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„Was harmlos klingt, ist trotzdem oft verboten“

Kartellrecht: Bundesamt nimmt jeden Informationsaustausch genau unter die Lupe
„Was harmlos klingt, ist trotzdem oft verboten“

Hohe Bußgelder drohen, wenn sich Gespräche mit Wettbewerbern um das künftige Marktgeschehen drehen. Was darunter fällt, ist weit gefasst. Viele Unternehmen sehen die Risiken aber noch nicht, warnt Expertin Dr. Heidi Wrage-Molkenthin.

Frau Dr. Wrage-Molkenthin, wieso können Verstöße gegen das Kartellrecht die Unternehmen heute teuer zu stehen kommen?

Das Bundeskartellamt hat seine Kartellverfolgungsaktivitäten in den vergangenen Jahren intensiviert und professionalisiert. So wurde die Personalstärke in diesem Bereich deutlich erhöht. Für die Unternehmen ist das Entdeckungs- und Bußgeldrisiko gestiegen. Das zeigt sich auch an der Höhe der im Jahreslauf verhängten Bußgelder. Die Hälfte solcher Bußgeldverfahren geht heute übrigens auf die so genannte Bonusregelung zurück, die umgangssprachlich auch als Kronzeugenregelung bezeichnet wird. Sie gilt seit 2006 und besagt, dass jemand, der das Bundesamt über Verstöße gegen das Kartellrecht informiert, bußgeldfrei ausgehen kann. So eine Regelung soll alle Kartellrunden destabilisieren, da man nie weiß, wer mit am Tisch sitzt. Und das scheint auch sehr gut zu greifen. Und man muss wissen, dass auch die Definition eines Verstoßes weiter gefasst ist als früher.
Was fällt denn alles unter „Verstöße gegen das Kartellrecht“?
Natürlich klassische Kartelle, wie Preisabsprachen, Quotenaufteilungen oder ein gemeinsamer Termin für eine Preiserhöhung, die zwischen Wettbewerbern abgestimmt werden. Diese werden als horizontale Kartelle bezeichnet. Daneben sind aber auch wettbewerbsbeschränkende Abstimmungen zwischen Herstellern und Händlern unter Beobachtung – die so genannten vertikalen Einigungen, die ebensowenig zulässig sind. Und inzwischen auch der Austausch marktstrategischer Informationen.
Was ist damit gemeint?
Das Kartellamt hat sich natürlich schon immer für den Informationsaustausch interessiert, wenn er ein klassisches Kartell begleitete. Heute sind die Beamten aber gegenüber allen Arten von Informationsaustausch zwischen Teilnehmern eines Marktes außerordentlich skeptisch. In Entscheidungen des Bundeskartellamtes ist die Rede von „jeder Fühlungnahme“ zu Wettbewerbern, die geeignet ist, Unsicherheiten über das zukünftige Marktgeschehen aufzuheben. Das schließt schon das wenig konkrete Gespräch über grundsätzlich mögliche Preiserhöhungen ein, mögliche Reaktionen des Marktes darauf oder denkbare Zeitpunkte dafür, auch über die Absicht, an einer Ausschreibung teilzunehmen oder nicht – kurz alles, was eine bessere Einschätzung der zukünftigen Marktentwicklung zulässt.
Gibt es weitere konkrete Themen, die mit Vorsicht zu genießen sind?
Eine ganze Reihe. Dazu zählen auch der Umgang mit schwierigen Kunden, der Ablauf von Konditionsverhandlungen, aktuelle Forderungen des Handels und mögliche Reaktionen der Hersteller. Den Austausch hierzu unter Wettbewerbern will das Bundeskartellamt unterbinden. Wie sehr das die Unternehmen verunsichert, merken wir in Gesprächen und bei Veranstaltungen.
Was ist denn noch erlaubt?
Die Positivliste ist ernüchternd kurz. Ein Austausch zu politischen Themen, zum Beispiel einschlägigen Gesetzgebungsvorhaben, oder historischen Unternehmensdaten – die also mindestens ein Jahr alt sind – ist als grundsätzlich unbedenklich anzusehen. Aber selbst hier muss man fragen, ob solche Daten beschafft werden, um zukünftige Verhaltensweisen vorherzusehen. Dann wird es schon wieder schwierig.
Dürfen Hersteller von Medizinprodukten überhaupt noch miteinander reden?
Eine gewisse Vorsicht ist ratsam, denn wie auf alle anderen Branchen richtet das Bundeskartellamt seine Aufmerksamkeit auch in diese Richtung. Im Bereich der Medizinprodukte gab es bereits zwei Bußgeldverfahren, die zu Strafen von 3 und 10 Millionen Euro für zwei Unternehmen führten. Betroffen waren der Hörgeräte- und der Kontaktlinsenbereich, wobei es in beiden Fällen um Absprachen über Wiederverkaufspreise im Handel ging – also um einen vertikalen Kontakt zwischen Hersteller und Händler. Im Bereich der Brillengläser gab es ein Verfahren mit insgesamt über 110 Millionen Euro Bußgeldern zu einem horizontalen Kartell.
Welche Strafen drohen denjenigen, die gegen das Kartellrecht verstoßen?
Bußgelder werden gegenüber Unternehmen oder gegenüber natürlichen Personen verhängt. Für das Unternehmen kann die Höhe des Bußgeldes bis zu zehn Prozent des Konzernumsatzes aus dem vergangenen Geschäftsjahr betragen. Für eine natürliche Person – sei es der Mitarbeiter, der an einem Gespräch teilgenommen hat, oder der Geschäftsführer, der seiner Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist – kann das Bußgeld maximal eine Million Euro betragen.
Stehen auch die Treffen beispielsweise unter Verbandsmitgliedern unter Beobachtung?
Treffen unter dem Dach eines Verbandes schaffen keinen kartellrechtlichen Ausnahmezustand. Es hat übrigens kürzlich auch ein Bußgeldverfahren gegen einen Verband gegeben, der in einer Pressemitteilung eine Preiserhöhung wegen gestiegener Rohstoffpreise angekündigt hatte. Auch so eine öffentliche Ankündigung schränkt aus Sicht des Bundeskartellamtes den Geheimwettbewerb ein.
Sind Informationen, die ein Verband herausgibt, eine sichere Quelle?
Auch die Verbände müssen darauf achten, dass die Marktdaten keine einzelnen Unternehmen oder Geschäfte erkennbar machen – auch nicht für Kenner eines Segmentes. So lange viele Anbieter an einer Studie teilnehmen, dürfte das gegeben sein. Wenn sich der Markt auf wenige Unternehmen beschränkt, könnte eine Vorgabe verletzt sein.
Was kann man tun, um sich nach bestem Wissen und Gewissen gesetzeskonform zu verhalten?
Einige Verbände haben für sich und ihre Mitglieder bereits Verhaltensregeln herausgegeben, der ZVEI zum Beispiel geradezu vorbildlich schon im Jahr 2007. Darin stehen zum Teil ganz banale Dinge: Dass es für Treffen in Gremien eine Tagesordnung gibt, dass ein Compliance-Beauftragter im Vorfeld befragt wird, wenn ein Punkt kartellrechtlich heikel werden könnte, dass eine Sitzung unterbrochen wird, wenn sich die Gespräche akut in eine problematische Richtung entwickeln, und dass dieses Vorgehen dokumentiert wird. Solche Maßnahmen sind auch für einzelne Unternehmen oder Mitarbeiter wichtig: Wenn sich die Gesprächsrunde auf gefährliches Terrain bewegt, legen Sie Widerspruch ein oder gehen Sie, bevor Sie Informationen bekommen oder geben, die einen Verstoß gegen das Kartellrecht bedeuten. Und lassen Sie diesen Schritt protokollieren.
Was empfehlen Sie den Unternehmen?
Sich gut über die rechtliche Lage zu informieren und gegebenenfalls Mitarbeiter schulen zu lassen, um Unsicherheiten zu vermeiden. Im Gespräch mit Wettbewerbern können selbst Dinge, die harmlos erscheinen, in einem Bußgeldverfahren relevant sein.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen www.cms-hs.com
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