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Behalten Sie Ihren QMB – auch wenn Sie es nicht mehr müssen

Neuzertifizierung nach 9001:2015 und 14001:2015
Behalten Sie Ihren QMB – auch wenn Sie es nicht mehr müssen

Behalten Sie Ihren QMB – auch wenn Sie es nicht mehr müssen
Harald Baumhoff ist seit 2003 für LRQA tätig und verfügt als leitender Auditor für die Bereiche Qualität, Umwelt, Arbeitsschutz und Energie über viele Erfahrungen mit den Herausforderungen für die Unternehmen (Bild: LRQA)
Neuzertifizierung | Bis zum Herbst 2018 müssen sich Unternehmen, die ihre Zertifizierung nicht verlieren wollen, um die neuen Normen ISO 9001:2015 und ISO 14001:2015 gekümmert haben. Harald Baumhoff vom Zertifizierer Lloyd´s Register Deutschland berichtet, worauf es dabei seinen Erfahrungen nach ankommt.

Carl Ebelshäuser LRQA Lloyds Register Deutschland, Köln

Herr Baumhoff, die ISO 9001:2015 und 14001:2015 sind seit Ende 2015 veröffentlicht. Was sollten Unternehmen aus heutiger Sicht bei einer Neuzertifizierung beachten?
Der wichtigste Faktor ist eindeutig die Zeit. Wenn Unternehmen ihre Zertifizierung nicht verlieren wollen, müssen sie bis zum 14. September 2018 nach den neuen Normen zertifiziert sein. Zwar sind auch die neuen Anforderungen alle erfüllbar, aber bei dem einen oder anderen Unternehmen kann der Wechsel umfangreich und zeitaufwendig werden. Falls es in der Praxis zu einer Abweichung von einer Normvorgabe kommt, einer so genannten Non Conformity, gehen schnell vier bis sechs Wochen ins Land – und daher sollte man sich eher Mitte Juli als Termin setzen. Unternehmen, die das Thema noch nicht in Angriff genommen haben, sollten also sofort mit den Vorbereitungen anfangen.
Welche Erfahrungen haben Sie als Berater bisher mit den Umstellungen gemacht?
Nach den neuen Normen ist es nicht mehr zwingend vorgeschrieben, dass man im Unternehmen ein Qualitätshandbuch führt. Auch muss es keinen Qualitätsmanagementbeauftragten, also keinen QMB, mehr geben, und Verfahrensanweisungen wurden eingeschränkt. Dennoch rate ich den Unternehmen, die ich auditiere, diese Ausstattung beizubehalten, wenn sie im Unternehmen schon vorhanden war.
Warum sollten die Unternehmen den Spielraum nicht nutzen?
Wenn der QMB fehlt, ist die Geschäftsführung dafür verantwortlich, dass die Anforderungen der Norm eingehalten werden. Sie ist dann auch verantwortlicher Ansprechpartner für alle Fragen des Qualitätswesens. Und selbst wenn die neue Norm diese Lösung zulässt, sollte man nicht vergessen, dass beispielsweise das Qualitätswesen in vielen Unternehmen ein außerordentlich komplexes Gebiet ist. Ich persönlich befürchte, dass es dann nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit bekommt. Daher mein Rat, hier eher konservativ zu verfahren.
Welches Vorgehen empfehlen Sie für ein Neuzertifizierungsprojekt?
Der erste Schritt sollte sein, dass sich alle Verantwortlichen zu einer konstituierenden Sitzung zusammensetzen und eine Bestandsaufnahme machen. Man sollte sich über den Arbeitsumfang klar werden, die Anforderungen der neuen Normen mit der betrieblichen Wirklichkeit abgleichen und dann die entsprechenden Arbeitspakete schnüren. Einige Anforderungen gibt es, die in der Vergangenheit so nicht beschrieben wurden. Das ist aber für die meisten Unternehmen kein Problem.
Welche Anforderungen sind zum Beispiel neu?
Mit „Risiken und Chancen“ müssen sich die Unternehmen intensiver befassen als bisher. Aber mal im Ernst: Das ist ja nichts grundsätzlich Neues. Allerdings geschieht das oftmals nur losgelöst in den einzelnen Bereichen wie dem Einkauf, der abwägt welche Risiken ein günstigerer Lieferant gegenüber einem teureren Lieferanten haben könnte. Neu ist, dass diese Abwägung zwischen Risiko und Chance als Ganzes stattfinden muss, also strukturierter als bisher.
Welche Unterstützung bieten Sie für diesen Prozess?
Wenn es in den Unternehmen Unsicherheiten gibt, welche Punkte zu berücksichtigten sind, hilft eine Gap-Analyse. Sie zeigt, welche Punkte wie zu berücksichtigen sind und welcher Aufwand zu erwarten ist. Durchgeführt wird die Analyse unabhängig von der eigentlichen Zertifizierung, aber zum Beispiel auch von einem Zertifizierungsunternehmen wie Lloyd´s Register. Auch Trainings können als vorbereitende Maßnahme gute Dienste leisten. Aber natürlich ist es auch möglich, den Prozess allein zu bewältigen.
Welche Chancen bieten sich Unternehmen durch die neue Zertifizierung?
Die Strukturierung im Bereich Risiken und Chancen schafft eine transparentere Organisation und macht sichtbar, was vorher vielleicht übersehen wurden. Auch die Berücksichtigung der interessierten Kreise, wie es die Norm formuliert, zeigt, dass ein Betrieb in einem komplexeren Umfeld tätig ist als nur in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Welche Rolle spielen die so genannten interessierten Kreise in den Normen?
Da bieten die Normen einen ganz neuen Ansatz. Der Kontext der Organisation definiert ihr Innen- und Außenverhältnis. Hier geht es um ethische und moralische Grundlagen des Wirtschaftens, also um Fragen wie: Welche Standards werden im Unternehmen gelebt? Gibt es soziale Ziele? Werden Umweltschutz und Nachhaltigkeit gelebt? Diese Fragen haben mehr Bedeutung als früher. Qualifizierte Bewerber berücksichtigen heute neben dem Gehalt auch Überlegungen zur Sinnhaftigkeit und sozialen und ökologischen Fragen, die beim potenziellen Arbeitgeber eine Rolle spielen. Auch für die Kaufentscheidungen der Abnehmer ist der Kontext der Organisation ein wichtiges Entscheidungskriterium geworden. Hieraus folgt, dass man sich über dieses Thema grundsätzlich Gedanken machen muss. Es müssen aber zuerst alle potenziell interessierten Kreise erfasst werden.
Welche Besonderheiten gilt es im Bereich Medizintechnik zu beachten?
Der Medizinbereich ist aufgrund seiner besonderen Stellung bisher nicht so stark an den neuerdings auch extern gerichteten Blickwinkel der Norm gewöhnt. Externe Stakeholder standen bisher nicht im Zentrum des Interesses. Das unterscheidet den medizinischen Bereich beispielsweise vom industriellen Bereich. Im medizinischen Bereich sind dafür bei der Umstellung die Schnittstellen der neuen 9001:2015/14001:2015 Normen mit medizinischen Normen zu beachten.
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