Am Entwurf der neuen Medizinprodukte-Verordnung, den der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit des Europäischen Parlaments beschlossen hat, sehen Experten des Bundesverbandes Spectaris viele Ansatzpunkte für Kritik.
Der Ausschuss für Umwelt und Gesundheit des Europäischen Parlamentes beschloss jüngst den Entwurf für die neue Medizinprodukte-Verordnung. Dabei hat er dem Plenum sehr viel schärfere Regeln für den Marktzugang von Medizinprodukten vorgeschlagen, als der Vorschlag der Europäische Kommission vorsah. Nach dem Vorschlag des Parlamentes sollen zahlreiche Medizinprodukte einer zusätzlichen Überprüfung oder einer zentralen Zulassung unterzogen werden. Diese Aufgabe soll von insgesamt 21 unterschiedlichen Ausschüssen mit mehreren Hundert Experten aus allen Ländern der EU übernommen werden. Darüber soll nun das Plenum am 22. Oktober entscheiden.
Über den Entwurf der neuen Medizinprodukte-Verordnung sei die deutsche Medizintechnik-Industrie „geschockt“, teilt der Verband Spectaris mit – und die Entscheider in den Unternehmen seien zutiefst besorgt darüber, dass sich scheinbar viele der verantwortlichen Parlamentarier nicht darüber im Klaren seien, welche Auswirkungen dieser Beschluss auf die mittelständischen Medizintechnik-Unternehmen habe. Die Branche fordere daher einen „Stresstest“ und eine Überarbeitung der Beschlüsse. Dazu lud der Branchenverband Spectaris die Mitglieder des Europäischen Parlaments heute zu einer Sitzung in Brüssel ein.
„Wir unterstützen Regeln, die sinnvoll sind und nachweislich die Patientensicherheit verbessern“, so Martin Leonhard, Stellvertretender Vorsitzender des Fachverbands Medizintechnik beim Industrieverband Spectaris. Jedoch seien die vorgeschlagenen Neuregelungen alles andere als eine Verbesserung der Sicherheit. Es scheine, als wolle man vor der Legislaturperiode im Mai 2014 die Verordnung unbedingt beschlossen haben und sei deswegen durch die Abstimmung gehetzt. „Es wurden Kompromisse ausgehandelt, die keinem Praxistest standhalten würden“, so Leonhard. Bei dem Abstimmungsmarathon wurde über 1000 Änderungsanträge in einem 200-seitigen Gesetzentwurf in einer Stunde abgestimmt. Entstanden sei „ein Bürokratiemonster, das es erst einmal zu verstehen gilt“, ergänzt Leonhard.
Speziell, wenn es um hochinnovative Produkte gehe, werde „die Regelungswut unüberschaubar“. Mehr Gremien, viel mehr Verfahrensschritte, Verzögerungen um mehrere Jahre sollen nun drohen, ohne dass die Schöpfer des komplexen Regelwerks den Nachweis erbringen könnten, dass das Ziel erreicht wird: dem Patienten mehr Sicherheit zu geben.
Tobias Weiler, Geschäftsführer des Branchenverbands Spectaris, meint: „Hier wird ein neuer Zulassungsapparat geschaffen, der durch die Vielzahl der nicht aufeinander abgestimmten Änderungsanträge in sich schon keine Logik aufweist, keine zusätzliche Sicherheit bietet und die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständisch geprägten europäischen Medizintechnikindustrie leichtfertig aufs Spiel setzt.“ Der Vorschlag des Parlamentes gefährde damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen medizintechnischen Industrie und hochqualifizierte Arbeitsplätze in einer Wachstumsbranche am Standort Deutschland.
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