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„Guter Kompromiss für mehr Patientensicherheit“

Einigung zur neuen Medizinprodukteverordnung
„Guter Kompromiss für mehr Patientensicherheit“

Aus Sicht des BVMed ist die Einigung zur EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation – MDR) ein guter Kompromiss, der die Patientensicherheit in Europa weiter verbessere.

Der konsolidierte englischsprachige MDR-Text liegt jetzt vor. Er beruht auf den Ergebnissen des „informellen Trilogs“ von Parlament, Rat und Kommission vom 25. Mai 2016. Mit den neuen Regelungen werde das europäische Sicherheitsniveau „auf den hohen Standard der deutschen Regelungen angehoben“, so der BVMed.

Durch die neuen Regelungen würden wichtige Elemente aus dem deutschen Recht auch auf europäischer Ebene eingeführt. Dazu gehören unter anderem die verpflichtende Einführung eines Implantate-Passes, die Einführung der „verantwortlichen Person“ nach dem deutschen Vorbild des Medizinprodukte-Sicherheitsbeauftragten sowie die Orientierung an den deutschen Regelungen zur Durchführung von unangekündigten Audits (UAAs).
Auch die Harmonisierung der nationalen Marktüberwachung in den EU-Mitgliedstaaten orientiere sich an der Koordination der Marktüberwachungs-Maßnahmen in Deutschland. Weitere Aspekte seien die Pflicht zum Unterhalt einer Haftpflichtversicherung, die Bildung ausreichender Rücklagen für Schadensfälle nach dem Vorbild der deutschen Betriebshaftpflichtversicherung sowie die Verschärfung des Schutzes der Patientendaten. „Deutschland hat in der Vergangenheit die Regelungen zur Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten vorbildlich umgesetzt. Die europäische Harmonisierung dieser Regelungen wird zu einer weiteren Erhöhung der Patientensicherheit führen“, sagte BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt.
Zu den weiteren Maßnahmen der EU-Medizinprodukte-Verordnung gehört, dass die klinische Bewertung verschärft wird. Die Transparenz des Marktgeschehens wird durch die europaweite Datenbank Eudamed verbessert. Außerdem wird das „System der einmaligen Produktnummer“ (UDI – Unique Device Identification) verpflichtend eingeführt.
Nach wie vor kritisch beurteilt der BVMed das neue Scrutiny-Verfahren für bestimmte Medizinprodukte höherer Klasse, ein zusätzliches Prüfverfahren über das Konformitätsbewertungsverfahren der Benannten Stellen hinaus. Zwar sei das Verfahren gegenüber den ursprünglichen Plänen des Europäischen Parlaments nun fokussierter ausgestaltet. Die Regelung werde aber bei MedTech-Innovationen zu weiteren zeitlichen Verzögerungen durch Doppelprüfungen führen, ohne die Patientensicherheit zu erhöhen. Positiv bewertet der BVMed, dass das Expertenkomitee, welches das Scrutiny-Verfahren durchführt, von der Europäischen Kommission überwacht wird sowie klare zeitliche Fristen vorgegeben werden.
Das „Scrutiny-Verfahren“ wird mit besonderem Blick auf die klinische Bewertung durchgeführt und sieht im Kern folgende Vorgehensweise vor:
  • Die Benannte Stelle stellt fest, ob sie mit einem Konformitätsbewertungsverfahren beauftragt wurde, das die Anwendung des Scrutiny-Verfahrens erfordert. Das ist dann der Fall, wenn es sich um implantierbare Klasse III-Produkte oder aktive Klasse Iib-Produkte handelt, die dazu bestimmt sind, Arzneimittel an den Körper abzugeben. Bei Rezertifizierungen oder Modifikationen wird das Scrutiny-Verfahren nicht angewendet. Die Benannte Stelle informiert die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten, ihre Benennungsbehörde und die Kommission mittels Eudamed über die Entscheidungen.
  • Die Benannte Stelle erstellt einen Bericht über die Begutachtung der klinischen Bewertung des Herstellers („Clinical Evaluation Assessment Report“ – CEAR).
  • Der CEAR-Report und die Dokumentation des Herstellers zur klinischen Bewertung werden der Europäischen Kommission vorgelegt.
  • Die Kommission leitet die Unterlagen an das Expertengremium weiter.
  • Das Expertengremium entscheidet innerhalb von maximal 21 Tagen, ob eine wissenschaftliche Stellungnahme zum CEAR vorgelegt wird oder nicht – und teilt seine Entscheidung der Kommission via Eudamed mit.
  • Sieht das Gremium die Notwendigkeit, so muss es innerhalb von 60 Tagen eine wissenschaftliche Stellungnahme zum CEAR vorlegen. Gelingt dies nicht innerhalb der Frist, kann die Benannte Stelle das Zertifizierungsverfahren fortsetzen.
  • Die Benannte Stelle muss die wissenschaftliche Stellungnahme bei ihrer Entscheidung gebührend berücksichtigen und eventuell das Zertifikat nur mit Einschränkungen oder unter Auflagen erteilen. Die Kommission macht die Dokumente über Eudamed – unter Wahrung des Datenschutzes sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – öffentlich zugänglich.
Entscheidungskriterien der Expertenkommission sind nach dem Kompromiss folgende Punkte:
  • Neuartigkeit des Produkts oder der entsprechenden klinischen Methode mit klinischen und gesundheitlichen Auswirkungen größeren Maßes;
  • wesentliche nachteilige Änderung des Risiko-Nutzen-Profils einer spezifischen Kategorie oder Gruppe von Produkten aufgrund wissenschaftlich fundierter gesundheitlicher Bedenken mit Blick auf Produktkomponenten und Ausgangsmaterialien sowie hinsichtlich der Auswirkungen auf die Gesundheit im Versagensfall;
  • wesentlicher Anstieg von Meldungen schwerer Vorkommnisse.
Über die Verordnung kann das Europäische Parlament voraussichtlich im Herbst 2016 entscheiden, wenn die rechtlich geprüften Übersetzungen des Kompromisses in allen Sprachen vorliegen. Die neuen Regeln treten drei Jahre nach der Veröffentlichung im Europäischen Amtsblatt in Kraft.
Als Fazit stellt der BVMed fest, dass die Patientensicherheit für die Unternehmen der Medizintechnologie oberste Priorität habe. Maßnahmen wie die europaweit einheitliche Benennung und Überwachung der Benannten Stellen auf Basis konkretisierter und verschärfter Anforderungen oder ein Implantatpass zur besseren Nachverfolgbarkeit der Patienten würden die Patientensicherheit in Europa weiter verbessern.
Zum Hintergrund:
Medizinprodukte durchlaufen umfangreiche technische und klinische Tests nach international anerkannten standardisierten Methoden, bevor sie in umfangreichen klinischen Studien erprobt und beim Patienten angewendet werden. Die hohen Anforderungen an die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten umfassen eine Risikoanalyse und Risikobewertung zum Nachweis der Sicherheit, den Nachweis der Einhaltung aller relevanten Gesetze und Normen, die Durchführung einer klinischen Bewertung zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit sowie ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem, das Kontrollen im technischen Labor oder Chargen- und Stichprobenprüfungen während der Produktion umfasst.
Der Marktzugang für Medizinprodukte über die CE-Kennzeichnung ist dabei zeitlich befristet – im Gegensatz zu Arzneimitteln. * Nach der Erstzertifizierung finden jährliche Wiederholungsaudits der Benannten Stellen statt. Spätestens alle fünf Jahre werden Medizinprodukte durch die Benannten Stellen rezertifiziert und erhalten nach erfolgreichem Audit eine neue Konformitätsbescheinigung. Darüber hinaus finden spätestens alle drei Jahre – bei Hochrisikoprodukten sogar häufiger – unangekündigte Audits der Benannten Stellen beim Hersteller und dessen wichtigsten Lieferanten statt, bei denen Stichproben aus der Produktion gezogen und überprüft werden.
Weitere Informationen des BVMED zur Entwicklung und zur Sicherheit von Medizinprodukten
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