licht weiterleiten
Das Grundprinzip der optischen Übertragungstechnik über Glasfasern beruht darauf, dass am Fasereingang Licht eingekoppelt wird. Dieses kann von einer Laserquelle kommen oder von einer LED .
Die Faser selbst besteht aus zwei Glasmaterialien mit unterschiedlichem Brechungsindex. Das eine Material bildet den Kern, das andere den Mantel, der den Kern umgibt.
An der Grenzfläche beider Glasmaterialien wird Licht, das darauf trifft, reflektiert. Das führt dazu, dass sich Lichtwellen in der Faser longitudinal ausbreiten, selbst wenn diese an mehreren Stellen gekrümmt ist.
Das muss – möglichst verlustarm – auch funktionieren, wenn die Faser engen Biegeradien ausgesetzt ist, sie also einem Gefäß folgt und stark gekrümmt ist.