Für kleine und mittlere Unternehmen oder auch Start-ups bedeutet die geltende Regelung zur Methodenerprobung eine schwer zu bewältigende Herausforderung. Laut Prof. Thomas Kersting vom Berliner Iges Institut ist der Aufwand erheblich.
Herr Professor Kersting, welche Kosten kommen in etwa auf den Hersteller zu, wenn ein Krankenhaus den Nutzen einer neuen Methode mit seinem Hochrisiko-Produkt bewerten lassen möchte und der G-BA eine Erprobung anstößt?
Genaue Zahlen gibt es noch nicht. Es zeichnet sich aber bereits heute ab, dass die administrativen und inhaltlichen Hürden hoch liegen. Bei einer mittelgroßen Studie mit 100 bis 500 Teilnehmern scheinen Kosten von etwa 3000 bis 5000 Euro je Teilnehmer realistisch, die der Hersteller des Medizinproduktes oder der Anbieter der Methode zu 100 Prozent zu tragen haben wird.
Welches Mitspracherecht haben Hersteller?
Das endgültige Studiendesign der Erprobung, die Auswahl von Studienzentren und andere Details bestimmt schlussendlich die „wissenschaftliche Institution“, die der G-BA – im Rahmen der von ihm erlassenen „Erprobungsrichtlinie“ – auswählt. Sie ist Sponsor und damit Entscheider über die Studie. Wer zahlt, bestimmt in diesem Falle nicht die Musik.
Wie wirkt sich diese Gesetzeslage Ihrer Einschätzung nach auf die Branche aus?
Die Einführung von Innovationen wird sich deutlich verlangsamen. Für kleine und mittelgroße Medizinprodukte-Hersteller oder Start-ups könnte die Markteinführung einer Innovation aus Kostengründen sogar unmöglich werden. Ohne qualifizierte wissenschaftliche Begleitung wird es Herstellern nur schwer gelingen, Nutzenbelege für innovative Diagnostik- und Behandlungsmethoden auf der Basis ihrer Medizinprodukte beizubringen und G-BA und IQWiG zu überzeugen.
Welche Unterstützung gibt es?
Der G-BA bietet Beratung an – beispielsweise zu der Frage, ob das theoretisch-wissenschafltiche Konzept einer Methode tatsächlich als neu gelten kann. Doch empfiehlt es sich, schon vor dem Wahrnehmen der Beratungsangebote ausreichend Zeit in die Vorbereitung zu investieren. Dafür sind umfangreiche Literatur-Recherchen und Aufarbeitungen erforderlich, denn Ergebnisse klinischer Studien aus dem Zulassungsumfeld haben große Bedeutung für die Nutzenbewertung. Damit ändert sich etwas Grundsätzliches: Der bisherige Erlaubnisvorbehalt als Grundsatz der ambulanten Erstattung wird de facto in den stationären Sektor übertragen und hebelt den bisher geltenden Verbotsvorbehalt in diesem Bereich aus.
Welche Parallelen sehen Sie zum Arzneimittelbereich?
Für die Nutzenbewertung im Arzneimittelbereich – das im Jahr 2011 eingeführte so genannte AMNOG-Verfahren – sind die Regeln für Anträge und Entscheidungen gut bekannt, und es mündet in die Preisbildung für das Produkt. Das Methoden-Erprobungsverfahren im Medizinproduktebereich zeigt demgegenüber noch erhebliche Unsicherheiten und zeitliche Unwägbarkeiten. Eine Preisbildung ist nicht unmittelbar Bestandteil des Verfahrens.
Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de
birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen
Die Iges GmbH Ist ein unabhängiges, privatwirtschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastrukturfragen und wurde 1980 von Wissenschaftlern der TU Berlin gegründet. www.iges.com
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