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Compliance-Fragen werden wichtiger

Korruption im Gesundheitswesen: Neues Gesetz droht mit Haftstrafen
Compliance-Fragen werden wichtiger

Compliance-Fragen werden wichtiger
Dr. Jochen Bernhard ist Compliance Officer (Univ.) und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Kartellrecht und Antikorruption bei in Stuttgart Menold Bezler Rechtsanwälte
Die gesetzliche Neuregelung soll dazu führen, dass Unternehmen den bestehenden berufs- und sozialrechtlichen Vorschriften mehr Bedeutung beimessen. Rechtsanwalt Dr. Jochen Bernhard beschreibt, wann Verstöße drohen.

Herr Dr. Bernhard, warum ist es notwendig, der Korruption im Gesundheitswesen vorzubeugen?

Noch immer sind Incentives für Mediziner ein erheblicher Teil der Verkaufsbemühungen im Medizinproduktesektor. Die gesetzliche Neuregelung möchte diese nicht komplett abschaffen, sondern fordert Transparenz darüber, ob die Leistung und Gegenleistung bei der Zusammenarbeit von Unternehmen und Medizinern in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ärzte sollen Kaufentscheidungen für ein Produkt treffen, weil sie es für besonders gut halten und nicht, weil sie einen finanziellen Nutzen für sich daraus ziehen. Beispielsweise dürfen Geschenke und Einladungen, die bislang straffrei waren, nicht mehr unangemessen hoch ausfallen.
Was ist denn künftig noch erlaubt?
Für die Medizintechnik-Branche ist wichtig zu wissen, dass Kaufanreize, die Ärzte für den Bezug eines Behandlungsstuhls oder andere Ausstattungsgegenstände der Praxisräume bekommen, nicht vom Straftatbestand umfasst sind. Denn sie sind für den eigenen Bedarf des Arztes bestimmt und nicht zur Weitergabe an die Patienten gedacht. Das gilt auch für Röntgengeräte oder Software. Demgegenüber drohen Verstöße gegen das neue Gesetz bei Geschenken und Einladungen, wenn diese als Gegenleistung für den Kauf von Implantaten oder Verbandsstoffen zu sehen sind: Denn diese Produkte können sich unmittelbar auf das Patientenwohl auswirken. Skonti und Rabatte beim Kauf von Medizinprodukten sind hingegen nicht strafbar, wenn sie allen Kunden angeboten werden und nicht als persönliche Zuwendung für einen Arzt gedacht sind.
Wann überschreiten Ärzte und Unternehmen die Grenze zur Strafbarkeit?
Bei teuren Einladungen zu Theater-, Konzert- oder Sportveranstaltungen sowie auffällig hoch dotierten Beraterverträgen zwischen Ärzten und Herstellern von Medizinprodukten – wenn sie darauf abzielen könnten, die Bevorzugung der Produkte durch den Mediziner zu vergüten. Die Krankenkassen können beispielsweise ermitteln, ob ein Arzt ein Medizinprodukt auffällig häufiger als Kollegen verschreibt. Einladungen zu Kongressen und Fortbildungen werden zum Problem, wenn sie sich nicht in einem finanziell angemessenen Rahmen bewegen und Zweifel bestehen, ob die Weitergabe von Erkenntnissen über Diagnostik und Therapie tatsächlich im Vordergrund steht.
Was gilt für Anwendungsbeobachtungen?
Die Teilnahme an einer Anwendungsbeobachtung zur Wirksamkeit eines Elektrotherapiegerätes, Implantats oder Herzschrittmachers ist strafbar, sobald der Arzt mehr als eine Aufwandsentschädigung erhält und das Risiko besteht, dass er wirtschaftliche Interessen über das Wohl der Patienten stellt. Wichtig ist deshalb, den fachlichen, wissenschaftlichen Wert einer solchen Zusammenarbeit nachzuweisen und schriftlich zu dokumentieren.
Gibt es Wertgrenzen?
Das Gesetz nennt keine. Also muss man an der bisherigen Rechtsprechung zu Bestechungsdelikten anknüpfen. Grundsätzlich kann man einen Bagatellbetrag von 25 Euro annehmen. Teurere Werbegeschenke müssen aber nicht per se unzulässig sein. Sinnvoll ist, für höherwertige Präsente in den unternehmensinternen Compliance-Richtlinien eine interne Genehmigungspflicht etwa durch den Vertriebsleiter zu verankern. Im Einzelfall kann eine Flasche Champagner im Wert von 60 Euro zum 50. Geburtstag eines langjährigen Kunden angemessen sein, wenn kein Zusammenhang mit einem konkreten Beschaffungsvorgang besteht. Ein iPad für 600 Euro als Incentive für den Einkäufer im Krankenhaus ist dagegen im Zweifel als strafbare Bestechung zu werten. Ein Richter wird die Strafbarkeit nicht so sehr nach der Höhe der Zuwendung bemessen, sondern danach, ob ein Heilberufler sich emotional verpflichtet fühlen könnte, ein Produkt zu bevorzugen.
Wie können Unternehmen Verstößen vorbeugen?
Die Formulierungen im Gesetz sind leider sehr schwammig. Das können Unternehmen aber auch als Chance nutzen und die gesetzlichen Vorgaben in internen Verhaltensleitlinien für ihre Mitarbeiter konkretisieren. Jeder Mitarbeiter mit Kundenkontakt zu Ärzten und anderen Angehörigen von Heilberufen muss wissen, was er darf und was nicht. Wer bereits Compliance-Richtlinien aufgestellt hat, muss diese nur anpassen. Manche Mittelständler nutzen die bevorstehende gesetzliche Neuregelung aber auch, um zum ersten Mal verbindliche interne Compliance-Vorgaben für ihre Mitarbeiter festzulegen. Weil die Neuregelung im Strafrecht und nicht etwa in sozial- oder berufsrechtlichen Vorschriften steht, messen die Mitarbeiter dem regelkonformen Verhalten viel größere Bedeutung bei als bisher.
Welchen Aufwand bringt ein Compliance-System mit sich?
Das hängt stark von der Art, Größe und Organisation des Herstellers ab. Für mittelständische Unternehmen bieten sich Schulungsmaßnahmen, interne Verhaltensleitfäden und Stichproben zu verdächtigen Sachverhalten an. Die Mitarbeiter müssen anhand konkreter Beispiele ein Gespür bekommen für kritische Zweifelsfälle. Der Zeit- und Kostenaufwand hierfür ist meines Erachtens überschaubar.
Franziska Jandl Fachjournalistin in Stuttgart

Was das neue Gesetz vorsieht
Das Bundesjustizministerium schätzt den Schaden durch Korruption im Gesundheitswesen auf rund 10 Mrd. Euro jährlich und stützt sich dabei auf Untersuchungen von Transparency International Deutschland. Hintergrund der aktuellen Gesetzesreform ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs: Er entschied vor drei Jahren, dass Bestechung und Bestechlichkeit niedergelassener Ärzte nicht unter die geltenden Straftatbestände fallen. Mit zwei neuen Vorschriften im Strafgesetzbuch will Bundesjustizminister Heiko Maas diese Strafbarkeitslücke nun schließen.
Bestechliche Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten und andere Dienstleister im Gesundheitswesen sollen künftig bis zu drei Jahre in Haft, in schweren Fällen sogar bis zu fünf Jahre. Gleiches gilt für Mitarbeiter von Pharmaunternehmen und Hersteller von Medizinprodukten, wenn sie Angehörige von Heilberufen dafür entlohnen, dass sie ihre Produkte bevorzugen. Den Entwurf des Gesetzes hat die Bundesregierung Ende Juli beschlossen.
Der Staatsanwalt verfolgt die Delikte nur auf Antrag, es sei denn, er hält ein Einschreiten wegen besonderen öffentlichen Interesses für notwendig. Antragsberechtigt sind Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern oder gesetzliche und private Krankenkassen, nicht aber Patienten oder konkurrierende Hersteller und Ärzte. Auch die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige besteht nicht. Besonders von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die teilweise bereits für die Gesundheitsbranche existieren, sind Ermittlungen zu erwarten. Es ist damit zu rechnen, dass das Gesetz Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt.

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